Walther
Mitglied
Frank W. kann geholfen werden
Eine weitere Geschichte aus der Frank W. Serie
Frank W. ist beschwingt. Heute morgen würde sie kommen. Er hat die Wohnung aufgeräumt, die Reste des Besuchs von Hänschen beseitigt. Das Frühaufstehen, das dazu nötig gewesen ist, war ihm, dem notorischen Langschläfer, unglaublich leicht gefallen. Die Spannung hatte ihn bereits um 6 Uhr aus dem Bett getrieben. Er wollte sie unbedingt beeindrucken.
Alles ist ordentlich und frisch gesaugt. Die Kaffeemaschine blubbert. Er sitzt an seinem Schreibtisch, der Computerlüfter surrt leise, der Laser rauscht vor sich hin. Im Hintergrund plätschert die Musik von SWR3.
Frank W. versucht den Papierwust auf dem Schreibtisch zu strukturieren. Kleine Haufen entstehen, wandern in dej Wiedervorlageordner, auf Post-ITs werden kurze Kommentare gepinselt, die Checkliste verlängert sich. Konzentriert fräst er sich durch seinen Rückstand und schlägt endlich eine Bresche in sein Chaos.
Er sitzt, die linke Hand an der Stirn, Ellenbogen aufgestützt, die etwas zu langen Haare nach oben geschoben und beißt auf den Kuli. Wo er sie nur hinsetzen will, sie hat doch gar keinen Platz im Arbeitszimmer. „Ich brauche ein eigenes Büro“, murmelt er vor sich hin. Ob wir uns das leisten können? spinnt er stumm den Faden weiter. Da schaut er in seine aktuelle BWA, die er vorne rechts herausgekramt hatte und ruft seine Exceltabelle mit Plan- und Ist-Zahlen auf. „Reichen müsste es eigentlich“ spricht er in den Raum.
Er steht gerade auf, um die Kaffeekanne zu füllen, da klingelt es an der Wohnungstür, erst kurz, dann eine kleine Pause dazwischen und danach nochmals mit Nachdruck. Das muss sie sein, denkt er bei sich, pünktlich, auf die Minute pünktlich. Gerade wie ich es erwartet habe. Erster Pluspunkt.
Frank W. geht durch die kleine Diele zur Wohnungstür und öffnet sie schwungvoll. „Guten Morgen“, begrüßt sie ihn und lächelt wie ein Frühsommermorgen. Ihre Augen strahlen voller Zuversicht, so ganz anders als bei der letzten Begegnung. Er nimmt ihre Hand, sie ist angenehm kühl und trocken, dennoch aber zupackend, und antwortet. „Grüß Gott, Frau Gabriel, ich freue mich, dass Sie gekommen sind.“ Als er merkt, dass er ihre Hand immer noch festhält, lässt er sie fast abrupt los und macht eine einladende Bewegung. „Kommen Sie doch herein!“
Er geleitet sie in das Arbeitszimmer und rückt den Stuhl der Sitzecke für sie zurecht. „Nehmen Sie Platz, ich komme gleich mit dem Kaffee! Sie nehmen doch eine Tasse? Milch, Zucker?“
„Nur ein wenig Milch“, sagt sie darauf und blickt auf. „Gut, ich bin gleich bei Ihnen.“ Er dreht sich und geht in die Küche.
Als er mit der Kanne und der Milch zurückkommt, hat sie Tassen und Löffel schon verteilt. Er setzt sich ihr gegenüber und schenkt den Kaffee ein. Der Duft ist frisch und stimulierend. „Ja, dann zeigen Sie mal Ihre Unterlagen;“ schaut Frank W. sie erwartungsvoll an. Ganz geschäftsmäßig nimmt sie ihre schmale Dokumententasche und reicht ihm daraus eine sauber geheftete Bewerbungsmappe.
