Faust (9,10)

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Eine Komödie von Rolf-Peter Wille in 22 Szenen

(Szenen 1-2)
(Szenen 3-4)
(Szenen 5-6)
(Szenen 7-8)

(Szenen 9-10)


IX

Seitenstrasse: Faust und Meager Art – Arm in Arm




Meager Art.

(singt)

Es war ein Dichter, wie ihr seht,
[ 2]So klug, so voller Geist;
War sehr gebildet, sehr bereist,
Doch leider Gottes auch beredt -
[ 2]Nicht immer, aber meist.

Sein Mund stand unter Denkmaulschutz.
[ 2]Es sang wie ein Poet
Und sabberte von früh bis spät
Nur lyrisch seichten Speichelschmutz -
[ 2]Doch stets mit Piëtät.

Faust.

(singt)

War auch ein Mägdelein recht fein
[ 2]Und, ach, so wunderschön.
Des Dichters Mund blieb offen stehn
Und sabberte manch Liebelei’n -
[ 2]Da wollt das Mägdlein gehn.

"Geh fort mit deinem Schmeichelputz!"
[ 2]So rief die falsche Dirn.
"Den Sabber zwäng mir nicht ins Hirn,
Den schmierig seichten Speichelschmutz -
[ 2]Ach, häng dich auf am Zwirn!"

Meager Art.

Da schrie sein Maul in wildem Trutz:
[ 2]"Die Lieb ist ein Geheul!"
Er suchte sich ein feines Knäuel
Und würgte seinen Speichelschmutz -
[ 2]O lyrisch feuchter Greuel.

Sein Grab steht unter Denkmaulschutz:
[ 2]"Hier ruhet ein Poet."
Am Steine klebt noch, wie ihr seht,
Manch blass verschmierter Speichelschmutz -
[ 2]Doch nicht mehr sehr beredt.

--

Faust.

O schnolde Magd, kommst du zu mir?

Meager Art.

Ich spiele nicht so gern Klavier.

Faust.

Nein, nein. Ich spiele heut auf dir
Tschaikowsky, Chopin, Bach und Liszt,
Weil du doch meine Liebste bist.

(küsst Meager Art)




X

Im Kunst Tropicarium: Faust und Meager Art




Faust.

Wo wogend die Palmen sich wölben und fiedern,
[ 2]Das Wedeln der fiebernden Farne erwidern,
[ 2]Dort schwingt die verwobene grüne Gardine
[ 2]Der luftig entschwebenden Blattbaldachine.
Es flattern die Schwingen in lustigem Liede
[ 2]Der tanzenden Elfen und ihrer Sylphide,
[ 2]Sie schwirren im Reigen vergangener Mythen
[ 2]Und naschen vom Nektar der lüsternen Blüten.
Am Saume der träumenden Baum-Orchideen
[ 2]Da schlummern die duftig verzauberten Feen
[ 2]Und gleiten in schläfrig verdämmernden Nächten
[ 2]Auf schlingenden langen Lianengeflechten.
Im Humus, wo knorrige Wurzeln verrotten,
[ 2]Da trödeln die Trolle in Grüften und Grotten.
[ 2]Manch Zwerglein verfing sich und zappelt verloren
[ 2]Im riesigen Trichter der Insektivoren.
Der felsigen Steilwand entrauscht in Kaskaden
[ 2]Das Nass und zersprüht auf den nackten Najaden,
[ 2]Den Nymphen und Nixen, die niedlich grazile
[ 2]Sich wirbelnd vergnügen in neckischem Spiele.

(Dr. Aloys Palmbiss, Direktor des Tropicariums, erscheint)

Palmbiss.

Professor Faust! Sie kommen recht!

How do you like…?

Faust.

[ 6]…it is fantastic!

Und die Najaden dort…

Palmbiss.

[ 6]…aus Plastik.

Doch meine Palmen, die sind echt!

Meager Art.

Wohl nur ein wenig angebissen…

Palmbiss.

Ah, ich vergass! Frau Meager Art!

Meager Art.

Recht angenehm! Doch möcht ich wissen,
Wie sich die Plastiknixe paart…

Palmbiss.

Haha! Die Dame hat Humor!
Doch kommen Sie - ich führe Ihnen etwas vor.

Der hier, der ist besonders fein:
Ein Sulawesi Palmenwein!

