Freiheit

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Freiheit. Was ist Freiheit eigentlich? Für viele Menschen etwas selbstverständliches.
Aber nicht für mich. Ich musste lange um meine Freiheit kämpfen und hätte fast aufgegeben.


Mein Name ist Maik. Ich bin 32 Jahre alt, habe hellbraunes, kurzes Haar und grüne Augen. Ich arbeitete in einer kleinen Firma als IT-Manager.
Eines Tages ging ich, wie jeden Morgen, am kleinen Kiosk an der Ecke vor der Arbeit noch einen Kaffee trinken. Bevor ich zahlen wollte sah ich mich noch bei den Zeitungen um. Ich bemerkte kaum, wie sich ein in schwarz gekleideter Mann an mir vorbeischlich. Ich dachte mir nichts Böses dabei. Der Mann in schwarz ging hinter den Tresen, in das kleine Zimmer in dem der Verkäufer sich die meiste Zeit aufhielt. Plötzlich hörte ich einen lauten Knall, ich war mir zuerst nicht sicher, ob es sich dabei um einen Schuss handelte. Doch dann rannte der Mann aus dem Zimmerchen, drückte mir im vorbeilaufen die Pistole in die Hand und verschwand aus dem Kiosk.
Ich stand völlig regungslos da und starrte dem Mann hinterher, in meiner Hand immer noch seine Waffe. Als ich wieder klar denken konnte, lief ich in das Zimmer des Verkäufers. Er lag leblos auf dem Boden. Neben ihm lag eine leere Geldkassette. Ich hörte nicht, wie jemand den Kiosk betrat. Es war die Frau des Verkäufers. Sie wollte ihm wohl im Laden aushelfen. Sie betrat das Zimmer und sah zuerst mich, ich hatte mir die Waffe inzwischen in die hintere Hosentasche gesteckt, und dann sah sie ihren Mann, wie er dort in einer Blutlache und einem Loch in der Brust dalag. Sie wusste sofort wer das getan haben musste. Mit Tränen in den Augen schrie sich mich an. Nannte mich einen Mörder. Noch bevor ich ihr erklären konnte was wirklich passiert ist spürte ich ein Brennen im Gesicht. Die Frau hatte mir eine Ohrfeige gegeben. Wenig später traf die Polizei ein. Die Beamten befragten zuerst die Frau des Opfers. Sie weinte schrecklich und ihre Stimme überschlug sich oft. Sie drehte sich zu mir um und zeigte mit dem Finger auf mich. Dann kamen die Beamten zu mir. Sie stellten mir einige Fragen, die ich beantwortete. Ein Beamter sicherte die Pistole, die sich immer noch in meiner Tasche befand. Sie nahmen mich mit aufs Polizeirevier. Ich saß allein in einem Raum. Er war leer bis auf einen Tisch und zwei Stühle, die sich gegenüberstanden. Ich fühlte mich wie in einem schlechten Krimi. Dann kam ein Mann in den Raum. Er sah mich mit finsterer Miene an. Dann öffnete er den Mund: „Auf der Waffe wurden Ihre Fingerabdrücke gefunden. Und zwar NUR Ihre.“ Ich wollte etwas sagen, doch er kam mir zuvor. „Sie brauchen nicht wieder damit anfangen sich rauszureden. Sie waren zur Tatzeit am entsprechenden Tatort, Sie waren in Besitz der Waffe UND man konnte auch nur ihre Fingerabdrücke feststellen.“ Er machte eine Pause und setzte sich auf den freien Stuhl. „Uns wurde außerdem berichtet, dass Sie regelmäßig in dem Kiosk Kunde waren, also waren Ihnen die Räumlichkeiten durchaus bekannt. Sie kannten auch den Eigentümer und wussten wo er sich aufhielt, wenn gerade kein Kunde im Kiosk war. Also war es ein leichtes für Sie den Mord zu planen.“ Er sah mich lange an, dann sprach er weiter: „Das einzige was uns noch fehlt, ist das gestohlene Geld. Bei Ihnen wurde es nicht gefunden. Sie hatten auch keine Zeit gehabt es zu verstecken. Der Gedanke liegt nahe, dass sie einen Komplizen hatten, der sich mit dem Geld aus dem Staub gemacht hat.“ Er grinste. „Tja, Pech für Sie. Sie waren nicht schnell genug um zu entkommen. Was natürlich nicht bedeuten soll, dass wir nicht auch nach Ihrem Komplizen suchen werden…. Doch zuerst sind Sie dran. Sie können sich schon mal überlegen, was sie dem Richter sagen wollen. Die Verhandlung ist in zwei Tagen. Bis dahin behalten wir sie hier in Untersuchungshaft.“ Mit diesen Worten verließ er den Raum wieder und ich war erneut allein in diesem sterilen Verhörzimmer. Kurze Zeit später brachte mich ein Beamter in eine ungemütliche Zelle.
