Freddys Thanatos

düsterbunt

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Jack saß auf der Couch in seinem Zimmer. Er hörte etwas aus seinem Klassikordner auf seinem MP3 Player, den ihm Caroline von YouTube konvertiert und zusammengestellt hatte.
Er tippte auf etwas von Mozart, doch er sah nicht nach. Sein Blick fiel auf Freddy, den Goldfisch, der unruhig in seinem Glas herumschwamm. Freddys Gefängnis stand auf einer der 280 Watt Boxen, die irgendeinen 70er Jahre Hardrock Klassiker heraushämmerten und deren Bass Lines das Wasser und Freddy selbst zum Vibrieren brachten.
Mit geneigtem Kopf betrachtete Freddy den Goldfisch und verfolgte jede seiner schnellen Bewegungen. Er musste schief grinsen und begann wilde Grimassen zu schneiden. Einige Male stand er auf und ging mit ruckartig erhobenen Armen auf das Goldfischglas zu um Freddy zu erschrecken. Doch der Fisch blieb stumm und schwamm weiter in seiner kleinen durcheinander geratenen Welt herum.
Das Lied war zu Ende und Jack setze sich wieder hin. Er atmete tief ein und schloss die Augen. Jetzt begann ein Stück von Beethoven. Jack setzte die Pistole an seine Stirn, die Geigen wurden lauter und er drückte ab.
Zwei Stunden später, nach etlichen Versuchen Carolines Jack mit dem Handy zu erreichen und etlichen Anrufen der Nachbarn wegen Ruhestörung erreichte ein Polizeiauto Jacks Adresse.
Die Musik war auf der Straße schon zu hören und schwoll den Weg durchs Treppenhaus immer lauter an. Es lief gerade das Finale von Sweet Child in Time, als die beiden Polizisten Jacks Zimmer betraten. Der Fette schaltete zuerst die Anlage aus, wonach der zu lang Geratene die Daten der Pistole notierte und die Zentrale benachrichtigte. Er beschrieb die Lage und ging eindeutig von Selbstmord aus. Der Fette sah sich weiter im Zimmer um und da fiel sein Blick auf einen toten Goldfisch, der inmitten einer Wasserpfütze und Glasscherben lag.
Die beiden sperrten die Türe ab, „Doppelselbstmord“ sagte der Lange und der Fette lachte.
So gingen sie davon.
 
G

Gelöschtes Mitglied 18005

Gast
Crazy...

Der Teil, bei dem Jack Grimassen schneidet, sich ruckartig bewegt, schief grinst und so weiter hatte eine starke Wirkung auf mich. So eine unberechenbare Figur, fast schon unheimlich.

Die Pistole kam so unerwartet! - ich war richtig geschockt.
Es kam aber so ziemlich alles wirklich plötzlich und unerwartet, was mir aber gut gefallen hat. Ja, das ist es was ich an der Geschichte so sehr mochte, dass sie so schön eigen ist.

Müssen es genau Mozart und Beethoven sein, nur weil es klassische Musik ist? Muss es genau ein Goldfisch sein, nur weil es sich um einen Aquariumfisch handelt? Muss der eine Polizist genau dick, der andere groß sein (wobei mich das eigentlich nicht so sehr irritiert hat). Das sind für mich irgendwie Klischees, kann aber auch nur mein Blickwinkel sein.

Wieso kommt 70er Jahre Hardrock, wenn Jack auf Mozart gedrückt hat?

Es hat mir gefallen, wie die Musik sich überall hin verbreitete und für die Polizisten immer lauter wurde. Falls du möchtest, dass der Leser sich besser darin hineinversetzen kann, solltest du vielleicht die Musik hier kurz und präzise umschreiben: Ich persönlich habe das Finale von "Sweet Child in Time" noch nie gehört.

Bei dem Witz des Polizisten musste ich lachen. In dieser Situation ist ein Witz sehr grotesk, das hat mir gefallen. Ich habe aber nicht verstanden wie der Fisch sich selber umbringen konnte: Er kann doch sein Aquarium nicht zerschmettern (oder war die Pistolenkugel ursächlich dafür?)

