Frank W. und die Maikäferrettung

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Walther

Mitglied
Frank W. und die Maikäferrettung
- bearbeitete und gekürzte Version -

Unter Laternen
Maikäfer gerettet – schnell
Zur nächsten Buche


Es ist schon nach 22 Uhr, das Wetter ist viel zu mild. Frank W. sieht die Sterne am Himmel und bedenkt sich im Besonderen und die Welt im Allgemeinen. Die Luft ist lau, man kann in Hemd und Hose laufen. „Was das noch wird mit dem Wetter!“ fragt er sich.

Da – plötzlich unter einer Straßenlaterne – entdeckt er etwas Dunkles, das wie verrückt seine Beinchen bewegt und auf dem Rücken liegt. Er bleibt stehen und bückt sich, um sich das näher anzusehen. Nimmt seinen rechten Zeigefinger, an dem sich das gumpende Insekt festkrallt. Er hebt es auf und beschaut es sich im weißblauen Flimmern des Neonlichts der Straßenlampe.

„Das ist ja ein Maikäfer!“, will er fast laut ausrufen, bekommt sich aber gerade noch ein. Ein Mann in diesem Alter kann doch nicht wie ein Siebenjähriger seine Entdeckung hinausjubeln. Der Käfer atmet in kurzen Zügen, die scharfen Krallenelemente seiner Beine schneiden leicht ziehend in die Haut des Zeigefingers, ohne sie wirklich zu verletzen.

Da entdeckt er einen weiteren und noch einen. Am Ende bedecken beide Hände ein Gekrabbel und Gelaufe. Das Kratzen kitzelt leicht, und Frank W. lächelt.

Frank W. geht raschen Schritts zur nächsten Essensquelle für die Käfer. Es sind die seltenen Buchenhecken. Jenseits der nahen Auenwälder des Wildbachs und an den vulkanischen Vorbergen zur Schwäbischen Alb ist nicht mehr viel mit Buche und Eiche. In den Gärten haben die Buchenecke längst die grünen Mauern der Koniferen, die so viel pflegeleichter sind, verdrängt. „Vielleicht haben wir deshalb so wenig von diesen lustigen Dummköpfen im Maikäferkleid!“, murmelt er vor sich hin.

Dort entlässt er die Krabbeltiere aus seiner Obhut, schüttelt die unwilligen, die die Körperwärme einfach zu anziehend finden, ab. Er setzt seinen Rundweg fort und schaut in den lauen Sternenhimmel. Die nächste große Laterne ist noch eine Weile hin, weiß er und ahnt, dass dort wieder Maikäfer herumliegen werden.

So kommt es dann auch. Er trifft ein Pärchen, das ebenfalls die Käfer aufhebt und von der Straße schafft, damit sie nicht Opfer nächtlichen Autoverkehrs werden. Einige launige Bemerkungen über Wind, Wetter, Mai und Käfer: Für Frank W. bleiben zwei Exemplare übrig, die er beschließt, mit nach Hause zu nehmen und in die Hecke seines Gartenanteils zu setzen.

Frank W. reinigt die Hände von den Angstkotungen der Käfer, die sehr scharf riechen, und macht sich bettfertig. Er liest noch ein wenig und schläft dann rasch ein.

Irgendwann wacht er auf und meint, überall am Körper das Gekrabbel, Gekratze und Geknister vieler Käferbeinchen zu spüren. Er hört auch das Blätterabscheren der Kiefer, das Gemahle beim Hinunterwürgen in den Schlund, das er aus den Schuhschachteln der Kindheit kennt. Dort saßen sie und vertilgten Unmassen von Buchen- und Eichenblättern, schissen wie wild alles voll und staksten unruhig durch den engen Raum, immer beim Versuch, hinauszukommen aus ihrem Gefängnis.

Er sieht sich über und über voll mit ihnen in einer Astgabel einer dichten Buche liegend. Ein Windstoß fährt ihm über die schweißbedeckte Stirn, kühlt ihn und lässt ihn erschauern. Er will sich die Haare wegwischen und die Käfer von den Händen bekommen, wo es wahnsinnig juckt. Da fährt er plötzlich hoch und merkt, dass er total verschwitzt im Bett liegt.

