Fehlstart

4,00 Stern(e) 1 Stimme
Fehlstart



Am Anfang war das Licht - eine Einschätzung die Flynn aus heutiger Sicht wohl auch nicht teilen würde, wenn er das noch könnte. Wohl kaum. Doch dabei hätte alles so schön werden können. Schließlich brachte Flynn alle grundlegenden Voraussetzungen mit, um etwas Großes, womöglich gar Gewaltiges mit seinen naturgegeben Fähigkeiten und Neigungen anzufangen. Zum Beispiel konnte er schon im zarten Alter von 5 Jahren solche spannenden Geschichten erzählen, dass ihm selbst Erwachsene gerne und staunend lauschten. Seine Mutter hat dann meistens stolz gesagt: "Der wird sicher mal ein Schriftsteller, so wie der sprachlich begabt ist!"
Auch Flynn´s Vater war jedes Mal mit Stolz erfüllt, wenn sein Sohn wie der Teufel über den Fußballplatz gefegt ist und ab und zu, sozusagen als Krönung die Pille in den Kasten befördert hat.
"Ja, dass ist mein Junge! Toooor!"
Auch der Trainer der Miniknaben hat für Flynn immer nur lobende Worte übrig gehabt.
"Ja, im Herbst, wenn er dann bei der U8 mitspielen kann - na, das wird was werden!"
Doch Flynn´s Talente und Fähigkeiten waren nicht nur auf diese beiden Dinge begrenzt. Er hatte darüber hinaus auch ein Faible für das Schlagzeug seines Vaters, auf dem er jede freie Minute, wenn er gerade mal nicht Fußball spielte oder gerade im Kindergarten war, herumgehämmert hat. Und das nicht einmal schlecht. Beinahe richtig gut für sein Alter, fanden seine überaus glücklichen Eltern. Und nicht nur die! Freunde, Bekannte und Verwandte der Familie äußerten sich ebenfalls des Öfteren in diese Richtung, was letztendlich Grund genug für Flynns Eltern war, ihren Sprössling mit Schulbeginn zum Schlagzeugunterricht anzumelden und eben auch auf Anraten des Fußballtrainers bei der U8 der örtlichen Fußballmannschaft unterzubringen. Und Flynn war begeistert, euphorisch geradezu - die Sterne standen also günstig für ein geglücktes und reiches Leben. Flynn war klug, talentiert und überaus motiviert. Doch dann kam er, dieser Tag, an dem sich alles änderte. An dem das Licht der Dunkelheit wich. Dann kam er, Flynn´s erster Schultag...

Seine Vorfreude bekam einen ersten Dämpfer, just in dem Moment als Frau Pissmark das Klassenzimmer betrat. Ihre Augen waren riesig und die Pupillen glänzten in postalkoholischem Glanz. Ihrem Mund entwichen kratzige, beinahe schrille Töne und es dauerte etwas bis Flynn bemerkte, dass sie sich nicht räusperte sondern zu der Klasse sprach. Atonales Gekrächze materte sein überaus empfindliches Gehör und er musste sich auf die Zunge beißen, um nicht durchzudrehen. Und bei einem beiläufigen Blick zu seinem Sitznachbarn erkannte er, dass es diesem auch nicht sonderlich gefallen konnte, was ihm da in seine Gehörgänge gejagt wurde. Wenn er sich getraut hätte, so schien es, hätte der sich bestimmt die Ohren zugehalten. Doch seine Augen starrten ängstlich in die Richtung aus der das Unheil über sie alle hereinbrach. Frau Pissmark sprach: "Sooo, meineee lieben Kiender! Jetzzzzzttt issst es alsoo so weitt! Der Ernzt des Lebens wartet auf euch!" Ihre "glubschigen" Augen fegten über die Köpfe der Kinder hinweg wie ein ratterndes Maschinengewehr. Es grenzte für Flynn an ein Wunder, als kurze Zeit später noch immer alle Kinder heil und unverletzt auf ihren Plätzen saßen und ängstlich nach vorne schauten. Aber Pissmarks Blick blieb weiterhin gefährlich und ihre grauen struppigen Haare verliehen ihr das Aussehen einer alten und sehr sehr bösen Hexe, wie Flynn fand.
"Jetzzt wollen wirrr mal beginnen!", Pissmark räusperte sich diesmal wirklich, was aber fast angenehmer klang als ihre schrille Sprechstimme. Flynn hoffte insgeheim, dass sie in Musikerziehung eine andere Lehrerin haben würden. Nicht daran zu denken, was wohl geschehen würde, wenn die Hexe auch noch singen würde. Doch vorerst blieb den Kindern diese Art der Folter erspart. Pissmark hatte nämlich noch ganz andere Spielarten in ihrem Repertoire.
"Jedes Kiend, wirrd mir jetzzt erzählen, was es in diesem Sommerrr soo allez erlebt hat! Wirr machen jezzzt Deutschunterricht! Beginnen wir mittt, ähm dir!", Pissmarks Zeigefinger war wie eine geladene Waffe, die sich ihr nächstes Opfer suchte. Und bevor Flynn es überlauerte, zeigte die Waffe auf ihn und Pissmarks schrille Stimme feuerte genau in seine Richtung.
"Naaaa, mein Kleinerrr, wie heizt du dennn?"
"Ähm, Flynn!"
"Nein, nein! Meine Kiender! Dazz sagt man so nicht! Man sagt: ICH HEIZTE so und so! Versteht ihrr?!"