Eine außerordentlich kurze Kurzgeschichte, vielleicht daher eher nur Kurzprosa. Möchtest du sie nicht ein wenig verlängern und verraten, weshalb sich Jack umbringt, was es mit Caroline auf sich hat, die Persönlichkeiten etwas vertiefen usw.? Womöglich wolltest du aber nur atmospherisch arbeiten und nur eine kurze Szene entwerfen; in diesem Fall kannst du aber auch noch ein wenig konkretere und ausführlichere Beschreibungen liefern. (Mich stört die Kürze nicht, darin liegt hier die Würze - ich frage nur)

Alles in allem hat mir die Geschichte gut gefallen, vor allem weil sie so unkonventionell und grotesk ist, eine dezente Stimmung verbreitet und den Leser ständig überrascht. Wenn ich darüber nachdenke, dann finde ich sie dermaßen kurz wahrscheinlich sogar besser.
 

düsterbunt

Mitglied
Mh Mh Mh
erst einmal, Danke für deinen doch ausführlichen Kommentar und es freut mich bombastisch, dass dir die Geschichte gefällt.

Du hast es genau erfasst, ich wollte eine seltsame, groteske Stimmung wiedergeben. Eigentlich hatte ich mehr wirklich visuelle Bilder zu dieser Geschichte im Kopf, diese zu fotografieren oder realistisch zu malen, dazu bin ich zu unbegabt und vll zu faul, ( wenn ich mir vorstelle welchen Aufwand es bräuchte die Kulisse fertig zu stellen, alles zu arrangieren, ein Model zu buchen.......und allein dass der Goldfisch ( es muss iwie einer sein, es ist so klischeehaft- dachte auch an Pink Floyds Zeile "we`re just two lost souls swimmung in a fish bowl....) aus "wish you we`re here- genau frontal in die Kamere guckt......das alles wäre ein Mega-Aufwand. Da habe ich mein persönliches Kopfkino drehbuchartig in Worte gefasst.
Ich habe das Groteske, dass Jack Kopfhörer aufhat UND die Musikboxen aufgedreht hat nicht ganz klar hervorgehoben. Mach ich mal, wenn mich wieder die Muse dafür küsst.

Die anderen offenen Fragen, bzgl des "Selbstmordes" des Fisches, hmm soll ich das wirklich erklären. Naja, durch den Druck der Boxen ist Freddys Glas mitsamt ihm heruntergefallen....es ist an sich eine sehr sehr sehr traurige Geschichte, die ich aber nur anreißen wollte. Das Groteske soll hier einfach Thema sein .
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
 
G

Gelöschtes Mitglied 18005

Gast
ich wollte eine seltsame, groteske Stimmung wiedergeben
So etwas will ich auch oft, das gefällt mir auch sehr. Daran liegt es wohl, das mich dieser Text anspricht

Wenn du die Bilder im Kopf hast, dann musst du sie ja nur noch mithilfe von Worten auf das Papier bringen - eine ganze Kulisse anzufertigen musst du ja nicht (obwohl das wirklich eine gute Vorstellung ist bei dieser Geschichte). Deine Antwort auf meine Anmerkung war doch auch eine kleine Arbeit, so faul bist du also doch nicht. Aber ich verstehe was du meinst, mir geht es auch häufig so. Da fängt man lieber mit der nächsten Idee an, als die vorherige auszuführen.

Meine Fragen waren tatsächlich nur rhetorisch (das hätte ich betonen sollen); jetzt wird mir aber einiges klarer. Man nimmt als Schreiber scheinbar zu leicht an, der Leser verstehe schon was man meint.

Was ich bei meiner ersten Anmerkung als "dezent" bezeichnet habe bedeutet das komplette Gegenteil, ich meinte natürlich die Stimmung sei eindringlich, streng o.ä. (scheinbar habe ich das Wort mein ganzes Leben lang verkehrt benutzt, wie peinlich :D).
 

düsterbunt

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Nein.....so faul bin ich nun auch wieder nicht. Da hab ich mich auch falsch ausgedrückt. Ich meine auch eher mir fehlen einfach die Mittel, das zB fotografisch zu zeigen, was in meinem Kopfkino passiert. Ich bin zZ großer Fan von den Fotos von Gregory Crewdson, die Bilder sind allesamt sehr verstörend. Das Unheimliche bricht in die (sogenannte) Normalität ein und jedes Bild läßt dem Betrachter einen großen Interpretationsspielraum . Das Betrachten solcher Bilder hat mich zu eigenen inspiriert.

Gregory Crewdson betreibt einen Riesenaufwand die Bilder aufzubauen, darum hat er verhätnismäßig wenig Bilder "produziert". Darum hab ich zu dem Mittel der Sprache gegriffen um das Bild, bzw den Film einfach zu beschreiben.

Denn, wenn ich es wirklich visuell bannen wollte, dann schon realistisch und ich kann auch ein bisschen malen und zeichnen, aber da würde ich den Grad des Realismus nie erreichen, den ich wollte. Von daher doch zu faul um das Zeichnen und Malen zu üben.

Aber naja....
 



 
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