Ferdinand und Zenon laufen um die Wette

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ferdinand und Zenon laufen um die Wette

Ferdinand liebt, wie auch Zenon, Sport,
und sie treiben ihn an manchem Ort,

Zenon fordert ihn zum Wettlauf auf,
und er setzt ein ganzes Fass darauf,

dass er, wenn er rennt, dabei gewinnt,
und sie starten schneller als der Wind.

Ferdinand läuft Zenon hinterher,
und das Publikum erfreut es sehr.

Während Zenon stets mit jedem Schritt
unauffällig immer kürzer tritt,

setzt sich Ferdinand auf einen Stein
murmelt etwas, und dann schläft er ein.

Zenon nähert sich schon bald dem Ziel,
und erreicht es fast, es fehlt nicht viel.

Und er nähert sich mit aller Kraft,
und er hätte es vielleicht geschafft,

da ...! Ein Schrei, denn Ferdinand wacht auf,
und er läuft gemächlich seinen Lauf,

und er trinkt gemütlich ein Glas Tee,
und er sieht durchs Loch im Strumpf den Zeh.

Und er zieht auch noch am linken Schuh
erst den Schnürsenkel noch kräftig zu.

Zenon ist bereits dem Ziel ganz nah,
da ruft Ferdinand: "Ich bin schon da!"
 
B

Bruno Bansen

Gast
Wettlauf

...da kuckt an jeder Ecke aber der sympathische und listige Igel sowie der ebensolche (aber eben von jenem sich dadurch unterscheidend, dass er eben nicht ganz so listig und so weiter ist) Hase hervor.

Gut gelungen, die Nacherzählung, mit neuen, aus der Menschenwelt stammenden Versatzstücken angereicherten Szenerie. Allerdings, an einigen Stellen macht mir der Rhytmus Schwierigkeiten.

Grüße nach Dresden & schönes Wochenende!

Bruno
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Lieber Bruno, danke für das Lob.

Immerhin hatte es Ferdinand bei dem Wettlauf leicht, da Zenon bekanntlich niemals das Ziel erreichen kann, denn erstens, sofern er fliegt, wie ein Pfeil, bewegt er sich doch nicht, und zweitens, um das Ziel zu erreichen, muss er zunächst die Hälfte der Strecke zurücklegen, davon wieder die Hälfte und so weiter, somit nähert er sich dem Ziel zwar, aber es fehlt immer noch ein hauchdünner Abstand.

Ferdinand dagegen hat genügend Zeit, denn ihn kümmert das nicht. Insofern hat er das Problem noch einfacher gelöst, als der Igel.

Ich habe das Gedicht noch mal laut gelesen und finde keine Rhythmusstörung.

Wo tritt sie denn auf?

Viele Grüße von Bernd
 
B

Bruno Bansen

Gast
Zenon von Elea

... Na, so weit wollte ich nicht in die Antike zurück gehen, dass ich bei Achilleos und seinem Wettlauf mit der Schildkröte gelandet wäre, mir schien für den Normaalleser das Hase/Igel-Märchen passend, welches ja auch, vereinfachend - die Thematik aufgreift ohne nun auch nur ansatzmäßig philosophisch sein zu wollen. Obwohl ... die Märchen enthalten eine ziemliche Portion Philosphie, oder besser: Gebrauchs-Philosophie! (Wg. Rhytmus mlde ich mich nochmal)

Lieben Gruß!

Bruno
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Lieber Bruno,

für mich war es genau der Kontrast zwischen den beiden Wettläufen, der mich bewog, das Gedicht zu schreiben.
Wobei Ferdinand schlauer war, als Achilles.
Wenn nicht Antike, dann auch nicht Zenon.
Wenn Zenon nicht bekannt ist (er gehörte bei uns zum Schulstoff), dann wirkt meine Fassung nur im Vergleich zum Hasen- und Igelwettlauf.
Ich denke aber, Zenon ist bekannt - und er hat heute wieder eine Art Rehabilitation durch die Quantenphysik erfahren.

Viele Grüße von Bernd.