Das Papier raschelt, und die Kaffeetassen klirren leise, als die Löffel synchron in ihnen kreisen. Mit leichtem Nicken begleitet er kommentierend, was er sieht. Gute Zeugnisse, erstklassige Bewertungen bei Praktikum und beim Vorarbeitgeber. Kompetent, engagiert, couragiert. Selbständig, umgänglich, kundenorientiert, Fremdsprachenkenntnisse. Ein erstklassiges Zeugnis als Diplom-Betriebswirtin. Hoffnungslos überqualifiziert. Er blickt auf. „Eigentlich kann ich Sie mir gar nicht leisten!“ meint er schmunzelnd. „Sie sind viel zu gut ausgebildet, haben zu gute Zeugnisse, und ich bin ein kleiner Existenzgründer, der nicht einmal einen Arbeitsplatz für eine Assistentin, dafür aber viel Hoffnung und viel zu viel Arbeit hat!“
„Woher wissen Sie das? Ich habe doch noch gar nicht gesagt, was ich verdienen will!“ entfährt es ihr, und ein zartes Rosé huscht über ihr Gesicht. Beschwichtigend hebt er die rechte Hand. „Schauen Sie, ich wollte das Gespräch nur etwas auflockern, Sie dürfen mich nicht zu erst nehmen“, sagt er darauf. „Am besten, ich erkläre Ihnen, was ich hier mache, und wie es zu Allem gekommen ist.“
„Im vergangenen Jahr wurde mein letzter Arbeitgeber von der Eigentümerfamilie an eine Investmentfirma verkauft. Wir stellten spezielle Lösungen für Fertigungsunternehmen her. Im Rahmen der Sanierung wurde ich entlassen. Meine Arbeit als Vertriebsleiter für den Maschinenbau war den neuen Chefs nicht gut genug. Darf ich Ihnen nachschenken?“ fragt er unvermittelt, als er ihre leere Kaffeetasse sieht. Sie nickt und fragt: „Und was machen Sie jetzt?“
„Sehen Sie, mit Anfang 40 ist das mit dem Wiedereinstieg nach einer Entlassung nicht leicht. Im Anschluss an meine Scheidung, die mit dem Arbeitsplatzverlust faktisch zeitlich zusammenfiel, aber andere Ursachen hatte, habe ich erst einmal mich berappeln müssen. Dabei kam mir das Angebot eines ausländischen Wettbewerbers meines letzten Unternehmens sehr zupass. Man trug mir vor einem dreiviertel Jahr die Deutschlandvertretung an, und da ich nichts Interessantes in Aussicht hatte, griff ich zu. Und deshalb sitze ich hier mit Ihnen. Der Erfolg des letzten halben Jahres hat mich beinahe überrollt.“
Sie setzt die Tasse ab und meint in die Gesprächspause hinein: „ Und wie kommen Sie jetzt ausgerechnet auf mich? Ich kenne Ihre Branche doch gar nicht.“
„Sagen wir es einmal so: Ich käme vor lauter Arbeit gar nicht zur Personalsuche. Außerdem brauche ich ein kleines Büro und einen Servicetechniker. Da habe ich schon einen meiner alten Kollegen an der Hand. Das schaffe ich doch alles gar nicht auf einmal.“ Er setzt sich auf, fährt verlegen mit der Hand durchs Haar. „Sie haben mir gefallen, Sie sind gerade frei, und ich habe das sichere Gefühl, dass Sie mir helfen könnten, den nächsten Schritt zu gehen.“ Er schaut sie erwartungsvoll an.
Sie nimmt ihren Blick herunter und greift nach der Kaffeetasse, nimmt einen großen Schluck, dann schaut sie auf. „Ich brauche nicht viel am Anfang. Was können Sie denn bezahlen?“
Frank W. schluckt. Er steht auf, geht an seinen Schreibtisch und holt die Plantabelle. Er setzt sich wieder. „Ich hatte 3.000 € für eine Assistentin eingeplant.“ Er traut sich erst nicht, sie anzusehen. Ein Schatten erscheint in seinem Blickfeld. Fast ungläubig fallen seine Augen auf die ausgestreckte Hand. „OK“, sagt sie entschieden, „Angebot angenommen. Wann fange ich an?“
„Wie wäre es mit sofort?“ sagt Frank W. mit leicht trockener und heiserer Stimme, als er die Hand unendlich dankbar ergreift und schüttelt. „Ich habe Ihnen meinen Laptop vorbereitet, Sie können über W-LAN auf das Netz zugreifen“, meint er geschäftig. Linda Gabriel schaut ihn erstaunt an. Er hatte gewusst, dass sie einschlagen würde, oder etwa nicht? Wie konnte er sich nur so sicher sein. Ich beginne langsam, mich zu wundern. Wer ist dieser Mann?
„Hier ist das zweite Telefon. Sie kennen sich doch bei Immobilien aus. Wir brauchen ein Büro mit Werkstatt und Lager. Schnell, am besten morgen“, unterbricht er Linda Gabriels Grübeln. Sie greift zum Telefon und wählt. Als gäbe es nichts Selbstverständlicheres auf dieser Welt und in diesem Augenblick zu tun.
Und so ist es gekommen, dass Frank W. geholfen werden konnte. Und nicht nur ihm.