(schenkt Faust und Meager Art ein Glas Palmwein ein und führt sie in den tropischen Schaukelwald,wo die Galeriebesucher auf langen Art Déco Schaukeln vor impressionistischen Gemälden schwingen)

Meager Art.

Ich hoffe, Sie wollen uns hier nicht verschaukeln!

Palmbiss.

[ 2]Die Kunst soll verzaubern; - mitunter auch gaukeln.
Es sind heut die Leute meist leider apathisch.
[ 2]Hier werden als Schaukler sie bildungsfanatisch.
So haben sie ihre Gemälde doch gerne:
[ 2]Mal scheinen sie nahe, mal schwingen sie ferne.
Da schau, unsre Gäste mit Wein und Zigarre!
[ 2]Die dösen gelöster; sind nicht mehr so starre.
Jetzt dürfen sie schaukeln und saufen und qualmen -,
[ 2]Pissarro geniessen im Schatten der Palmen.

Faust.

Wird hier nicht die Farbe von Fäulnis zerfressen?

Palmbiss.

[ 2]Ist chemisch versiegelt mit allen Finessen!

Hier sehen Sie nur die bekannten Artisten
[ 2]Und unsre französischen Impressionisten.
Wir haben Renoire, Manets und Monets…

Meager Art.

[ 2]Und reichlich Moneten auch unterm Gesäss.

Palmbiss.

Mäzene sind besser als tägliches Beten!
[ 2]Und liebst du Monet, tja dann brauchst du Moneten.

[ 2]Es fehlen die Musiker nun und Poeten.
Wir hoffen, Sie werden uns oft inspirieren,
[ 2]Das Kunstambiente hier klanglich verzieren!

Faust.

Faurés und Ravelle berieseln Renoire?

Palmbiss.

[ 2]Chansons so im Stile der Zwanziger Jahre?

Meager Art.

Mein Faust spielt recht innig Chopinsche Berceusen,
[ 2]Da möchten die Gäste noch himmlischer dösen.

Faust.

Zwar schrieb er nur eine…

Palmbiss.

[ 6]Ja, was Sie begehren!
[ 2]Ich wünschte, Sie könnten uns heut schon beehren.
Den Flügel, den werden wir rasch transportieren,
[ 2]Das weitere lässt sich noch organisieren.

(erhebt sein Glass)

Gelobt sei das Szenarium!
Wir machen es sofort publik:
Jetzt gibts im Tropicarium
Gemälde, Palmen und Musik.

Meager Art.

An alle die Narren
[ 2]Mit ihren Zigarren:
Jetzt können Sie starren
[ 2]Auf unsre bizarren
Gaugins und Pissarren
[ 2]Zum Klang der Gitarren.

Palmbiss.

Bravo! Ach, Sie sind wie meine zarten
Kakteen. Komm, ich führ Sie in den Garten.

(führt Faust und Meager Art in den Kakteengarten)

Ich liebe sie, die süssen Sukkulenten.
[ 2]Sie wachsen stets in meinem Sinn.
[ 2]Mit ihren Stachelchen, den virulenten,
[ 2]Da sukkulieren sie so langsam vor sich hin.
Versteckt in den verborgenen Talenten,
[ 2]Da offenbart sich ihr Gewinn.
[ 2]Die knubbeligen Phalli, die potenten,
[ 2]Beweisen eine stachelige Disziplin.
Bescheiden sind Kakteen, die dezenten.
[ 2]Sie dämmern leise nur dahin.
[ 2]Ihr Sukkulenten, lauscht den Komplimenten:
[ 2]Ich liebe euch; ihr seid so cool, ihr seid so in!

Faust.

Und all die Gäste, die beim Schaukeln schwitzen,
Die sollten hier mit ihren braven
Gesässen auf den spitzen Blättern sitzen
Der mexikanischen Agaven.

Vom Kunstgenuss zum heissen Fieber…

Meager Art.

Doch die Kakteen sind mir lieber.
Oh…, diese knubbeligen Phalli!

Gibts nicht Picasso hier und Dali
In Ihrer Kaktus-Galerie?

Palmbiss.

Nicht schlecht. Sie sind doch ein Genie!

Faust.

Und singst du die feurig iberischen Sachen,
So wird das die Leut noch hysterischer machen.

Palmbiss.

Ach Ihr Süssen…; die Ideen!
Fühlend lauschen, tastend sehen:
Soiréen zu Kakteen…


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