Fashion Victim

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Hella

Mitglied
Fashion Victim

Dies ist der Winter
in dem Kate Moss
den Olymp verlässt
wo the body
sich anverwandelt
zum rosa Flakon
wo Kate
olfaktorisch
zum 0815
verpufft
Dies ist der Winter
wo Dolce
& Gabbana
dem Himmel entsagen
wo geweihte Ware
per TV-Werbung
verblasst
Die Verlockungen
des Massenmarkts,
nicht wahr,
Dolce,
nicht wahr,
Gabbana?
Dies ist der Winter
wo H & M
an heidnischem Glanz
verliert
wo kein Weihnachtsgeld
gezahlt wird
wo der fromme
Konsument
eine Auszeit nimmt
wo er zu Prada
betet oder
Rapunzel
Doch auch dort nur
vagabundierendes Kapital und
kein Gott
weit und breit
keine Antwort
Zeit die Börsen
zu schließen
die Taschen
zu Hause
zu lassen
die Schränke
zu leeren
sie zu füllen
mit barem
Leben.
 

Pola Lilith

Mitglied
Hallo, Hella

1
wo der fromme
Konsument
eine Auszeit nimmt

den nachfolgenden Zusammenhang verstehe ich nicht:

2
wo er zu Prada
betet oder
Rapunzel

Sind die Prada- oder Rapunzel-Konsumenten keine frommen Konsumenten?

Toll getroffen:

Doch auch dort nur
vagabundierendes Kapital und
kein Gott
weit und breit

Wenn Du noch ein bisserl von den Models weggegangen wärst und dies dafür durch noch mehr Kritik und reale Gegebenheiten ersetzt hättest, hätte mir der Text außerordentlich gut gefallen.

Gruß, Pola
 

Hella

Mitglied
Hallo Pola,

vielen Dank, dass du dir Zeit genommen hast für Fashion Victim. Mit dem frommen Konsumenten meine ich denjenigen Konsumenten, der sein Konsumieren auch als eine gesellschaftlich relevante Handlung begreift. Wenn H & M kein Weichnachtsgeld zahlt, pausiert er also mit dem Einkauf dort und wendet sich Firmen zu, die (zumindest vordergründig) als integer gelten.

Das Model Kate Moss und die italienische Glamourfirma Dolce & Gabbana sind absichtlich gewählt - für den Versuch, die "Bilder" und "Mythen" (und beide Firmen haben meines Erachtens etwas sehr Mythisches) einer von Werbung getränkten Gegenwartskultur für Gedichte nutzbar zu machen.

Ich habe diesen Text absichtlich in die Leslupe reingestellt, um zu sehen, ob das für andere funktionieren könnte. Dass es für dich nicht oder nur begrenzt taugt, ist für mich eine wertvolle Rückmeldung!

Gruß, Hella
 
H

Heidrun D.

Gast
Mich spricht es ganz & gar an.

Auch mich fasziniert die Scheinwelt der Mode ungemein, in der ein abgebrochener Fingernagel Weltuntergang, 500 g zusätzliches Lebendgewicht das Aus bedeuten können.

Dem stellst du Realien gegenüber; lieblos zusammengeschusterte Klamotten, Arbeitslosigkeit, Inflationäres ... auch in der Konfrontation von mythenreicher (allein die Wörter: Dolce & Gabbana, seufz) und der eher nüchternen Alltagssprache.

Das gefällt mir ausgezeichnet.

Liebe Grüße
Heidrun
 

Pola Lilith

Mitglied
Hallo Hella,

mich hat deine Lyrik durchaus angesprochen !

Allerdings ist mir noch nicht ganz klar, was du mit dem frommen Konsumenten meinst, der eine Auszeit hat und sich Prada oder Rapunzel zuwendet(die ja gegensätzlicher nicht sein können; erstere ist nicht nur elitär, sondern braucht auch das entsprechende Budget bzw. ist elitär wg. dem entsprech. Budget, und zweites ist zwar auch Producer für den sog. bewußten Konsumenten, der aber denke ich - weil bezahlbar - viel gestreuter ist als Prada-Konsumenten).

