Fischen im Wörtersee (Sonett)

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Mein Segel hat des Herbstes Wind gebläht,
ich muss mein Schiff an diesem Orte wenden.
Es war ein Sturm, der hat wie blind geweht.
Was sagt man bloß, wenn einem Worte enden?

Ich will den Wörtersee bei Wind befahren,
dass keiner je von einer Flaute liest.
Will feine Worte, die ich find bewahren,
dass auch ein Wohlklang in die Laute fließt.

Ich spür die Knochen in den Winden schwellen,
doch blähen diese meine Segel fein.
Ich seh, am Horizont verschwinden Wellen.
Dort soll man frei, so frei wie Vögel sein.

Mich ruft der See, nicht mehr am Ort zu weilen,
mit frischem Mut zum nächsten Wort zu eilen.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ein schönes Sonett, das in gewisser Hinsicht an den Herbst als Metapher erinnert, zumindest am Anfang wird er sogar explizit erwähnt.

Der Herbst, gekennzeichnet durch Stürme und durch die Ruhe nach dem Sturme.

Und es gibt tatsächlich Wörterseen. Ein See fast verschwundener Wörter ist das Grimm'sche Wörterbuch.
Hier findet man dann Freudenohrenklingeln, etwas, was mich beim Sonett ergreift und weiterbringt.

Wörter um Wörter, Worte um Worte, Wort um Wort.

Getrieben von Sehnsucht und horror vor der Leere.

Auf der Suche nach Schönheit.
 
T

Trainee

Gast
Und nicht nur das, lieber Bernd,

hier handelt es sich sogar um ein (fast unmerklich) geschütteltes Sonett, was für seine hohe Qualität spricht.

Friedhelm ist und bleibt ein Meister seines Fachs. - Aber da wird hier wohl kaum jemand widersprechen wollen ...

Euch beiden schöne Grüße
Trainee
 
Hi Bernd und Heidrun,

vielen Dank für die schönen Worte, die ihr meinem Werk spendet. Es ist, so viel will ich verraten, ein Seelenstimmungsbild eines alternden Dichters, der Schwierigkeiten hat, die rechten Worte zu finden: "Was sagt man bloß, wenn einem Worte enden?" So begibt er sich im Herbst seines Lebens noch einmal auf große Fahrt, um im Wörtersee nach Worten zu fischen. Wünschen wir ihm dabei Erfolg.

LG Friedhelm
 



 
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