PS: Sein viertes Paradoxon über Strecken ist am schwierigsten im Gedicht zu erfassen, ich werde es aber versuchen.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
meeensch,

was man von dir alles lernt! ich dachte, zenon sei ein chemisches element wie radon, crypton und argon. von argon stammen doch die argonauten her, oder? ob so oder so - klasse gedicht. ganz lieb grüßt
 
paradox

ich denke, zenon hat damals begriffliche probleme
auf den punkt bringen wollen, die aber unlaengst
von der mathematik allgemein und auf das problem
bezogen von der physik zufriedenstellend geloest
sind.
klar, wenn der drauf besteht, kann er so laufen,
aber er muss es nicht ;o)

und wieso die quantenphysik?
ich denke, es ist eher die allgemeine relativistik,
die zu raumzeit-verzerrungen fuehren kann. da
kann man in der tat interessante szenarien
entwickeln, wo man wohl trotz konstanter
geschwindigkeit das ziel nicht erreicht -
aber wenn der eine nicht, dann der andere auch
nicht.

und hier liegt das philosophische problem des
gedichtes - koennen naturwissenschaftliche probleme
subjektiv sein oder gelten die immer fuer alle?
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
hallo, Prinz und Glöckner,

danke für die ausführliche Antwort.

Ich denke aber anders darüber.
Die Lösung ist nur scheinbar, indem Ein Axiom gesetzt wird.
Wirklich gelöst sind Zenons Paradoxien nicht, denke ich, vielleicht sind sie unlösbar. Sie beruhen darauf, dass Zenon verschiedene Arten der Unendlichkeit miteinander vergleicht, die eine mit der Mächtigkeit des Kontinuums, die andere mit der Mächtigkeit der abzählbaren Zahlen, - vielleicht noch eine dritte, die des Unteilbaren.

Die Lösungen sind vorhanden, aber sie umgehen das eigentliche Problem.

Das Problem besteht wohl darin, dass man in bestimmten Bereichen Fehler zulassen muss, um weiterzukommen.

Ein neueres Paradoxon, dass auch in meinem Gedicht mit anklingt, ist: "A watched pot never boiles" (Ein beobachteter Topf kocht niemals. (... oder kommt nicht zum Kochen.) Siehe auch den Artikel von Max Attems: http://www.sternwelten.at/ar_zenon_elea.shtml

Daraus folgt:
Solange Zenon sich beim Laufen beobachtet, wird er nicht weiterkommen.

In der Quantenphysik gibt es jetzt entsprechende Experimente, dabei wird der Topf soweit verkleinert, dass er nur noch mit so wenig Wasser gefüllt ist, dass Quanteneffekte auftauchen.

Die Ergebnisse sind interessant, würden aber im Rahmen der Diskussion zu dem Gedicht einen zu großen Raum einnehmen.



Übrigens: Der Hase und der Igel hat auch einen mächtigen erkenntnistheoretischen Effekt.

Was ist Wahrheit? Was ist Wissen?

Der Hase weiß, dass dort der Igel sitzt, er hat entsprechende Beweise (er sieht ihn ja) - und doch ist es nicht wahr.

Anders ist das bei Ferdinand.
Er ist tatsächlich da.
Ob Zenon ihn aber sieht, solange er immer kürzere Strecken in immer kürzeren Zeitintervallen rennt?
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Gelten naturwissenschaftliche Probleme für alle?
In erster Näherung, ja. Naturwissenschaftliche Probleme sind immer Abstraktionen. Nur deshalb gelten die Gesetze genau.
Sobald man anfängt, etwas zu messen, gelten sie nur noch näherungsweise.
Früher dachte man, das wäre ein zu vernachlässigender Einfluss, wenn man nur die Messung immer genauer machte.

Heute weiß man: Wenn man etwas ganz exakt misst, erhält man nie ein Ergebnis, und man weiß nicht, was man eigentlich gemessen hat.

Insofern, da die Naturgesetze vom Beobachter abhängen, haben sie auch subjektiven Charakter. Sie haben also objektiven und subjektiven Charakter.

Denke ich zumindest.
---

Was relativistische Raumverzerrungen betrifft: Der Baum müsste sehr sehr schwer sein. (Oder Zenon.)

Viele Grüße von Bernd
 
Physik und Poesie

ich fand schon immer, dass es da viele gemeinsamkeiten
gibt ;o)


Dichotomie und Achilles und die Schildkröte:

oh das hat man auch in der klassischen quantenmechanik
gut im griff, das ist dann heutzutage einfach mathematik.

aber es gibt auch abgefahrene theorien, wo raum und
zeit gar nicht mehr kontinuierlich sind, das waere dann
eine ganz andere aufloesung des paradoxons.


