Finger weg von unserer Wiese
Morgens um sieben fuhr der Lastwagen vor.
Aus einem geparkten Kleinbus kamen acht Männer in blauer Arbeitskleidung heraus, unterhielten sich kurz mit
dem Lkw-Fahrer und begannen, die Metallgitter abzuladen.
Bevor sie mit dem Aufstellen der Zäune beginnen konnten, wurden sie von einer Gruppe aus der angrenzenden Reihenhaus-Siedlung umstellt. Junge Männer, Rentner, Frauen mit Kindern, ungefähr zwanzig Personen, versuchten sie an der Arbeit zu hindern.
Einige trugen Transparente: "Finger weg von unserer Wiese!"
"Flüchtlinge ja, aber nicht auf unserem letzten Grün!"
Zwei Jungen hielten gemeinsam ein Schild mit bemalten Toren und einem Fußball in die Höhe. Darunter stand: "Wir wollen unseren Bolzplatz behalten!"
Ein braun gebrannter, glatzköpfiger Mann von vielleicht dreißig Jahren hielt einen fletschenden Bullterrier mit einem Kopf, der eher einem Schwein glich, an der kurzen Leine.
Ein Mann im Rentenalter sagte zu den Arbeitern: "Das ist illegal, was Sie hier machen! Die Behörden haben uns nicht informiert. Wir haben es vor einer Woche aus der Zeitung erfahren."
Einer der Arbeiter fühlte sich angesprochen und erwiderte:
"Das können wir nicht beurteilen. Unsere Firma kann nichts dafür! Sie hat zum Glück den Auftrag bekommen. Bitte, behindern Sie uns nicht! Wir sind froh, dass wir Arbeit haben!"
"Ja, das wird bald vorbei sein!", nahm ein anderer Protestler den Ball auf. "Sie sägen sich selbst den Ast ab, auf dem Sie sitzen! Wir werden bald von Flüchtlingen überschwemmt werden.
Das ist unangebrachte Loyalität gegenüber Ihrem Chef! Der wird keine Rücksicht auf Sie nehmen! Asylanten fordern keinen Mindestlohn!"
Inzwischen hatte ein Behördensprecher die Diskutanten erreicht.
Er hatte bisher in seinem Auto gewartet und die Lage beobachtet. Er stellte sich vor und begann:
"Zuerst möchte ich mich im Namen meiner Behörde entschuldigen!
Wir hatten leider keine Zeit Sie zu informieren, geschweige denn eine Bürgerversammlung anzuberaumen. In extremen Situationen muss man extrem handeln! Wenn jeden Tag über zweihundert Flüchtlinge in unsere Stadt strömen, müssen wir unbürokratisch für eine Unterbringung sorgen!"
Da niemand antwortete, sagte er zu den Arbeitern: "Lassen Sie sich nicht aufhalten! Zäunen Sie die Wiese, wie angeordnet, ein!"
Jetzt meldete sich der Mann mit dem Hund: "Du Behörden-Heini und Sesselpuper hast hier gar nichts anzuordnen! Das kannst du in Villenvierteln machen, aber da traut sich ja keiner hin!"
"Mit Ihnen diskutiere ich nicht!", kam die bestimmte Antwort.
"Das ist unter meinem Niveau! Aber für all die Anderen: Wir versuchen, die Flüchtlinge in allen Stadtteilen gleichmäßig unterzubringen, unabhängig vom Milieu!"
Eine Frau, mit einem etwa zehnjährigen Sohn an der Hand, kam heran und sagte zu einem Transparent-Träger: "Schämen Sie sich nicht, diese verkotete Hundewiese zu verteidigen?! Meine Großeltern sind aus Ostpreußen geflüchtet und in dieser damals noch zerbombten Stadt aufgenommen worden! Mein Sohn kennt diese Geschichte und hat schon Spielzeug für die Flüchtlingskinder aussortiert."
"Nun ist aber genug!", schrie der Hundehalter, "sonst kommen mir noch die Tränen! Aber vor Wut! Wenn die Arbeiter nicht sofort aufhören, hetze ich den Hund auf sie!"
"Das ist Nötigung!", entgegnete der Mann von der Behörde, holte sein Handy aus der Tasche und ergänzte: "Ich rufe jetzt die Polizei!"
"Ronny, jetzt bist du aber zu weit gegangen!", sagte der Rentner, der zuerst mit den Arbeitern Kontakt aufgenommen hatte. "Wir wollten doch friedlich protestieren! Kommt, wir ziehen uns zurück, bevor das eskaliert!"
Die Gruppe machte sich wortlos auf den Heimweg. Nur Ronny setzte sich widerstrebend in Bewegung und rief: "Ich habe viele gleichgesinnte Freunde! Mit denen komme ich wieder! Stellt ruhig Zelte oder Hütten auf! Ihr werdet schon sehen, was Ihr davon habt!"