Eine weitere Geschichte aus der Frank W. Serie
Frank W. ist beschwingt. Heute morgen würde sie kommen. Er hat die Wohnung aufgeräumt, die Reste des Besuchs von Hänschen beseitigt. Das Frühaufstehen, das dazu nötig gewesen ist, war ihm, dem notorischen Langschläfer, unglaublich leicht gefallen. Die Spannung hatte ihn bereits um 6 Uhr aus dem Bett getrieben. Er wollte sie unbedingt beeindrucken.
Alles ist ordentlich und frisch gesaugt. Die Kaffeemaschine blubbert. Er sitzt an seinem Schreibtisch, der Computerlüfter surrt leise, der Laser rauscht vor sich hin. Im Hintergrund plätschert die Musik von SWR3.
Frank W. versucht den Papierwust auf dem Schreibtisch zu strukturieren. Kleine Haufen entstehen, wandern in dej Wiedervorlageordner, auf Post-ITs werden kurze Kommentare gepinselt, die Checkliste verlängert sich. Konzentriert fräst er sich durch seinen Rückstand und schlägt endlich eine Bresche in sein Chaos.
Er sitzt, die linke Hand an der Stirn, Ellenbogen aufgestützt, die etwas zu langen Haare nach oben geschoben und beißt auf den Kuli. Wo er sie nur hinsetzen will, sie hat doch gar keinen Platz im Arbeitszimmer. „Ich brauche ein eigenes Büro“, murmelt er vor sich hin. Ob wir uns das leisten können? spinnt er stumm den Faden weiter. Da schaut er in seine aktuelle BWA, die er vorne rechts herausgekramt hatte und ruft seine Exceltabelle mit Plan- und Ist-Zahlen auf. „Reichen müsste es eigentlich“ spricht er in den Raum.
Er steht gerade auf, um die Kaffeekanne zu füllen, da klingelt es an der Wohnungstür, erst kurz, dann eine kleine Pause dazwischen und danach nochmals mit Nachdruck. Das muss sie sein, denkt er bei sich, pünktlich, auf die Minute pünktlich. Gerade wie ich es erwartet habe. Erster Pluspunkt.
Frank W. geht durch die kleine Diele zur Wohnungstür und öffnet sie schwungvoll. „Guten Morgen“, begrüßt sie ihn und lächelt wie ein Frühsommermorgen. Ihre Augen strahlen voller Zuversicht, so ganz anders als bei der letzten Begegnung. Er nimmt ihre Hand, sie ist angenehm kühl und trocken, dennoch aber zupackend, und antwortet. „Grüß Gott, Frau Gabriel, ich freue mich, dass Sie gekommen sind.“ Als er merkt, dass er ihre Hand immer noch festhält, lässt er sie fast abrupt los und macht eine einladende Bewegung. „Kommen Sie doch herein!“
Er geleitet sie in das Arbeitszimmer und rückt den Stuhl der Sitzecke für sie zurecht. „Nehmen Sie Platz, ich komme gleich mit dem Kaffee! Sie nehmen doch eine Tasse? Milch, Zucker?“
„Nur ein wenig Milch“, sagt sie darauf und blickt auf. „Gut, ich bin gleich bei Ihnen.“ Er dreht sich und geht in die Küche.
Als er mit der Kanne und der Milch zurückkommt, hat sie Tassen und Löffel schon verteilt. Er setzt sich ihr gegenüber und schenkt den Kaffee ein. Der Duft ist frisch und stimulierend. „Ja, dann zeigen Sie mal Ihre Unterlagen;“ schaut Frank W. sie erwartungsvoll an. Ganz geschäftsmäßig nimmt sie ihre schmale Dokumententasche und reicht ihm daraus eine sauber geheftete Bewerbungsmappe.
