Fossil

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Zarathustra

Mitglied
Tod eines Säbelzahntigers

In meiner Firma war ich das letzte Tier meiner Rasse,
verwundet ziehe ich eine Blutspur hinter mir her,
von der Kaffeeküche bis ins Büro.

Und das seit Jahren schon.

„Töten Sie sich doch endlich“,
sagten sie,
und es tat gar nicht weh,
als ich es gestern tat.

Aber als ich tot war,
sagten Sie:
„Machen Sie weiter, aber schnell“!


(für Wolf Wondratschek)
 
S

Sandra

Gast
Hallo Zarathustra,

das ist ohne Zweifel ein guter Text. Das Gedicht gefällt mir sehr. Ich fühle mich als Leser durch deine Worte weder belehrt noch eingeengt. Dir gelingt es, Raum zu schaffen und doch eine sehr präzise Aussage zu tätigen. Die jedoch, wie ich glaube, von jedem Leser anders verstanden wird.
Ich für meine Person lese über die Oberflächlichkeit und Kurzlebigkeit gesellschaftlicher Verbindungen wie z.B. durch den Beruf. Neben der goldenen Uhr, die wir zum fünfundzwanzigsten Dienstjubiläum bekommen, wissen wir doch, dass wir nur so lange etwas wert sind, wie wir funktionieren.
Darüber hinaus glaube ich, dass es der eigenwillige Säbelzahntiger eh schwerer zwischen all den knuffigen Kuscheltieren auf dem Sofa hat. Wie gesagt, er ist ein Fossil und die sind eigentlich schon lange alle ausgestorben.
Gern gelesen
LG
Sandra
 
S

Sandra

Gast
Sorry, gerade habe ich erst die Widmung gelesen, die sicherlich sehr wichtig ist.
Wolf Wondratschek - Prosaschreiber und Lyriker. Leider weiß ich sehr wenig über ihn. Für den WDR (eine Freundin arbeitet dort seit Jahrzehnten - irgendwie auch ein Fossil - ein sehr nettes), dort war er mit einigen Hörspielen vertreten (wenn mich jetzt nicht alles täuscht.)
Entschuldige, ich hätte aufmerksamer lesen müssen.
LG
Sandra
 

Zarathustra

Mitglied
@sandra...

Hallo Sandra, herzlichen Dank, dass du dich mit meinem Text beschäftigt hast.
Er ist ganz spontan entstanden.

Die Geschichte hat nun eine Fortsetzung:

Den Säbelzahntiger, der dachte,
er kann zum Fossil verkauzen
und langsam in seinem Büro
der Versteinerung entgegendämmern
- genau den,
hat man zum Verwaltungsleiter ernannt.

Nun wird er von Jägern durchs Haus getrieben,
er wird von seinen Mitarbeitern verfolgt,
von unbarmherzigen Jägern,
bewaffnet mit unendlichen Stapeln von Belegen; -
und einen Stift zum Unterschreiben. ;-)
 
P

Perle

Gast
Hallo Zarathustra,

ich kann mich hier Sandra nur anschließen, ein sehr guter, nachdenklicher Text. Ich war in den letzten Tagen häufiger hier, konnte Gleichnisse (zu mir bekannten Säbelzahntigern)
finden; doch die Fortsetzung finde ich nicht so gelungen, sie zerstört für mich das interessante Bild.

Liebe Grüße
Perle
 

nachtfalter

Mitglied
Ursprünglich veröffentlicht von Sandra
Sorry, gerade habe ich erst die Widmung gelesen, die sicherlich sehr wichtig ist.
Wolf Wondratschek - Prosaschreiber und Lyriker. Leider weiß ich sehr wenig über ihn. Für den WDR (eine Freundin arbeitet dort seit Jahrzehnten - irgendwie auch ein Fossil - ein sehr nettes), dort war er mit einigen Hörspielen vertreten (wenn mich jetzt nicht alles täuscht.)
Entschuldige, ich hätte aufmerksamer lesen müssen.
LG
Sandra
Liebe Sandra, wollte dich besuchen, funktionierte aus technichen Gründen leider nicht
Gruß nachtfalter
 

Zarathustra

Mitglied
@perle

natürlich ist die Fortsetzung nicht gelungen; -
natürlich ist sie enttäuschend.

Aber so ist es nun mal.
Das Leben ist oft schrecklich banal.

Die Banalität unseres grauen Lebens
versucht doch immer wieder, uns zu Banausen zu machen..

Liebe Grüsse
Hans
 



 
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