"Ähm...", Flynn war merklich verunsichert und Pissmarks unerbitterlichen Alkoholikeraugen bohrten sich noch tiefer in seinen zerbrechlichen Verstand.
"Auch nichtt ähm!" Man spricht klarrr und deutlich! Hörzt du!"
"I, I, Ich heiße Flynn!"
"Nein! Nicht stotttern! Daz musst du nochmal sagen! Aberrr beszer!", Pissmark hatte nun ihren Liebling gefunden.
" Ich, hei- heiße Flynn!"
Pissmark hielt ein paar Sekunden inne. Dann zogen sich ihre Mundwinkel nach oben und eine böse Karikatur eines gepflegten 3te Zähnegebisses kam zu Vorschein. Ihre Augen funkelten unheilvoll auf als sie die folgenden, folgeschweren Worte formulierte.
"Ah ein Stotterkiend! Ein Stotterer!", alle Kinder lachten.
"Ruuuheee!", brüllte Pissmark und die Stille fand sofort wieder Einzug. Alle Kinder schauten gebannt auf die Lehrerin. Nur Flynn schaute auf den Boden.
"Da wirzt du wohl Sprachtherapie brrrauchen! Hä?!"
"Nei-nein ich ka, ka...!"
Alle Kinder lachten erneut und diesmal gebot ihnen Pissmark nicht sofort Einhalt. Es dauerte für Flynn endlose Augenblicke, bis es endlich wieder still war. Und Pissmark schien das förmlich zu genießen.
"Sooo! jetzzt probiertzt du es gleich nochmal! Ich heizte Flynn! Komm schon! Los! Ich heitze Flynn!"
Flynn schluckte, Schweiß perlte auf seiner Stirn. Es bereitete ihm beinahe körperliche Schmerzen erneut zu sprechen. Alle Blicke der Klasse ruhten auf ihm. Sie warteten. Sie alle warteten darauf, dass er etwas sagen würde. Dass er weiterstotterte. Im Augenwinkeln sah er ein Mädchen, das hämisch auf seinen zitternden Mund stierte.
"Waz izt! Los schon! Wird daz noch waz heute?!", höllerten Pissmark schrillen Worte in seinem Kopf. Ein kalter Schauer jagte ihm über den Rücken und ganz weit entfernt hörte Flynn plötzlich eine sehr vertraute Stimme: "Der wird bestimmt mal Schriftsteller"!, hörte er seine stolze Mutter sagen. Tränen standen ihm in den Augen. Als diese ferne Stimme verstummte, war es auch im Klassenzimmer wieder leise und Flynn war erstarrt.
"Kommt da nichtz meeehr?! Hä! Nichzt mehr! Na ja!"
"Schaut, der beginnt gleich zu flennen!", posaunte das Mädchen, dessen Blicke so hämisch und böses an seinen Lippen gehangen hatten. Ein helles Gelächter erfüllte das Klassenzimmer.
"Ruhhhe Kiender! Hier spreche nur ich! Ihr nurr, wenn ihr gefragt werdet! Dieze Kiender heute - pf!", im Gedanken öffnete Pissmark schon die allabendliche Weinflasche und hatte ihren Blick schon auf den Birnenbrand gerichtet, der als nächstes in ihren mürben Verstand eindringen würde. Einmal noch strafte sie Flynn mit einem abschätzigen Blick und fuhr fort. Ihr Finger war bereit sich ein nächstes Opfer zu suchen.
"Dann lazzen wir den Stottererr! Soll ein anderes Kiend weitermachen!"
"Ja, nicht der Stotterer! HaHa!", brüllte ein Bursche aus der letzten Reihe.
"Nicht der Stotterer! Nicht der Stotterer!"
"Ruhe!", und während Pissmark abermals Ruhe einforderte wurde Flynn´s Hose von einer warmen streng riechenden Flüssigkeit benetzt. Als der Geruch von Urin den halben Raum eingenommen hatte, trat Frau Pissmark an Flynn heran und zeigte mit dem Finger auf ihn. Was sie zu ihm sagte, hörte Flynn gar nicht. Auch nicht das erneute Lachen der anderen Kinder.
" Ha Ha! Hosenpisser! Hosenpisser!"
"Seit stillll Kiender! Seit endlich stillll!"
Und Flynn saß weiter mit nasser Hose auf seinem Platz, starrte gebrochen in die Leere seines zukünftigen Lebens und sagte den ganzen Vormittag über kein einziges Wort mehr. Pissmark ließ ihn gnädigerweise den restlichen Vormittag unbehelligt mit nasser Hose auf seinem Platz sitzen. Schließlich hatte sie ja noch Zeit! 4 Jahre GrundschulZEIT! 4 Jahre um ein Leben zu zerstören - die Kinder machten mit. Nicht wirklich boshaft - aber so wie Kinder nun mal sein können. Und seit diesem Tag hat Flynn nie wieder jemandem eine Geschichte erzählt. Auch das Fußballspielen hat er sein gelassen. Denn 2 Burschen aus seiner Klasse waren an diesem Nachmittag ebenfalls dort auf der Wiese,
"Seht ihn euch an ! Stotternder Hosenpisser! Stotternder Hosenpisser!"
Zum Schlagzeugunterricht ist er gar nicht mehr gegangen. Das einzige was ihm von diesem Tag für den Rest seines Lebens geblieben ist, war das Stottern.
Flynn ist mit 25 Jahren an einer Überdosis gestorben. Alleine im Dreck liegend unter einer Brücke. Es roch nach Urin...