Das Papier raschelt, und die Kaffeetassen klirren leise, als die Löffel synchron in ihnen kreisen. Mit leichtem Nicken begleitet er kommentierend, was er sieht. Gute Zeugnisse, erstklassige Bewertungen bei Praktikum und beim Vorarbeitgeber. Kompetent, engagiert, couragiert. Selbständig, umgänglich, kundenorientiert, Fremdsprachenkenntnisse. Ein erstklassiges Zeugnis als Diplom-Betriebswirtin. Hoffnungslos überqualifiziert. Er blickt auf. „Eigentlich kann ich Sie mir gar nicht leisten!“ meint er schmunzelnd. „Sie sind viel zu gut ausgebildet, haben zu gute Zeugnisse, und ich bin ein kleiner Existenzgründer, der nicht einmal einen Arbeitsplatz für eine Assistentin, dafür aber viel Hoffnung und viel zu viel Arbeit hat!“
„Woher wissen Sie das? Ich habe doch noch gar nicht gesagt, was ich verdienen will!“ entfährt es ihr, und ein zartes Rosé huscht über ihr Gesicht. Beschwichtigend hebt er die rechte Hand. „Schauen Sie, ich wollte das Gespräch nur etwas auflockern, Sie dürfen mich nicht zu erst nehmen“, sagt er darauf. „Am besten, ich erkläre Ihnen, was ich hier mache, und wie es zu Allem gekommen ist.“
„Im vergangenen Jahr wurde mein letzter Arbeitgeber von der Eigentümerfamilie an eine Investmentfirma verkauft. Wir stellten spezielle Lösungen für Fertigungsunternehmen her. Im Rahmen der Sanierung wurde ich entlassen. Meine Arbeit als Vertriebsleiter für den Maschinenbau war den neuen Chefs nicht gut genug. Darf ich Ihnen nachschenken?“ fragt er unvermittelt, als er ihre leere Kaffeetasse sieht. Sie nickt und fragt: „Und was machen Sie jetzt?“
„Sehen Sie, mit Anfang 40 ist das mit dem Wiedereinstieg nach einer Entlassung nicht leicht. Im Anschluss an meine Scheidung, die mit dem Arbeitsplatzverlust faktisch zeitlich zusammenfiel, aber andere Ursachen hatte, habe ich erst einmal mich berappeln müssen. Dabei kam mir das Angebot eines ausländischen Wettbewerbers meines letzten Unternehmens sehr zupass. Man trug mir vor einem dreiviertel Jahr die Deutschlandvertretung an, und da ich nichts Interessantes in Aussicht hatte, griff ich zu. Und deshalb sitze ich hier mit Ihnen. Der Erfolg des letzten halben Jahres hat mich beinahe überrollt.“
Sie setzt die Tasse ab und meint in die Gesprächspause hinein: „ Und wie kommen Sie jetzt ausgerechnet auf mich? Ich kenne Ihre Branche doch gar nicht.“
„Sagen wir es einmal so: Ich käme vor lauter Arbeit gar nicht zur Personalsuche. Außerdem brauche ich ein kleines Büro und einen Servicetechniker. Da habe ich schon einen meiner alten Kollegen an der Hand. Das schaffe ich doch alles gar nicht auf einmal.“ Er setzt sich auf, fährt verlegen mit der Hand durchs Haar. „Sie haben mir gefallen, Sie sind gerade frei, und ich habe das sichere Gefühl, dass Sie mir helfen könnten, den nächsten Schritt zu gehen.“ Er schaut sie erwartungsvoll an.
Sie nimmt ihren Blick herunter und greift nach der Kaffeetasse, nimmt einen großen Schluck, dann schaut sie auf. „Ich brauche nicht viel am Anfang. Was können Sie denn bezahlen?“
Frank W. schluckt. Er steht auf, geht an seinen Schreibtisch und holt die Plantabelle. Er setzt sich wieder. „Ich hatte 3.000 € für eine Assistentin eingeplant.“ Er traut sich erst nicht, sie anzusehen. Ein Schatten erscheint in seinem Blickfeld. Fast ungläubig fallen seine Augen auf die ausgestreckte Hand. „OK“, sagt sie entschieden, „Angebot angenommen. Wann fange ich an?“
„Wie wäre es mit sofort?“ sagt Frank W. mit leicht trockener und heiserer Stimme, als er die Hand unendlich dankbar ergreift und schüttelt. „Ich habe Ihnen meinen Laptop vorbereitet, Sie können über W-LAN auf das Netz zugreifen“, meint er geschäftig. Linda Gabriel schaut ihn erstaunt an. Er hatte gewusst, dass sie einschlagen würde, oder etwa nicht? Wie konnte er sich nur so sicher sein. Ich beginne langsam, mich zu wundern. Wer ist dieser Mann?
„Hier ist das zweite Telefon. Sie kennen sich doch bei Immobilien aus. Wir brauchen ein Büro mit Werkstatt und Lager. Schnell, am besten morgen“, unterbricht er Linda Gabriels Grübeln. Sie greift zum Telefon und wählt. Als gäbe es nichts Selbstverständlicheres auf dieser Welt und in diesem Augenblick zu tun.
Und so ist es gekommen, dass Frank W. geholfen werden konnte. Und nicht nur ihm.