Nun zum frommen Konsumenten, der sich an Prada oder Rapunzel wg. seiner Auszeit zuwendet. Kam er von H & M vor seiner Auszeit? Und ist H & M nicht genauso schick für Prada-Konsumenten (nicht aber wohl für Rapunzel-K.?) Oder war der Konsument fromm, weil er stinknormal war, also nach allem gegriffen hat, wozu er gerade Geld und Lust hatte?

Also ganz verstehe ich immer noch nicht deinen frommen Konsumenten, der sich in seiner Auszeit (dann, wenn die Kohle knapper wird?) Prada oder Rapunzel zuwendet.

Vielleicht kannst du mir einfach in einem Satz mitteilen, was du genau mit dem frommen Konsumenten meinst.

Ein herzlichstes Amen einstweilen

Pola
 

Pola Lilith

Mitglied
Hallo Hella,

vielleicht beiß ich mich auch zu fest; vielleicht versteh ich es jetzt endlich:

Du meinst also den kritischen Konsumenten, der, weil H & M kein Weihnachtsgeld zahlt (also "schlechte" Politik betreibt), sich dem verführerischen Modus von Prada oder Rapunzel hingibt - er gibt also seine Kritik, seinen Glauben, seine Frömmigkeit, teilweise auf, aber nicht ganz, er ist ja nur in einer Auszeit - er verfällt somit nicht dem allgemeinen, dumpfen Konsum, sondern ... Verflucht nochmal, ich versteh's nicht. Irgendetwas stimmt mit deiner Aussage des Integren nicht. Irgend etwas empfinde ich hier als nicht ganz wahr.

Vielleicht entdeckst du den Knochen, an dem ich gerade nage... - wenn ich dich nicht schon zu sehr nerve

besten Gruß, Pola
 

Hella

Mitglied
Hallo Pola,

nein, du nervst gar nicht, vielmehr freue ich mich, dass du dich so in den frommen Konsumenten verbeißt, was mich zum (lehrreichen) Überdenken zwingt. Aber in einem Satz kann ich die Frömmigkeit nicht erklären, deshalb leider noch mal viele Sätze:

Mit dem frommen Konsumenten meine ich den Konsumenten, der "gut" sein will (im Gegensatz zu einem als "heidnisch" gedachten Konsumenten, dem es total wurscht ist, wer sein Produkt unter welchen Umständen produziert).

H&M ist für den frommen Konsumenten ein heidnisches Geschäft, weil die Sachen so billig sind, dass es eigentlich gar nicht sein kann, dass die fair produziert werden. Der fromme Konsument möchte aber auf das coole ("Glanz") Angebot von H&M nicht verzichten und glaubt deswegen bequemerweise an den Verhaltenskodex, den H&M vor einigen Jahren als Maßgabe für das eigene Handeln verabschiedet hat.

Wenn er aber erfährt, dass die Angestellten einer H&M-Filiale streiken, weil sie kein Weihnachtsgeld kriegen, ist der Glanz weg und er geht nicht mehr bei H&M einkaufen (zumindest vorübergehend, bis er es verdrängen konnte).

Rapunzel und Prada sind für den frommen/moralischen Konsumenten Sympathieträger und höhere moralische Wesen (Rapunzel als Öko-Firma der ersten Stunde und Prada als das allseits bewunderte kreative Projekt einer Intellektuellen mit politischem Bewusstsein, von der er er einfach vermutet, dass sie sozialverträglich produziert).

"Doch auch dort nur ..." entlarvt diese Vorstellungen des "frommen" Konsumenten als eine große Illusion, mit der er eigentlich nur sein schlechtes Gewissen beruhigen will, weil er sehr viele Dinge konsumiert, die er gar nicht braucht. Es gibt beim Konsumieren keine höhere Moral (= keinen Gott), auf jeden Fall nicht beim Konsumieren, wie es gut versorgte Menschen in den Wohlstandsgesellschaften (die meisten von uns) betreiben.

Schön, dass du mir die Gelegenheit gegeben hast, ein kleines Pamphlet zu schreiben :)

Beim nächsten Dichten werde ich darauf achten, in der Aussage verständlicher zu werden, damit zehn erklärende Sätze reichen würden und es nicht fünfzig braucht!

Viele Grüße,
Hella
 

Pola Lilith

Mitglied
Danke für die ausführliche Antwort - sobald ich Zeit habe, nehme ich mir die Frömmigkeit nochmal zu Herzen. Lb Gruß, Pola
 



 
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