Er steht auf, schüttelt verwundert den Kopf, geht am Klo vorbei, um sich erleichtern und die juckenden Hände zu waschen. Er kühlt die Stirne, kremt sich ein und nimmt noch einen großen Schluck Wasser, um dann den Durst zu löschen. Anschließend legt er sich wieder hin und nickt erneut ein.

Auf einmal sieht er sich neben einem der Käfer auf der Hecke vor dem Haus krabbeln und Blätter verspeisen. Seine Fühlen spüren die Umgebung, mit seinen Beinen kann er sich an Blätterunterseiten von Ast zu Ast und Blatt zu Blatt hangeln. Seine Augen sehen die Umgebung in achteckigen Linsenausschnitten, die sich zu Käferaugen aneinandersetzen. Lustig, so ein Käfer zu sein. Überall sieht er die Maikäfer, die wie im Trance sich durch die Hecke fressen, Löcher in die grünen Blätter scheren, die harten Versorgungsadern auslassend. Pärchen streichen umeinander, er hört so etwas wie ein fernes Gebrabbel.

Oben auf der Hecke angekommen probiert er sein Fluggerät aus und stürzt beinahe ab. Es ist wunderbar, im kühlenden Wind zu fliegen. Er sieht den anderen zu, wie sie wie magisch angezogen zur großen Straßenlaterne fliegen, und will sich, dem Drang zum Licht und zur Wärme sich widersetzend, seinem Schicksal nicht ergeben, erinnert er sich doch, was ihm zustoßen könnte und würde, flöge er mit ihnen.

Am Ende ist der Drang so stark, dass auch Frank W. aufsteigt und fliegt. Es zieht ihn in die gleißende heiße Helle, um die er kreist und kreist und in die er sich stürzen muss, als ob es das Paradies sei. Beim dritten Mal spürt er einen harten Schlag an den Kopf. Besinnungslos trudelt er hinab und fällt auf den harten Asphalt der Straße. Dort kommt er wieder zu sich und versucht verzweifelt, auf seine sechs Beinchen zu kommen. Er rudert immer wilder. Seine Flügel kann er nicht richtig falten. Am Ende liegt er heftig atmend still und hofft, ihm werde die Rettung seiner Kameraden zuteil, die er damals aufsammelte, als er Mensch war.

Er hört feste Schritte, und gerade, als ein Schuh Maikäfer Frank W. zertreten will, schellt der Wecker. Er schießt in Todesangst hoch und merkt erst nach einigen heftigen tiefen Atemzügen, dass er noch am Leben ist. Er tastet sich ungläubig ab. Schließlich zieht er sich ein Ästchen aus dem Haar und spürt einen seltsam bitteren Salatgeschmack auf der Zunge. Sein Rücken schmerzt da, wo er gefallen sein muss.

Als er auf dem Weg zur Arbeit zur Tür hinaus geht, sieht er die Löcher in den Blättern seiner Hecke. Er weiß, dass sie da sind, seine Käfer, meint aber nicht genau unterscheiden zu können, ob er letzte Nacht nur im Traum mit ihnen um die falsche Sonne getanzt ist. Auf einmal sieht er den Nutzen von Straßenlaternen aus einer anderen Sicht.

Die kommenden Nächte werden es zeigen. Denn nachts werden sie ihn vielleicht wieder rufen, sein Käfer, denen er sich so verpflichtet fühlt. Damit er mit ihnen geht, sich zu vermehren und in die Erde zu senken, für sieben lange Jahre ins tiefe Dunkel.
 

HansSchnier

Mitglied
Hallo Walther,

es scheinen Kafka Wochen zu sein.
Zu deinem Text: Mir war der Text gerade im Mittelteil um einiges zu lang. Für meinen Geschmack hätte sich an das anfängliche Einsammeln der Traum schneller anschließen können. Zwischen beidem habe ich mehrfach ans Aufgeben gedacht.

Die Sprache fand ich anfangs etwas hölzern, ich habe mich besonders an der Formulierung
bedenkt sich im Besonderen und die Welt im Allgemeinen
gestört. Zu abgedroschen. Im Laufe des Textes gewinnt sie allerdings an Fluss.

Grüße

HansSchnier
 

NicoD

Mitglied
Nur kurz:

Ein schöner Text zum Gruseln - ich konnte nie nachvollziehen, warum frühere Generationen so gerne Maikäfer gesammelt haben.

