Ferdinand besucht Voss

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ferdinand, er wollte Verse schmieden,
machte Feuer an, den Tee zu sieden.
"Ohne Tee", erklärt er, "wäre Kunst
nichts als Langeweile, trockner Dunst."

Und er wollte seinen Klopstock loben,
drum ging Ferdinand zu Voss nach oben.
"Klopstock klopft die Verse ziemlich rein,
schmiedet sie, tunkt sie ins Wasser ein,

dass das Wasser kräftig dampft und zischt,
dann erst werden sie uns aufgetischt.
Denn sie klingen rein und wohldurchzogen
von des Feuers Glut, des Wassers Wogen."

Voss erwidert: "Ferdinand, du bist,
wie ich weiß, ein großer Dadaist,
Wortgeklingel ist nicht deine Sache,
höre zu, was ich aus Lyrik mache."

Voss nimmt Wörter ausgesuchter Länge
und tauscht aus, weil das so besser klänge,
setzt zusammen Takte, Höhen, Tiefen,
seine Feder drückt ins Pergament sanft Riefen.

Lange Silben, kurze Silben wechseln
ihren Platz, Voss schafft sich sehr beim Drechseln;
und am Ende ist sein Vers vollendet,
den er Ferdinand sehr gerne spendet.

Ferdinand liest das Gedicht und lacht,
er erklärt, dass es ihm Freude macht,
zu betrachten, riechen und zu hören
Vossens Verse, die ihn sehr betören.

"Doch, so sage bitte mir, warum
bleibst du Klopstock gegenüber stumm?
Hör, ihr beiden solltet euch vertragen,
statt mit Worten Freundschaft zu erschlagen.

Schreib ihm einen Brief, ihn dauert sehr,
wenn's zu Ende mit euch beiden wär."
Und zum Abschied schenkt er unserm braven
Voss, der Takte zählt, Oszillographen.

"Diese speichern, was du immer sprichst,
untermauern das, was du verfichst.
Zeigen dir, zu ständiger Belohnung,
jedes Wortes seltsame Betonung."

Ferdinand, der Tee ist lange alle,
geht nach Hause, legt sich in die Falle,
nimmt die Blätter in sein Bett mit rein,
und er liest und schläft nach kurzem ein.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ferdinand, er wollte Verse schmieden,
machte Feuer an, den Tee zu sieden.
"Ohne Tee", erklärt er, "wäre Kunst
nichts als Langeweile, trockner Dunst."

Und er wollte seinen Klopstock loben,
drum ging Ferdinand zu Voss nach oben.
"Klopstock klopft die Verse ziemlich rein,
schmiedet sie, tunkt sie ins Wasser ein,

dass das Wasser kräftig dampft und zischt,
dann erst werden sie uns aufgetischt.
Denn sie klingen rein und wohldurchzogen
von des Feuers Glut, des Wassers Wogen."

Voss erwidert: "Ferdinand, du bist,
wie ich weiß, ein großer Dadaist,
Wortgeklingel ist nicht deine Sache,
höre zu, was ich aus Lyrik mache."

Voss nimmt Wörter ausgesuchter Länge
und tauscht aus, weil das so besser klänge,
setzt zusammen Takte, Höhen, Tiefen,
seine Feder drückt ins Blatt sanft Riefen.

Lange Silben, kurze Silben wechseln
ihren Platz, Voss schafft sich sehr beim Drechseln;
und am Ende ist sein Vers vollendet,
den er Ferdinand sehr gerne spendet.

Ferdinand liest das Gedicht und lacht,
er erklärt, dass es ihm Freude macht,
zu betrachten, riechen und zu hören
Vossens Verse, die ihn sehr betören.

"Doch, so sage bitte mir, warum
bleibst du Klopstock gegenüber stumm?
Hör, ihr beiden solltet euch vertragen,
statt mit Worten Freundschaft zu erschlagen.

Schreib ihm einen Brief, ihn dauert sehr,
wenn's zu Ende mit euch beiden wär."
Und zum Abschied schenkt er unserm braven
Voss, der Takte zählt, Oszillographen.

"Diese speichern, was du immer sprichst,
untermauern das, was du verfichst.
Zeigen dir, zu ständiger Belohnung,
jedes Wortes seltsame Betonung."

Ferdinand, der Tee ist lange alle,
geht nach Hause, legt sich in die Falle,
nimmt die Blätter in sein Bett mit rein,
und er liest und schläft nach kurzem ein.
 
G

gitano

Gast
Lieber Bernd!
Inhalt / Thema: schwer, sehr enge Zielgruppe

Der Streit, die Versöhnung, und der abermalige Streit zwischen Friedrich Gottlieb Klopstock und Johann Heinrich Voss, der fast 25 jahre...manche sagen sogar 30 Jahre währte. (ca. 1775...1800)
Thema des Streites:
Die möglichst genaue Nachbildung des antiken, griechischen Hexámeters in deutscher Sprache.
Beide hatten dazu unterschiedliche Ansätze:
Voss betonte die klangzeitlichen Aspekte und inhaltliche Genauigkeit, Klopstock betonte den Gestus und den relativen Bezug von Metrikeinheiten zu ihrer Umgebung.

Beide hatten wichtige Aspekte für die Nachbildung gefunden, beide beharrten aber auch auf ausschliesslich ihren Standpunkten.
Beide in Zusammenarbeit - wäre mehr als genial gewesen...ist aber leider nicht gewesen.

Auch im Streit hatte aber einjeder Respekt für den anderen. Doch wurde nach der Versöhnung nie wieder eine richtige Freundschaft belebt...leider.

Am Ende hatte Voss die etwas besseren Argumente und auch Nachdichtungen geschrieben. Seine Nachbildung / Übersetzung der Odyssee (Homer) ist auc heute noch unerreicht.