 
Fehlstart



Am Anfang war das Licht - eine Einschätzung, die Flynn aus heutiger Sicht bestimmt nicht teilen würde, auch wenn er das noch könnte. Wohl kaum. Doch dabei hätte alles so schön werden können. Schließlich brachte Flynn alle grundlegenden Voraussetzungen mit, um etwas Großes, womöglich gar Gewaltiges mit seinen naturgegeben Fähigkeiten und Neigungen anzufangen. Zum Beispiel konnte er schon im zarten Alter von 5 Jahren solche spannenden Geschichten erzählen, dass ihm selbst Erwachsene gerne und staunend lauschten. Seine Mutter hat dann meistens stolz gesagt: "Der wird sicher mal ein Schriftsteller, so wie der sprachlich begabt ist!"
Auch Flynn´s Vater war jedes Mal mit Stolz erfüllt, wenn sein Sohn wie der Teufel über den Fußballplatz gefegt ist und ab und zu, sozusagen als Krönung die Pille in den Kasten befördert hat.
"Ja, das ist mein Junge! Toooor!"
Auch der Trainer der Miniknaben hat für Flynn immer nur lobende Worte übrig gehabt.
"Ja, im Herbst, wenn er dann bei der U8 mitspielen kann - na, das wird was werden!"
Doch Flynn´s Talente und Fähigkeiten waren nicht nur auf diese beiden Dinge begrenzt. Er hatte darüber hinaus auch ein Faible für das Schlagzeug seines Vaters, auf dem er jede freie Minute, wenn er gerade mal nicht Fußball spielte oder gerade im Kindergarten war, herumgehämmert hat. Und das nicht einmal schlecht. Beinahe richtig gut für sein Alter, fanden seine überaus glücklichen Eltern. Und nicht nur die! Freunde, Bekannte und Verwandte der Familie äußerten sich ebenfalls des Öfteren in diese Richtung, was letztendlich Grund genug für Flynns Eltern war, ihren Sprössling mit Schulbeginn zum Schlagzeugunterricht anzumelden und eben auch auf Anraten des Fußballtrainers bei der U8 der örtlichen Fußballmannschaft unterzubringen. Und Flynn war begeistert, euphorisch geradezu - die Sterne standen also günstig für ein geglücktes und reiches Leben. Flynn war klug, talentiert und überaus motiviert. Doch dann kam er, dieser Tag, an dem sich alles änderte. An dem das Licht der Dunkelheit wich. Dann kam er, Flynn´s erster Schultag...

Seine Vorfreude bekam einen ersten Dämpfer, just in dem Moment als Frau Pissmark das Klassenzimmer betrat. Ihre Augen waren riesig und die Pupillen glänzten in postalkoholischem Glanz. Ihrem Mund entwichen kratzige, beinahe schrille Töne und es dauerte etwas bis Flynn bemerkte, dass sie sich nicht räusperte sondern zu der Klasse sprach. Atonales Gekrächze materte sein überaus empfindliches Gehör und er musste sich auf die Zunge beißen, um nicht durchzudrehen. Und bei einem beiläufigen Blick zu seinem Sitznachbarn erkannte er, dass es diesem auch nicht sonderlich gefallen konnte, was ihm da in seine Gehörgänge gejagt wurde. Wenn er sich getraut hätte, so schien es, hätte der sich bestimmt die Ohren zugehalten. Doch seine Augen starrten ängstlich in die Richtung aus der das Unheil über sie alle hereinbrach. Frau Pissmark sprach: "Sooo, meineee lieben Kiender! Jetzzzzzttt issst es alsoo so weitt! Der Ernzt des Lebens wartet auf euch!" Ihre "glubschigen" Augen fegten über die Köpfe der Kinder hinweg wie ein ratterndes Maschinengewehr. Es grenzte für Flynn an ein Wunder, als kurze Zeit später noch immer alle Kinder heil und unverletzt auf ihren Plätzen saßen und ängstlich nach vorne schauten. Aber Pissmarks Blick blieb weiterhin gefährlich und ihre grauen struppigen Haare verliehen ihr das Aussehen einer alten und sehr sehr bösen Hexe, wie Flynn fand.
"Jetzzt wollen wirrr mal beginnen!", Pissmark räusperte sich diesmal wirklich, was aber fast angenehmer klang als ihre schrille Sprechstimme. Flynn hoffte insgeheim, dass sie in Musikerziehung eine andere Lehrerin haben würden. Nicht daran zu denken, was wohl geschehen würde, wenn die Hexe auch noch singen würde. Doch vorerst blieb den Kindern diese Art der Folter erspart. Pissmark hatte nämlich noch ganz andere Spielarten in ihrem Repertoire.
"Jedes Kiend, wirrd mir jetzzt erzählen, was es in diesem Sommerrr soo allez erlebt hat! Wirr machen jezzzt Deutschunterricht! Beginnen wir mittt, ähm dir!", Pissmarks Zeigefinger war wie eine geladene Waffe, die sich ihr nächstes Opfer suchte. Und bevor Flynn es überlauerte, zeigte die Waffe auf ihn und Pissmarks schrille Stimme feuerte genau in seine Richtung.
"Naaaa, mein Kleinerrr, wie heizt du dennn?"
"Ähm, Flynn!"
"Nein, nein! Meine Kiender! Dazz sagt man so nicht! Man sagt: ICH HEIZTE so und so! Versteht ihrr?!"