Nur eine Sache hat mich gestört:

Er schießt in Todesangst hoch und realisiert erst nach einigen heftigen tiefen Atemzügen, dass er noch am Leben ist.
Realisieren ist da m.E. das falsche Wort. Es bedeutet im Deutschen so etwas wie verwirklichen. Im Englischen hingegen bedeutet "to realize" soviel wie "verstehen, kapieren".

Gruß,

Nico
 

Walther

Mitglied
Hallo Hans, hallo Nico,

ich bin wenig hin- und hergerissen, aber erst einmal danke für Eure Einträge. Es ist immer nützlich, von anderen Schreiberlingen Hinweise zu erhalten. Ohne diese Rückkopplung kann man sich nicht weiterentwickeln, und dies ist in der Tat meine zweite Kurzgeschichte, die eine Veröffentlichung erfahren hat. Vorher habe ich nur Lyrik, Essays, Presseartikel, Antragspapiere und Rezensionen verfaßt. Da liegt nahe, daß ich noch Einiges zu erlernen habe.

Zu den Anmerkungen der Reihe nach.

(1) In der Tat kann es sein, daß der Mittelteil etwas langatmig geraten ist. Das kommt daher, daß ich ein reales Ereignis mit einer Traumsequenz gekoppelt habe. Man könnte wohl die zweite Laternensequenz am Anfang auch streichen, ohne daß der Geschichte viel Inhalt abhanden käme. Diesen Vorschlag werde ich gerne für die zweite Version berücksichtigen.

Zur Sprache: Ich schreibe so, wie ich immer schreibe und immer spreche. Daran werde ich nur graduell etwas verändern, wobei ich den Hinweis in Sachen "mehr Speed" mir durchaus ernsthaft durch den Kopf gehen lasse. Besonders im zweiten Teil gibt es sicher - auch aus meiner Einschätzung heraus - einige Formulierungen, die optimiert werden könnten.

Die Anmerkung zu
bedenkt sich im Besonderen und die Welt im Allgemeinen
ist nicht berechtigt. Man sollte dem Autor eine gewisse leise Ironie unterstellen. Das gilt fast für alle meine Texte, Haikus einmal ausgenommen.

(2) Das Wort "realisieren" als "verstehen, kapieren" zu übertragen ist korrekt. In der Tat hat sich ein wenig des Denglischen in dieses Verb "gesenkt". Man könnte es evtl. ersetzen.

Nochmals besten Dank für Lob und Tadel, die mir zeigen, daß der Text immerhin ordentlich genug ist, um kritisiert zu werden. Das stimmt bei allen kritischen Anmerkungen dann doch etwas hoffnungsfroh. Beim ersten Eintrag war ich bisher für eine Bewertung noch nicht reif. Also ist wenigstens etwas Besserung eingetreten. ;)

Liebe Grüße und frohes Dichten! :)

W.
 

maerchenhexe

Mitglied
hallo Walther,

meiner Meinung nach könnte der Mittelteil tatsächlich eine Straffung vertragen und das Weglassen der zweiten Laternenfrequenz wäre eine gangbare Möglichkeit. Statt "realisieren" setze doch einfach "begreifen" ein, halte ich an der Stelle für passender. Ansonsten für mich ein Text der durch leichten, hintergründigen Humor wirkt.

mit einem smile

maerchenhexe
 

NicoD

Mitglied
(2) Das Wort "realisieren" als "verstehen, kapieren" zu übertragen ist korrekt. In der Tat hat sich ein wenig des Denglischen in dieses Verb "gesenkt". Man könnte es evtl. ersetzen.

Mmmmh. Ich kann und will Dir natürlich meine Kritik nicht aufdrängen, aber schön ist Denglisch natürlich nicht, auch wenn Leute wie Frank Schätzing sehr erfolgreich ganze Bücher so schreiben. Mir ist es ein Graus! Aber wenn Du es korrekt findest...
 

Walther

Mitglied
Moin Nico,
so war die Bemerkung gar nicht gemeint. Ich mag Denglisch eigentlich auch nicht, ich wollte nur erklären, warum es mir in den Trext gerutscht ist.
Ich bastele gerade an einer zweiten Fassung. Dur wirst sehen, wenn Du es dann nochmal liest, mein Geschichtchen, daß das "realisieren" dann anders heißt. :)
Schönen Tag und nochmals danke für Deinen Tip!
Gruß W.
 