Doch eine väterliche Freundschaft (zu Klopstock) ging verloren... Voss wußte daß er etwas bessere Argument hatte und veröffentlichte (lt. Linckenfeld , Emil 1906 "Der Hexámeter bei Klopstock und Voss" Doktorarbeit) deshalb seine "Zeitmessung der deutschen Sprache " aus Respekt zum Altmeister erst nach dem Tod von Klopstock, im Jahr 1801.

Beiden hat dieser Streit viel gekostet. Die Sympathie und Wertschätzung für den anderen- gefangen in der eigenen Beharrung. Voss hat dies später sehr bedauert, Klopstock schon während des Streites (er war 20 Jahre älter). besonders Klopstock hat unter der Entzweiung gelitten.

Wer nun allerdings "Ferdinand" soll....hm, ich kann mich an keinen Ferdinand in dieser Thematik erinnern,..

Zu Deiner Umsezung vielleicht noch später...oder vielleicht jemand anderes?

Liebe Grüße
gitano
 
A

AchterZwerg

Gast
Gottseidank (!) schrieb gitano einen so ausführlichen Kommentar. Ich sah das schon alles auf mich selber zustürzen. :D;)
Ich denke, hier geht es um eine fiktive Begegnung des DaDaisten Alfred Ferdinand Gruenwald (Kölner DaDa-Gruppe) mit Voß, obwohl jener sicherlich mit dessen Versen nicht viel anfangen konnte. Voß` große Stärke waren m. E. die Übertragungen aus dem Griechischen. - Bei Klopstock, dem Erzrivalen des Herrn, steckte schon viel mehr "Kunst" dahinter (Der Messias :)), die aber auf einen Dadaisten trotzdem reaktionär wirken muss.
Nach meiner Lesart liegt der Witz des Gedichts darin, dass sich Ferdinand zwar am regelmäßigen Metrum, am "Wortgeklingel" des Herrn Voß erfreuen kann, dem aber keinen besonderen Wert beimisst. Im Geschenk des Oszillographen liegt ja nun auch eine gewisse Häme. :D
Eine Übetragung auf das "moderne" Forenleben ist leicht möglich.
Nach langen Phasen der Adventsdichterei wagen ein paar Unerschrockene stets etwas Frecheres - doch ach ... da schlafen dann die anderen ein. ;)
Heidrun

P.s.: Das Gedicht, nebst gitanischem Kommentar, finde ich super!
 
A

AchterZwerg

Gast
Könnte aber auch der Ferdinand aus der hutschi-homepage sein ... mei Nervä!
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Genau, Ferdinand ist eine von mir vor langer Zeit erfundene Kunstfigur, die verschiedene Gelehrte besucht, aber auch so allerlei Abenteuer erlebt und gar manches entdeckt und erfindet.
Ferdinand will sich bedanken und schenkt Voss einen Oszillographen für dessen Zeitstudien. Das ist natürlich paradox, da es Oszis noch nicht gab, insofern ein dadaistisches Element.
Ferdinand ehrt Voss und Klopstock und verehrt sie.
Zugleich spielt er auf Lessing an: "Wer wird nicht einen Klopstock loben,..."
Und holt ihn zurück auf die Erde, wo er schon immer war.


Vielleicht geht Ferdinand auch mal zu Ferdinand Saussure ...
Bei August Schleicher war er schon ... http://www.leselupe.de/lw/titel-Sprachverfall-aus-dem-Buch-Ferdinand--102776.htm
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ferdinand, er wollte Verse schmieden,
machte Feuer an, den Tee zu sieden.
"Ohne Tee", erklärt er, "wäre Kunst
nichts als Langeweile, trockner Dunst."

Und er wollte seinen Klopstock loben,
drum ging Ferdinand zu Voss nach oben.
"Klopstock klopft die Verse ziemlich rein,
schmiedet sie, tunkt sie ins Wasser ein,

dass das Wasser kräftig dampft und zischt,
dann erst werden sie uns aufgetischt.
Denn sie klingen rein und wohldurchzogen
von des Feuers Glut, des Wassers Wogen."

Voss erwidert: "Ferdinand, du bist,
wie ich weiß, ein großer Dadaist,
Wortgeklingel ist nicht deine Sache,
höre zu, was ich aus Lyrik mache."

Voss nimmt Wörter ausgesuchter Länge
und tauscht aus, weil das so besser klänge,
setzt zusammen Takte, Höhen, Tiefen,
seine Feder drückt ins Blatt sanft Riefen.

Lange Silben, kurze Silben wechseln
ihren Ort, Voss schafft sich sehr beim Drechseln;
und am Ende ist sein Vers vollendet,
den er Ferdinand sehr gerne spendet.

Ferdinand liest das Gedicht und lacht,
er erklärt, dass es ihm Freude macht,
zu betrachten, riechen und zu hören
Vossens Verse, die ihn sehr betören.

"Doch, so sage bitte mir, warum
bleibst du Klopstock gegenüber stumm?
Hör, ihr beiden solltet euch vertragen,
statt mit Worten Freundschaft zu erschlagen.

Schreib ihm einen Brief, ihn dauert sehr,
wenn's zu Ende mit euch beiden wär."
Und zum Abschied schenkt er unserm braven
Voss, der Takte zählt, Oszillographen.

"Diese speichern, was du immer sprichst,
untermauern das, was du verfichst.
Zeigen dir, zu ständiger Belohnung,
jedes Wortes seltsame Betonung."

Ferdinand, der Tee ist lange alle,
geht nach Hause, legt sich in die Falle,
nimmt die Blätter in sein Bett mit rein,
und er liest und schläft nach kurzem ein.
 



 
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