"Ähm...", Flynn war merklich verunsichert und Pissmarks unerbitterlichen Alkoholikeraugen bohrten sich noch tiefer in seinen zerbrechlichen Verstand.
"Auch nichtt ähm!" Man spricht klarrr und deutlich! Hörzt du!"
"I, I, Ich heiße Flynn!"
"Nein! Nicht stotttern! Daz musst du nochmal sagen! Aberrr beszer!", Pissmark hatte nun ihren Liebling gefunden.
" Ich, hei- heiße Flynn!"
Pissmark hielt ein paar Sekunden inne. Dann zogen sich ihre Mundwinkel nach oben und eine böse Karikatur eines gepflegten 3te Zähnegebisses kam zu Vorschein. Ihre Augen funkelten unheilvoll auf als sie die folgenden, folgeschweren Worte formulierte.
"Ah ein Stotterkiend! Ein Stotterer!", alle Kinder lachten.
"Ruuuheee!", brüllte Pissmark und die Stille fand sofort wieder Einzug. Alle Kinder schauten gebannt auf die Lehrerin. Nur Flynn schaute auf den Boden.
"Da wirzt du wohl Sprachtherapie brrrauchen! Hä?!"
"Nei-nein ich ka, ka...!"
Alle Kinder lachten erneut und diesmal gebot ihnen Pissmark nicht sofort Einhalt. Es dauerte für Flynn endlose Augenblicke, bis es endlich wieder still war. Und Pissmark schien das förmlich zu genießen.
"Sooo! jetzzt probiertzt du es gleich nochmal! Ich heizte Flynn! Komm schon! Los! Ich heitze Flynn!"
Flynn schluckte, Schweiß perlte auf seiner Stirn. Es bereitete ihm beinahe körperliche Schmerzen erneut zu sprechen. Alle Blicke der Klasse ruhten auf ihm. Sie warteten. Sie alle warteten darauf, dass er etwas sagen würde. Dass er weiterstotterte. Im Augenwinkeln sah er ein Mädchen, das hämisch auf seinen zitternden Mund stierte.
"Waz izt! Los schon! Wird daz noch waz heute?!", höllerten Pissmarks schrille Worte in seinem Kopf. Ein kalter Schauer jagte ihm über den Rücken und ganz weit entfernt hörte Flynn plötzlich eine sehr vertraute Stimme: "Der wird bestimmt mal Schriftsteller"!, hörte er seine stolze Mutter sagen. Tränen standen ihm in den Augen. Als diese ferne Stimme verstummte, war es auch im Klassenzimmer wieder leise und Flynn war erstarrt.
"Kommt da nichtz meeehr?! Hä! Nichzt mehr! Na ja!"
"Schaut, der beginnt gleich zu flennen!", posaunte das Mädchen, dessen Blicke so hämisch und böses an seinen Lippen gehangen hatten. Ein helles Gelächter erfüllte das Klassenzimmer.
"Ruhhhe Kiender! Hier spreche nur ich! Ihr nurr, wenn ihr gefragt werdet! Dieze Kiender heute - pf!", im Gedanken öffnete Pissmark schon die allabendliche Weinflasche und hatte ihren Blick schon auf den Birnenbrand gerichtet, der als nächstes in ihren mürben Verstand eindringen würde. Einmal noch strafte sie Flynn mit einem abschätzigen Blick und fuhr fort. Ihr Finger war bereit sich ein nächstes Opfer zu suchen.
"Dann lazzen wir den Stottererr! Soll ein anderes Kiend weitermachen!"
"Ja, nicht der Stotterer! HaHa!", brüllte ein Bursche aus der letzten Reihe.
"Nicht der Stotterer! Nicht der Stotterer!"
"Ruhe!", und während Pissmark abermals Ruhe einforderte wurde Flynn´s Hose von einer warmen streng riechenden Flüssigkeit benetzt. Als der Geruch von Urin den halben Raum eingenommen hatte, trat Frau Pissmark an Flynn heran und zeigte mit dem Finger auf ihn. Was sie zu ihm sagte, hörte Flynn gar nicht. Auch nicht das erneute Lachen der anderen Kinder.
" Ha Ha! Hosenpisser! Hosenpisser!"
"Seit stillll Kiender! Seit endlich stillll!"
Und Flynn saß weiter mit nasser Hose auf seinem Platz, starrte gebrochen in die Leere seines zukünftigen Lebens und sagte den ganzen Vormittag über kein einziges Wort mehr. Pissmark ließ ihn gnädigerweise den restlichen Vormittag unbehelligt mit nasser Hose auf seinem Platz sitzen. Schließlich hatte sie ja noch Zeit! 4 Jahre GrundschulZEIT! 4 Jahre um ein Leben zu zerstören - die Kinder machten mit. Nicht wirklich boshaft - aber so wie Kinder nun mal sein können. Und seit diesem Tag hat Flynn nie wieder jemandem eine Geschichte erzählt. Auch das Fußballspielen hat er sein gelassen. Denn 2 Burschen aus seiner Klasse waren an diesem Nachmittag ebenfalls dort auf der Wiese,
"Seht ihn euch an ! Stotternder Hosenpisser! Stotternder Hosenpisser!"
Zum Schlagzeugunterricht ist er gar nicht mehr gegangen. Das einzige was ihm von diesem Tag für den Rest seines Lebens geblieben ist, war das Stottern.
Flynn ist mit 25 Jahren an einer Überdosis gestorben. Alleine im Dreck liegend unter einer Brücke. Es roch nach Urin...