Walther

Mitglied
Ursprüngliche Version

Ursprüngliche Version:

Unter Laternen
Maikäfer gerettet – schnell
Zur nächsten Buche


Frank W. geht auf seinen abendlichen Gang durch seine Wohnsiedlung. Zum Stressabbau hat er es sich – um seinen schlechten Schlaf zu bekämpfen – zur Routine werden lassen, einen halbstündigen Spaziergang zu machen.

Es ist schon nach 22 Uhr, das Wetter ist viel zu mild. Frank W. sieht die Sterne am Himmel und bedenkt sich im Besonderen und die Welt im Allgemeinen. Die Luft ist lau, man kann in Hemd und Hose laufen. „Was das noch wird mit dem Wetter!“ fragt er sich.

Da – plötzlich unter einer Straßenlaterne – entdeckt er etwas Dunkles, das wie verrückt sein Beinchen bewegt und auf dem Rücken liegt. Er bleibt stehen und bückt sich, um sich das näher anzusehen. Nimmt seinen rechten Zeigefinger, an dem sich das gumpende Insekt festkrallt. Er hebt es auf und beschaut es sich im weißblauen Flimmern des Neonlichts der Straßenlampe.

„Das ist ja ein Maikäfer!“, will er fast laut ausrufen, bekommt sich aber gerade noch ein. Ein Mann in diesem Alter kann doch nicht wie ein Siebenjähriger seine Entdeckung hinausjubeln. Der Käfer atmet in kurzen Zügen, die scharfen Krallenelemente seiner Beine schneiden leicht ziehend in die Haut des Zeigefingers, ohne sie wirklich zu verletzen.

Da entdeckt er einen weiteren und noch einen. Am Ende bedecken beide Hände ein Gekrabbel und Gelaufe. Das Kratzen kitzelt leicht, und Frank W. lächelt. Er strebt der nächsten Buche zu und entledigt sich fast zärtlich seiner Begleiter.

Weiter schreitet er den Rundgang ab, bis er zur nächsten großen Straßenlaterne kommt. Die Maikäfer liegen beinchenbewegend auf dem Rücken, sitzen starr und atemlos auf dem Boden. „Es ist doch erst Ende April!“, denkt er und sieht nach oben, wo die sonnen- und liebestrunkenen Käfer um die heiße Halogenlampe brummend und taumelnd schwirren. Am Ende sind es fast ein Dutzend, die auf beiden Händen den Atem suchen oder übereinander krabbeln und nach und nach die Arme als Spielwiese erobern.

Frank W. geht raschen Schritts zur nächsten Essensquelle für die Käfer. Es sind die seltenen Buchenhecken. Jenseits der nahen Auenwälder des Wildbachs und an den vulkanischen Vorbergen zur Schwäbischen Alb ist nicht mehr viel mit Buche und Eiche. In den Gärten haben die Buchenecke längst die grünen Mauern der Koniferen, die so viel pflegeleichter sind, verdrängt. „Vielleicht haben wir deshalb so wenig von diesen lustigen Dummköpfen im Maikäferkleid!“, murmelt er vor sich hin.

Dort entlässt er die Krabbeltiere aus seiner Obhut, schüttelt die unwilligen, die die Körperwärme einfach zu anziehend finden, ab. Er setzt seinen Rundweg fort und schaut in den lauen Sternenhimmel. Die nächste große Laterne ist noch eine Weile hin, weiß er und ahnt, dass dort wieder Maikäfer herumliegen werden.

So kommt es dann auch. Er trifft ein Pärchen, das ebenfalls die Käfer aufhebt und von der Straße schafft, damit sie nicht Opfer nächtlichen Autoverkehrs werden. Einige launige Bemerkungen über Wind, Wetter, Mai und Käfer: Für Frank W. bleiben zwei Exemplare übrig, die er beschließt, mit nach Hause zu nehmen und in die Hecke seines Gartenanteils zu setzen.

Frank W. reinigt die Hände von den Angstkotungen der Käfer, die sehr scharf riechen, und macht sich bettfertig. Er liest noch ein wenig und schläft dann rasch ein.