Quanten - Zenon - Paradoxon:
ja da kenne ich experimente und ideen, die in die
richtung gehen. ob jetzt genau zu dem zwecke gemacht
oder nur als abfallprodukt dafuer interpretierbar -
im gegensatz zur angegebenen internet-seite meine ich,
dass das inzwischen klar ist - das ist wirklich das
problem des messprozesses. bei so einer situation
kann man objekt und messung nur als ein ganzes betrachten,
eine separation gibt es nicht. aus einer korrekten
beschreibung ergibt sich dann ganz zwanglos, welches
von der messung beeinflusste ergebnis man erhalten wird.
ich meine, der effekt wird laengst in experimenten
besonders in der atomphysik und quantenoptik ausgenutzt.
da sind in den letzten jahren grosse experimentelle
fortschritte gemacht worden.

uebrigens kochender topf - wenn man so wenig teilchen
hat, ist eine statistische beschreibung irgendwann nicht
mehr sinnvoll, die begriffe kochen, temperatur etc
sind dann keine nuetzlichen beschreibungsgroessen mehr
(da hab ich mich aber als atomphysiker geschickt aus der
affaere gezogen ;o)

ob naturwissenschaftliche gesetze fuer alle gelten,
hat meines erachtens auch wenig mit dem problem der
messung zu tun - zwar hat die art der messung einfluss
auf das ergebnis, alle moeglichen messungen sind aber
mit der gleichen theorie beschreibbar.
das messergebnis haengt also nicht davon ab, wer
beobachtet, sondern ob und wie.
das untersucht man heutzutage zb mit verschraenkten
quantenzustaenden (statt mit katzen, wie schroedinger
das mal vorgedacht hat ;o)
exkat messen kann man natuerlich gar nicht - beim
messen kommt es darauf an, die richtigen fragen zu
stellen, um die antworten verstehen zu koennen.
die bekommt man aber immer mit einer entsprechenden
fehlerabschaetzung. mehr gibt es nicht, folglich auch
keine messbare wahrheit.

unsere laeufer haben im uebrigen eine so massive
wechselwirkung mit ihrer umwelt, dass die sich praktisch
voellig klassisch verhalten. allein zenons dicker bauch
laesst das problem mit der immer weiter fortgesetzten
streckenhalbierung unglaubwuerdig erscheinen ;o)

raumverzerrungen - jo das kommt erst in der naehe
von schwarzen loechern zum tragen, nicht auf der rennbahn ;o)


aber - die paradoxa haben ihren reiz, denn sie bringen
die probleme ziemlich genau auf den punkt - und zwar jenen
verknuepfungspunkt zwischen physik und philosophie, und
wohlmoeglich auch poesie ;o)
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, Prinz und Glöckner,

die Diskussion ist sehr interessant. Klar ist, dass die Poesie anders wirkt, als die Physik.

Die Internetseite habe ich übrigens angegeben, weil es eine der wenigen in deutscher Sprache war, die ich zu Zenon und den Quantenparadoxien gefunden habe.

In Englisch gibt es sehr viele, dabei bin ich aber nicht sicher, we seriös sie sind.

Übrigens stellten die Zenonschen Paradoxien in der Schule für mich kein Problem dar, da war die Lösung intuitiv völlig klar, scheinbar ohne jedes Problem. Es schien auch reine Sophistik zu sein. Zumal, völlig klar, die Zeitintervalle immer kürzer werden. (Bei Achilles und der Schildkröte.)

Dass Zeitintervalle nicht beliebig verkürzt werden können, kam dabei aber nicht vor.

Paradoxien sind oft die kurzweiligsten Ergebnisse irgendwelcher Theorien.

Nichts ist unmöglich, nicht einmal nichts.

---

Was wäre, wenn der Igel tatsächlich schon angekommen wäre und hinter seiner Frau in der Furche säße?

Der Hase nähme an, der Igel wäre da, aber er sähe nicht den Igel, sondern dessen Frau. Er dächte, er wüsste die Wahrheit und würde sie erkennen ---

Viele Grüße von Bernd
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
An Flammarion

Hallo, Flammarion,

sehe gerade Deine Meldung. Vielen Dank dafür.
Ich werde mich mit weiteren Paradoxien befassen.

Bernd
 
das erkennen der wahrheit

das erkennen der wahrheit ist ein weit
verbreiterter erkenntnistheoretischer irrtum
(gewesen) -
wahrheit erkennt man nicht, allenfalls kann
man sein bild von der welt ihr annaehern.

der fuchs ist seinen 'messungen' gegenueber
einfach zu leichtglaeubig, drum faellt er
immer wieder darauf herein. der igel weiss
das und nutzt es zu seinem vorteil aus.
 



 
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