 
Fehlstart



Am Anfang war das Licht - eine Einschätzung, die Flynn aus heutiger Sicht bestimmt nicht teilen würde, auch wenn er das noch könnte. Wohl kaum. Doch dabei hätte alles so schön werden können. Schließlich brachte Flynn alle grundlegenden Voraussetzungen mit, um etwas Großes, womöglich gar Gewaltiges mit seinen naturgegeben Fähigkeiten und Neigungen anzufangen. Zum Beispiel konnte er schon im zarten Alter von 5 Jahren solche spannenden Geschichten erzählen, dass ihm selbst Erwachsene gerne und staunend lauschten. So fantasievoll und originell waren die - für ein Kind seines Alters. Seine Mutter hat dann meistens stolz gesagt: "Der wird sicher mal ein Schriftsteller, so wie der sprachlich begabt ist!"
Auch Flynn´s Vater war jedes Mal mit Stolz erfüllt, wenn sein Sohn wie der Teufel über den Fußballplatz gefegt ist und ab und zu, sozusagen als Krönung die Pille in den Kasten befördert hat.
"Ja, das ist mein Junge! Toooor!"
Auch der Trainer der Miniknaben hat für Flynn immer nur lobende Worte übrig gehabt.
"Ja, im Herbst, wenn er dann bei der U8 mitspielen kann - na, das wird was werden!"
Doch Flynn´s Talente und Fähigkeiten waren nicht nur auf diese beiden Dinge begrenzt. Er hatte darüber hinaus auch ein Faible für das Schlagzeug seines Vaters, auf dem er jede freie Minute, wenn er gerade mal nicht Fußball spielte oder gerade im Kindergarten war, herumgehämmert hat. Und das nicht einmal schlecht. Beinahe richtig gut für sein Alter, fanden seine überaus glücklichen Eltern. Und nicht nur die! Freunde, Bekannte und Verwandte der Familie äußerten sich ebenfalls des Öfteren in diese Richtung, was letztendlich Grund genug für Flynns Eltern war, ihren Sprössling mit Schulbeginn zum Schlagzeugunterricht anzumelden und eben auch auf Anraten des Fußballtrainers bei der U8 der örtlichen Fußballmannschaft unterzubringen. Und Flynn war begeistert, euphorisch geradezu - die Sterne standen also günstig für ein geglücktes und reiches Leben. Flynn war klug, talentiert und überaus motiviert. Doch dann kam er, dieser Tag, an dem sich alles änderte. An dem das Licht der Dunkelheit wich. Dann kam er, Flynn´s erster Schultag...

Seine Vorfreude bekam einen ersten Dämpfer, just in dem Moment als Frau Pissmark das Klassenzimmer betrat. Ihre Augen waren riesig und die Pupillen glänzten in postalkoholischem Glanz. Ihrem Mund entwichen kratzige, beinahe schrille Töne und es dauerte etwas bis Flynn bemerkte, dass sie sich nicht räusperte sondern zu der Klasse sprach. Atonales Gekrächze materte sein überaus empfindliches Gehör und er musste sich auf die Zunge beißen, um nicht durchzudrehen. Und bei einem beiläufigen Blick zu seinem Sitznachbarn erkannte er, dass es diesem auch nicht sonderlich gefallen konnte, was ihm da in seine Gehörgänge gejagt wurde. Wenn er sich getraut hätte, so schien es, hätte der sich bestimmt die Ohren zugehalten. Doch seine Augen starrten ängstlich in die Richtung aus der das Unheil über sie alle hereinbrach. Frau Pissmark sprach: "Sooo, meineee lieben Kiender! Jetzzzzzttt issst es alsoo so weitt! Der Ernzt des Lebens wartet auf euch!" Ihre "glubschigen" Augen fegten über die Köpfe der Kinder hinweg wie ein ratterndes Maschinengewehr. Es grenzte für Flynn an ein Wunder, als kurze Zeit später noch immer alle Kinder heil und unverletzt auf ihren Plätzen saßen und ängstlich nach vorne schauten. Aber Pissmarks Blick blieb weiterhin gefährlich und ihre grauen struppigen Haare verliehen ihr das Aussehen einer alten und sehr sehr bösen Hexe, wie Flynn fand.
"Jetzzt wollen wirrr mal beginnen!", Pissmark räusperte sich diesmal wirklich, was aber fast angenehmer klang als ihre schrille Sprechstimme. Flynn hoffte insgeheim, dass sie in Musikerziehung eine andere Lehrerin haben würden. Nicht daran zu denken, was wohl geschehen würde, wenn die Hexe auch noch singen würde. Doch vorerst blieb den Kindern diese Art der Folter erspart. Pissmark hatte nämlich noch ganz andere Spielarten in ihrem Repertoire.
"Jedes Kiend, wirrd mir jetzzt erzählen, was es in diesem Sommerrr soo allez erlebt hat! Wirr machen jezzzt Deutschunterricht! Beginnen wir mittt, ähm dir!", Pissmarks Zeigefinger war wie eine geladene Waffe, die sich ihr nächstes Opfer suchte. Und bevor Flynn es überlauerte, zeigte die Waffe auf ihn und Pissmarks schrille Stimme feuerte genau in seine Richtung.
"Naaaa, mein Kleinerrr, wie heizt du dennn?"
"Ähm, Flynn!"
"Nein, nein! Meine Kiender! Dazz sagt man so nicht! Man sagt: ICH HEIZTE so und so! Versteht ihrr?!"