Irgendwann wacht er auf und meint, überall am Körper das Gekrabbel, Gekratze und Geknister vieler Käferbeinchen zu spüren. Er hört auch das Blätterabscheren der Kiefer, das Gemahle beim Hinunterwürgen in den Schlund, das er aus den Schuhschachteln der Kindheit kennt. Dort saßen sie und vertilgten Unmassen von Buchen- und Eichenblättern, schissen wie wild alles voll und staksten unruhig durch den engen Raum, immer beim Versuch, hinauszukommen aus ihrem Gefängnis.

Er sieht sich über und über voll mit ihnen in einer Astgabel einer dichten Buche liegend. Es ist ihm, als sei er Teil des Geschehens. Ein Windstoß fährt ihm über die schweißbedeckte Stirn, kühlt ihn und lässt ihn erschauern. Er will sich die Haare wegwischen und die Käfer von den Händen bekommen, wo es wahnsinnig juckt. Da fährt er plötzlich hoch und merkt, dass er total verschwitzt im Bett liegt.

Er steht auf, schüttelt verwundert den Kopf, geht am Klo vorbei, um sich erleichtern und die juckenden Hände zu waschen. Er kühlt die Stirne, kremt sich ein und nimmt noch einen großen Schluck Wasser, um dann den Durst zu löschen. Anschließend legt er sich wieder hin und nickt erneut ein.

Auf einmal sieht er sich neben einem der Käfer auf der Hecke vor dem Haus krabbeln und Blätter verspeisen. Seine Fühlen spüren die Umgebung, mit seinen Beinen kann er sich an Blätterunterseiten von Ast zu Ast und Blatt zu Blatt hangeln. Seine Augen sehen die Umgebung in achteckigen Linsenausschnitten, die sich zu Käferaugen aneinandersetzen. Lustig, so ein Käfer zu sein. Überall sieht er die Maikäfer, die wie im Trance sich durch die Hecke fressen, Löcher in die grünen Blätter scheren, die harten Versorgungsadern auslassend. Pärchen streichen umeinander, er hört so etwas wie ein fernes Gebrabbel.

Oben auf der Hecke angekommen probiert er sein Fluggerät aus und stürzt beinahe ab. Es ist wunderbar, im kühlenden Wind zu fliegen. Er sieht den anderen zu, wie sie wie magisch angezogen zur großen Straßenlaterne fliegen, und will sich, dem Drang zum Licht und zur Wärme sich widersetzend, seinem Schicksal nicht ergeben, erinnert er sich doch, was ihm zustoßen könnte und würde, flöge er mit ihnen.

Am Ende ist der Drang so stark, dass auch Frank W. aufsteigt und fliegt. Es zieht ihn in die gleißende heiße Helle, um die er kreist und kreist und in die er sich stürzen muss, als ob es das Paradies sei. Beim dritten Mal spürt er einen harten Schlag an den Kopf. Besinnungslos trudelt er hinab und fällt auf den harten Asphalt der Straße. Dort kommt er wieder zu sich und versucht verzweifelt, auf seine sechs Beinchen zu kommen. Er rudert immer wilder. Seine Flügel kann er nicht richtig falten. Am Ende liegt er heftig atmend still und hofft, ihm werde die Rettung seiner Kameraden zuteil, die er damals aufsammelte, als er Mensch war.

Er hört feste Schritte, und gerade, als ein Schuh Maikäfer Frank W. zertreten will, schellt der Wecker. Er schießt in Todesangst hoch und realisiert erst nach einigen heftigen tiefen Atemzügen, dass er noch am Leben ist. Er tastet sich ungläubig ab. Schließlich zieht er sich ein Ästchen aus dem Haar und spürt einen seltsam bitteren Salatgeschmack auf der Zunge. Sein Rücken schmerzt da, wo er gefallen sein muss.

Als er auf dem Weg zur Arbeit zur Tür hinaus geht, sieht er die Löcher in den Blättern seiner Hecke. Einige davon kommen ihm seltsam bekannt vor. Er weiß, dass sie da sind, seine Käfer, meint aber nicht genau unterscheiden zu können, ob er letzte Nacht nur im Traum mit ihnen um die falsche Sonne getanzt ist. Auf einmal sieht er den Nutzen von Straßenlaternen aus einer anderen Sicht.

Die kommenden Nächte werden es zeigen. Denn nachts werden sie ihn vielleicht wieder rufen, sein Käfer, denen er sich so verpflichtet fühlt. Damit er mit ihnen geht, sich zu vermehren und in die Erde zu senken, für sieben lange Jahre ins tiefe Dunkel.
 



 
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