Morgens um sieben fuhr der Lastwagen vor.
Aus einem geparkten Kleinbus kamen acht Männer in blauer Arbeitskleidung heraus, unterhielten sich kurz mit
dem Lkw-Fahrer und begannen, die Metallgitter abzuladen.
Bevor sie mit dem Aufstellen der Zäune beginnen konnten, wurden sie von einer Gruppe aus der angrenzenden Reihenhaus-Siedlung umstellt. Junge Männer, Rentner, Frauen mit Kindern, ungefähr zwanzig Personen, versuchten sie an der Arbeit zu hindern.
Einige trugen Transparente: "Finger weg von unserer Wiese!"
"Flüchtlinge ja, aber nicht auf unserem letzten Grün!"
Zwei Jungen hielten gemeinsam ein Schild mit bemalten Toren und einem Fußball in die Höhe. Darunter stand: "Wir wollen unseren Bolzplatz behalten!"
Ein braun gebrannter, glatzköpfiger Mann von vielleicht dreißig Jahren hielt einen fletschenden Bullterrier mit einem Kopf, der eher einem Schwein glich, an der kurzen Leine.
Ein Mann im Rentenalter sagte zu den Arbeitern: "Das ist illegal, was Sie hier machen! Die Behörden haben uns nicht informiert. Wir haben es vor einer Woche aus der Zeitung erfahren."
Einer der Arbeiter fühlte sich angesprochen und erwiderte:
"Das können wir nicht beurteilen. Unsere Firma kann nichts dafür! Sie hat zum Glück den Auftrag bekommen. Bitte, behindern Sie uns nicht! Wir sind froh, dass wir Arbeit haben!"
"Ja, das wird bald vorbei sein!", nahm ein anderer Protestler den Ball auf. "Sie sägen sich selbst den Ast ab, auf dem Sie sitzen! Wir werden bald von Flüchtlingen überschwemmt werden.
Das ist unangebrachte Loyalität gegenüber Ihrem Chef! Der wird keine Rücksicht auf Sie nehmen! Asylanten fordern keinen Mindestlohn!"
Inzwischen hatte ein Behördensprecher die Diskutanten erreicht.
Er hatte bisher in seinem Auto gewartet und die Lage beobachtet. Er stellte sich vor und begann:
"Zuerst möchte ich mich im Namen meiner Behörde entschuldigen!
Wir hatten leider keine Zeit Sie zu informieren, geschweige denn eine Bürgerversammlung anzuberaumen. In extremen Situationen muss man extrem handeln! Wenn jeden Tag über zweihundert Flüchtlinge in unsere Stadt strömen, müssen wir unbürokratisch für eine Unterbringung sorgen!"
Da niemand antwortete, sagte er zu den Arbeitern: "Lassen Sie sich nicht aufhalten! Zäunen Sie die Wiese, wie angeordnet, ein!"
Jetzt meldete sich der Mann mit dem Hund: "Du Behörden-Heini und Sesselpuper hast hier gar nichts anzuordnen! Das kannst du in Villenvierteln machen, aber da traut sich ja keiner hin!"
"Mit Ihnen diskutiere ich nicht!", kam die bestimmte Antwort.
"Das ist unter meinem Niveau! Aber für all die Anderen: Wir versuchen, die Flüchtlinge in allen Stadtteilen gleichmäßig unterzubringen, unabhängig vom Milieu!"
Eine Frau, mit einem etwa zehnjährigen Sohn an der Hand, kam heran und sagte zu einem Transparent-Träger: "Schämen Sie sich nicht, diese verkotete Hundewiese zu verteidigen?! Meine Großeltern sind aus Ostpreußen geflüchtet und in dieser damals noch zerbombten Stadt aufgenommen worden! Mein Sohn kennt diese Geschichte und hat schon Spielzeug für die Flüchtlingskinder aussortiert."
"Nun ist aber genug!", schrie der Hundehalter, "sonst kommen mir noch die Tränen! Aber vor Wut! Wenn die Arbeiter nicht sofort aufhören, hetze ich den Hund auf sie!"
"Das ist Nötigung!", entgegnete der Mann von der Behörde, holte sein Handy aus der Tasche und ergänzte: "Ich rufe jetzt die Polizei!"
"Ronny, jetzt bist du aber zu weit gegangen!", sagte der Rentner, der zuerst mit den Arbeitern Kontakt aufgenommen hatte. "Wir wollten doch friedlich protestieren! Kommt, wir ziehen uns zurück, bevor das eskaliert!"
Die Gruppe machte sich wortlos auf den Heimweg. Nur Ronny setzte sich widerstrebend in Bewegung und rief: "Ich habe viele gleichgesinnte Freunde! Mit denen komme ich wieder! Stellt ruhig Zelte oder Hütten auf! Ihr werdet schon sehen, was Ihr davon habt!"