"Ähm...", Flynn war merklich verunsichert und Pissmarks unerbitterlichen Alkoholikeraugen bohrten sich noch tiefer in seinen zerbrechlichen Verstand.
"Auch nichtt ähm!" Man spricht klarrr und deutlich! Hörzt du!"
"I, I, Ich heiße Flynn!"
"Nein! Nicht stotttern! Daz musst du nochmal sagen! Aberrr beszer!", Pissmark hatte nun ihren Liebling gefunden.
" Ich, hei- heiße Flynn!"
Pissmark hielt ein paar Sekunden inne. Dann zogen sich ihre Mundwinkel nach oben und eine böse Karikatur eines gepflegten 3te Zähnegebisses kam zu Vorschein. Ihre Augen funkelten unheilvoll auf als sie die folgenden, folgeschweren Worte formulierte.
"Ah ein Stotterkiend! Ein Stotterer!", alle Kinder lachten.
"Ruuuheee!", brüllte Pissmark und die Stille fand sofort wieder Einzug. Alle Kinder schauten gebannt auf die Lehrerin. Nur Flynn schaute auf den Boden.
"Da wirzt du wohl Sprachtherapie brrrauchen! Hä?!"
"Nei-nein ich ka, ka...!"
Alle Kinder lachten erneut und diesmal gebot ihnen Pissmark nicht sofort Einhalt. Es dauerte für Flynn endlose Augenblicke, bis es endlich wieder still war. Und Pissmark schien das förmlich zu genießen.
"Sooo! jetzzt probiertzt du es gleich nochmal! Ich heizte Flynn! Komm schon! Los! Ich heitze Flynn!"
Flynn schluckte, Schweiß perlte auf seiner Stirn. Es bereitete ihm beinahe körperliche Schmerzen erneut zu sprechen. Alle Blicke der Klasse ruhten auf ihm. Sie warteten. Sie alle warteten darauf, dass er etwas sagen würde. Dass er weiterstotterte. Im Augenwinkeln sah er ein Mädchen, das hämisch auf seinen zitternden Mund stierte.
"Waz izt! Los schon! Wird daz noch waz heute?!", höllerten Pissmarks schrille Worte in seinem Kopf. Ein kalter Schauer jagte ihm über den Rücken und ganz weit entfernt hörte Flynn plötzlich eine sehr vertraute Stimme: "Der wird bestimmt mal Schriftsteller"!, hörte er seine stolze Mutter sagen. Tränen standen ihm in den Augen. Als diese ferne Stimme verstummte, war es auch im Klassenzimmer wieder leise und Flynn war erstarrt.
"Kommt da nichtz meeehr?! Hä! Nichzt mehr! Na ja!"
"Schaut, der beginnt gleich zu flennen!", posaunte das Mädchen, dessen Blicke so hämisch und böses an seinen Lippen gehangen hatten. Ein helles Gelächter erfüllte das Klassenzimmer.
"Ruhhhe Kiender! Hier spreche nur ich! Ihr nurr, wenn ihr gefragt werdet! Dieze Kiender heute - pf!", im Gedanken öffnete Pissmark schon die allabendliche Weinflasche und hatte ihren Blick schon auf den Birnenbrand gerichtet, der als nächstes in ihren mürben Verstand eindringen würde. Einmal noch strafte sie Flynn mit einem abschätzigen Blick und fuhr fort. Ihr Finger war bereit sich ein nächstes Opfer zu suchen.
"Dann lazzen wir den Stottererr! Soll ein anderes Kiend weitermachen!"
"Ja, nicht der Stotterer! HaHa!", brüllte ein Bursche aus der letzten Reihe.
"Nicht der Stotterer! Nicht der Stotterer!"
"Ruhe!", und während Pissmark abermals Ruhe einforderte wurde Flynn´s Hose von einer warmen streng riechenden Flüssigkeit benetzt. Als der Geruch von Urin den halben Raum eingenommen hatte, trat Frau Pissmark an Flynn heran und zeigte mit dem Finger auf ihn. Was sie zu ihm sagte, hörte Flynn gar nicht. Auch nicht das erneute Lachen der anderen Kinder.
" Ha Ha! Hosenpisser! Hosenpisser!"
"Seit stillll Kiender! Seit endlich stillll!"
Und Flynn saß weiter mit nasser Hose auf seinem Platz, starrte gebrochen in die Leere seines zukünftigen Lebens und sagte den ganzen Vormittag über kein einziges Wort mehr. Pissmark ließ ihn gnädigerweise den restlichen Vormittag unbehelligt mit nasser Hose auf seinem Platz sitzen. Schließlich hatte sie ja noch Zeit! 4 Jahre GrundschulZEIT! 4 Jahre um ein Leben zu zerstören - die Kinder machten mit. Nicht wirklich boshaft - aber so wie Kinder nun mal sein können. Und seit diesem Tag hat Flynn nie wieder jemandem eine Geschichte erzählt. Auch das Fußballspielen hat er sein gelassen. Denn 2 Burschen aus seiner Klasse waren an diesem Nachmittag ebenfalls dort auf der Wiese,
"Seht ihn euch an ! Stotternder Hosenpisser! Stotternder Hosenpisser!"
Zum Schlagzeugunterricht ist er gar nicht mehr gegangen. Das einzige was ihm von diesem Tag für den Rest seines Lebens geblieben ist, war das Stottern.
Flynn ist mit 25 Jahren an einer Überdosis gestorben. Alleine im Dreck liegend unter einer Brücke. Es roch nach Urin...
