Frau Österreich

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lilli

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Es ist nicht das letzte Mal, das weiß sie. Immer wieder wird es so sein. So lange, bis sie endlich aufhören würde die sein zu wollen, die sie vorgab zu sein.
Sie reckt ihre langen Beine. Der matte Schimmer der Seidenstrümpfe reflektiert das schummrige Licht der Bar.
Das leise Stimmengewirr umrahmt ihr helles Lachen.
Lachen über einen der dümmlichen Witze ihres Begleiters.
Ihr strahlendes Lächeln, das Blitzen ihrer schwarzen Augen lassen ihn im Glauben, dass sein Charme sie bereits eingenommen hätte.
Ermutigt durch ihre zustimmende Art lässt er sich zu noch mehr hinreißen. Dabei merkt er nicht, dass der Bogen schon viel zu weit überspannt ist.
Das Stimmengewirr in ihr wird langsam unerträglich: „Pfeiff doch auf die ironischen Zwischentöne, schlucke sie. Sei bloß nicht sarkastisch. Lächle. Gib ihm dieses Gefühl, dass er unwiderstehlich ist.
Recke die Brust, wie ein Harnisch. Sei eine dieser weiblichen Ritter mit metallener Rüstung. Mit Kettenhemd. Aber beweg dich, wie du es gelernt hast. Mit Grazie, mit Anmut – formvollendet. Bring zur Geltung, was du dir unter Mühen und Bächen von Schweiß erarbeitet hast!“
Sie lässt die Finger wie zufällig über den Rand des Glases gleiten, streichelt den Kelch und den Stiel auf und ab.
Ihre Stimme, weich – etwas dunkel für eine Frau – zustimmend, verständnisvoll und lachend muntert sie ihn auf noch weiteren Stumpfsinn von sich zu geben.
Sie neigt den Kopf zur Seite, sieht ihm aufmerksam, tief in die Augen. Ihr Hals ist entblößt, das lange Kupferschimmernde Haar fällt über die linke Schulter.
Er kann den Blick nicht von dieser samtweich glänzenden Haut und dem kleine Mal auf der Schulter lassen. Er könnte sie jeden Moment in diesen freigelegten Hals beißen.
Er tut es tatsächlich in Gedanken und merkt nicht, dass er nichts besitzt, was sie wirklich berührt.

Nichts bis auf die Tatsache, dass er Mitglied ist. Mitglied in der Jury. Der Jury, die darüber entscheiden wird, wer gewählt wird. Gewählt in diese für sie so wichtige Position.
Dann, wenn sie diese erreicht hätte, ja dann könnte sie aufhören. Aufhören mit diesem täglichen, stundenlangen Training an den Maschinen, auf dem Rad, dem Laufband und in diesen workouts.
Sie könnte aufhören mit Essen nach Zählen, nach Points, die ihr jeden Genuss geraubt hatten die letzten Monate.
Aber bis dahin musste sie lächeln; dumme Fragen dumm beantworten und lächeln; scheinbar aufmerksam zuhören und lächeln.
Sie musste es schaffen, denn noch einmal würde sie das alles nicht durchstehen. Auch wenn sie es eigentlich nur noch aus Trotz tat.
Als er nun seine Hand auf ihr Knie legt, zuckt sie aus ihren Gedanken auf.
„Wissen sie Anna“ sagte er in fast drohend jovialer Art, „wir können gemeinsam zur Endausscheidung nach Las Vegas fliegen. Ich kann ihnen mit meinen Erfahrungen helfen – in jeder Hinsicht. Und stellen sie sich vor, was für ein internationaler Triumph es sein wird.“

Sie stellte es sich vor:
„And now we present the lovely Miss Austria“
Ja, sie würde es denen in Pulgarn schon zeigen. Sie würde „Frau Österreich“ sein!
Anna legt ihre Hand auf seine Hand auf ihrem linken Knie; dann schlägt sie das rechte Bein darüber und drückt dieses leicht nach unten. Dabei dreht sie ihre rechte Schulter zu ihm und schiebt mit ihren Oberarmen unauffällig die Brüste nach vorne. Zufrieden entdeckt sie die Ausbuchtung in seinem Schritt.
Was würde sie nicht alles tun um endlich Miss Austria zu werden in Linz und dann nicht mehr vorgeben zu müssen diese sein zu wollen.
Las Vegas und Miss Universe sind ihr total egal.
 

Zarathustra

Mitglied
sehr glaubwürdig

Hallo Lilli,
sehr glaubwürdig ist sie, deine Geschichte.

Eigene Vorstellungen über die Karriere werden zu einem unbehersschbaren Laster. Es gibt kein Halten, kein Stoppen.. es gibt kein zurück.

Das eigene Ich, das eigene Leben - es wird geopfert.

Und das alles hast du fast distanziert, kühl und unaufgeregt beschrieben.

Gratuliere

L. G. aus München

Hans
 

lilli

Mitglied
Re: sehr glaubwürdig

danke zarathustra hans!

haben diesen begriff: "frau österreich" in der schreibwerkstatt bekommen... hat ne zeit gedauert, bis mir was dazu einfiel.
nur, eigentlich ist es egal, was für beruf(ung) man meint zu haben, die passion läßt einen schon leicht vergessen, was man in seinem leben wohl doch nicht opfern sollte

liegrülilli aus österreich
 



 
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