 
Fehlstart



Am Anfang war das Licht - eine Einschätzung, die Flynn aus heutiger Sicht bestimmt nicht teilen würde, auch wenn er das noch könnte. Wohl kaum. Doch dabei hätte alles so schön werden können. Schließlich brachte Flynn alle grundlegenden Voraussetzungen mit, um etwas Großes, womöglich gar Gewaltiges mit seinen naturgegeben Fähigkeiten und Neigungen anzufangen. Zum Beispiel konnte er schon im zarten Alter von 5 Jahren solche spannenden Geschichten erzählen, dass ihm selbst Erwachsene gerne und staunend lauschten. So fantasievoll und originell waren die - für ein Kind seines Alters. Seine Mutter hat dann meistens stolz gesagt: "Der wird sicher mal ein Schriftsteller, so wie der sprachlich begabt ist!"
Auch Flynn´s Vater war jedes Mal mit Stolz erfüllt, wenn sein Sohn wie der Teufel über den Fußballplatz gefegt ist und ab und zu, sozusagen als Krönung die Pille in den Kasten befördert hat.
"Ja, das ist mein Junge! Toooor!"
Auch der Trainer der Miniknaben hat für Flynn immer nur lobende Worte übrig gehabt.
"Ja, im Herbst, wenn er dann bei der U8 mitspielen kann - na, das wird was werden!"
Doch Flynn´s Talente und Fähigkeiten waren nicht nur auf diese beiden Dinge begrenzt. Er hatte darüber hinaus auch ein Faible für das Schlagzeug seines Vaters, auf dem er jede freie Minute, wenn er gerade mal nicht Fußball spielte oder gerade im Kindergarten war, herumgehämmert hat. Und das nicht einmal schlecht. Beinahe richtig gut für sein Alter, fanden seine überaus glücklichen Eltern. Und nicht nur die! Freunde, Bekannte und Verwandte der Familie äußerten sich ebenfalls des Öfteren in diese Richtung, was letztendlich Grund genug für Flynns Eltern war, ihren Sprössling mit Schulbeginn zum Schlagzeugunterricht anzumelden und eben auch auf Anraten des Fußballtrainers bei der U8 der örtlichen Fußballmannschaft unterzubringen. Und Flynn war begeistert, euphorisch geradezu - die Sterne standen also günstig für ein geglücktes und reiches Leben. Flynn war klug, talentiert und überaus motiviert. Doch dann kam er, dieser Tag, an dem sich alles änderte. An dem das Licht der Dunkelheit wich. Dann kam er, Flynn´s erster Schultag...

Seine Vorfreude bekam einen ersten Dämpfer, just in dem Moment als Frau Pissmark das Klassenzimmer betrat. Ihre Augen waren riesig und die Pupillen glänzten in postalkoholischem Glanz. Ihrem Mund entwichen kratzige, beinahe schrille Töne und es dauerte etwas bis Flynn bemerkte, dass sie sich nicht räusperte sondern zu der Klasse sprach. Atonales Gekrächze materte sein überaus empfindliches Gehör und er musste sich auf die Zunge beißen, um nicht durchzudrehen. Und bei einem beiläufigen Blick zu seinem Sitznachbarn erkannte er, dass es diesem auch nicht sonderlich gefallen konnte, was ihm da in seine Gehörgänge gejagt wurde. Wenn er sich getraut hätte, so schien es, hätte der sich bestimmt die Ohren zugehalten. Doch seine Augen starrten ängstlich in die Richtung aus der das Unheil über sie alle hereinbrach. Frau Pissmark sprach: "Sooo, meineee lieben Kiender! Jetzzzzzttt issst es alsoo so weitt! Der Ernzt des Lebens wartet auf euch!" Ihre "glubschigen" Augen fegten über die Köpfe der Kinder hinweg wie ein ratterndes Maschinengewehr. Es grenzte für Flynn an ein Wunder, als kurze Zeit später noch immer alle Kinder heil und unverletzt auf ihren Plätzen saßen und ängstlich nach vorne schauten. Aber Pissmarks Blick blieb weiterhin gefährlich und ihre grauen struppigen Haare verliehen ihr das Aussehen einer alten und sehr sehr bösen Hexe, wie Flynn fand.
"Jetzzt wollen wirrr mal beginnen!", Pissmark räusperte sich diesmal wirklich, was aber fast angenehmer klang als ihre schrille Sprechstimme. Flynn hoffte insgeheim, dass sie in Musikerziehung eine andere Lehrerin haben würden. Nicht daran zu denken, was wohl geschehen würde, wenn die Hexe auch noch singen würde. Doch vorerst blieb den Kindern diese Art der Folter erspart. Pissmark hatte nämlich noch ganz andere Spielarten in ihrem Repertoire.
"Jedes Kiend, wirrd mir jetzzt erzählen, was es in diesem Sommerrr soo allez erlebt hat! Wirr machen jezzzt Deutschunterricht! Beginnen wir mittt, ähm dir!", Pissmarks Zeigefinger war wie eine geladene Waffe, die sich ihr nächstes Opfer suchte. Und bevor Flynn es überlauerte, zeigte die Waffe auf ihn und Pissmarks schrille Stimme feuerte genau in seine Richtung.
"Naaaa, mein Kleinerrr, wie heizt du dennn?"
"Ähm, Flynn!"
"Nein, nein! Meine Kiender! Dazz sagt man so nicht! Man sagt: ICH HEIZTE so und so! Versteht ihrr?!"
"Ähm...", Flynn war merklich verunsichert und Pissmarks unerbitterlichen Alkoholikerinnenaugen bohrten sich noch tiefer in seinen zerbrechlichen Verstand.
"Auch nichtt ähm!" Man spricht klarrr und deutlich! Hörzt du!"
"I, I, Ich heiße Flynn!"
"Nein! Nicht stotttern! Daz musst du nochmal sagen! Aberrr beszer!", Pissmark hatte nun ihren Liebling gefunden.
" Ich, hei- heiße Flynn!"
Pissmark hielt ein paar Sekunden inne. Dann zogen sich ihre Mundwinkel nach oben und eine böse Karikatur eines gepflegten 3te Zähnegebisses kam zu Vorschein. Ihre Augen funkelten unheilvoll auf als sie die folgenden, folgeschweren Worte formulierte.
"Ah ein Stotterkiend! Ein Stotterer!", alle Kinder lachten.
"Ruuuheee!", brüllte Pissmark und die Stille fand sofort wieder Einzug. Alle Kinder schauten gebannt auf die Lehrerin. Nur Flynn schaute auf den Boden.
"Da wirzt du wohl Sprachtherapie brrrauchen! Hä?!"
"Nei-nein ich ka, ka...!"
Alle Kinder lachten erneut und diesmal gebot ihnen Pissmark nicht sofort Einhalt. Es dauerte für Flynn endlose Augenblicke, bis es endlich wieder still war. Und Pissmark schien das förmlich zu genießen.
"Sooo! jetzzt probiertzt du es gleich nochmal! Ich heizte Flynn! Komm schon! Los! Ich heitze Flynn!"
Flynn schluckte, Schweiß perlte auf seiner Stirn. Es bereitete ihm beinahe körperliche Schmerzen erneut zu sprechen. Alle Blicke der Klasse ruhten auf ihm. Sie warteten. Sie alle warteten darauf, dass er etwas sagen würde. Dass er weiterstotterte. Im Augenwinkel sah er ein Mädchen, das hämisch auf seinen zitternden Mund stierte.
"Waz izt! Los schon! Wird daz noch waz heute?!", höllerten Pissmarks schrillen Worte in seinem Kopf. Ein kalter Schauer jagte ihm über den Rücken und ganz weit entfernt hörte Flynn plötzlich eine sehr vertraute Stimme: "Der wird bestimmt mal Schriftsteller"!, hörte er seine stolze Mutter sagen. Tränen standen ihm in den Augen. Als diese ferne Stimme verstummte, war es auch im Klassenzimmer wieder leise und Flynn war erstarrt.
"Kommt da nichtz meeehr?! Hä! Nichzt mehr! Na ja!"
"Schaut, der beginnt gleich zu flennen!", posaunte das Mädchen, dessen Blicke so hämisch und böses an seinen Lippen gehangen hatten. Ein helles Gelächter erfüllte das Klassenzimmer.
"Ruhhhe Kiender! Hier spreche nur ich! Ihr nurr, wenn ihr gefragt werdet! Dieze Kiender heute - pf!", im Gedanken öffnete Pissmark schon die allabendliche Weinflasche und hatte ihren Blick schon auf den Birnenbrand gerichtet, der als nächstes in ihren mürben Verstand eindringen würde. Einmal noch strafte sie Flynn mit einem abschätzigen Blick und fuhr fort. Ihr Finger war bereit sich ein nächstes Opfer zu suchen.
"Dann lazzen wir den Stottererr! Soll ein anderes Kiend weitermachen!"
"Ja, nicht der Stotterer! HaHa!", brüllte ein Bursche aus der letzten Reihe.
"Nicht der Stotterer! Nicht der Stotterer!"
"Ruhe!", und während Pissmark abermals Ruhe einforderte wurde Flynn´s Hose von einer warmen, streng riechenden Flüssigkeit benetzt. Als der Geruch von Urin den halben Raum eingenommen hatte, trat Frau Pissmark an Flynn heran und zeigte mit dem Finger auf ihn. Was sie zu ihm sagte, hörte Flynn gar nicht. Auch nicht das erneute Lachen der anderen Kinder.
" Ha Ha! Hosenpisser! Hosenpisser!"
"Seid stillll Kiender! Seid endlich stillll!"
Und Flynn saß weiter mit nasser Hose auf seinem Platz, starrte gebrochen in die Leere seines zukünftigen Lebens und sagte den ganzen Vormittag über kein einziges Wort mehr. Pissmark ließ ihn gnädigerweise den restlichen Vormittag unbehelligt mit nasser Hose auf seinem Platz sitzen. Schließlich hatte sie ja noch Zeit! 4 Jahre GrundschulZEIT! 4 Jahre um ein Leben zu zerstören - die Kinder machten mit. Nicht wirklich aus Boshaftigkeit - aber so wie Kinder nun mal sein können. Und seit diesem Tag hat Flynn nie wieder jemandem eine Geschichte erzählt. Auch das Fußballspielen hat er sein gelassen. Denn 2 Burschen aus seiner Klasse waren an diesem Nachmittag ebenfalls dort auf der Wiese.
"Seht ihn euch an ! Stotternder Hosenpisser! Stotternder Hosenpisser!"
Zum Schlagzeugunterricht ist er gar nicht mehr gegangen. Das einzige was ihm von diesem Tag für den Rest seines Lebens geblieben ist, war das Stottern.
Flynn ist mit 25 Jahren an einer Überdosis gestorben. Alleine im Dreck liegend unter einer Brücke. Es roch nach Urin...
 



 
Oben Unten