Ich hatte Angst vor der Verhandlung. Angst davor, der Frau des Opfers wieder zu begegnen. Den Blick, mit dem sie mich an jenem Tag ansah, werde ich nie vergessen. Und ich hatte Angst davor, meine Freiheit zu verlieren und letztendlich für etwas ins Gefängnis zu gehen, dass ein Anderer getan hat. Ich wusste ja nicht einmal wie ich mich verteidigen sollte. Alle Beweise standen gegen mich, wie die Beamten sagten.
Es kam wie ich es befürchtete. „Lebenslänglich.“ Urteilte der Richter. Damit war mein Schicksal besiegelt.
Die erste Zeit im Gefängnis war sehr hart und schwierig für mich zu überwinden. Meinen Job, sowie alle sozialen Beziehungen hatte ich natürlich verloren. Niemand wollte mehr etwas mit mir zu tun haben. Selbst meine Mitinsassen mieden mich. Die Besuchszeiten verbrachte ich immer allein in der Zelle. Es wartete nie Besuch auf mich. Bis auf das eine Mal.
Ich dachte zuerst an einen Scherz, als der Wärter meine Zellentür aufschloss und sagte, dass ich Besuch hätte. Auf dem Weg zum Besucherraum überlegte ich ununterbrochen, wer denn der Besucher sein könnte. Dort angekommen traute ich meinen Augen nicht. An einem Tisch saß die Frau des Verkäufers. Ihr Körper war angespannt. Es war ihr sichtlich unangenehm dort auf mich zu warten. Ohne ein Wort setzte ich mich an den Tisch und ihr gegenüber. Sie sah mich mit leeren Augen an. Ich kannte diesen Gesichtsausdruck. Jener Gesichtsausdruck sah mich jeden Morgen nach dem Aufstehen und jeden Abend vor dem Schlafen gehen an. Es war mein Spiegelbild. Denn auch mein Blick wurde mit der Zeit immer leerer. Ich fragte mich warum sie gekommen war. Und als hätte sie meine Gedanken gelesen, fing sie an zu erklären: „Ich habe mir schon vor Wochen vorgenommen herzukommen, um dem Mörder meines Mannes in die Augen sehen zu können. Aber, mit der Zeit bekam ich einige Zweifel. Immerhin wurde das Geld nie gefunden….und Sie sahen ziemlich entsetzt aus, als Sie vor der Leiche meines Mannes standen. Das gab mir in letzter Zeit oft zu denken.“ Sie überlegte kurz und fuhr fort: „Ich möchte von Ihnen eine ehrliche Antwort auf meine Frage.“ Auf welche Frage?“ setzte ich hinzu. „Sind sie der Mörder meines Mannes?“ Ich antwortete: „Nein. Ich schwöre auf mein eigenes Leben, dass ich diese grausame Tat nicht begangen habe.“
Sie sah mir tief in die Augen. Für eine kurze Zeit herrschte Stille. Mir kam es wie eine halbe Ewigkeit vor. Schweißperlen rannen mir von der Stirn. Schließlich brach sie das quälende Schweigen und sagte: „Ich sehe in Ihren Augen, dass sie die Wahrheit sagen. … Ich glaube Ihnen.“ Ich war sprachlos. Die Frau, die mich vor wenigen Monaten noch mit einem so hasserfüllten Blick angeschaut hatte, glaubte mir. Plötzlich sah ich für mich doch noch einen Hoffnungsschimmer. Mit zitternder Stimme fragte ich die Frau: „Werden Sie mir helfen meine Unschuld zu beweisen?“ Nach erneutem unerträglichen Schweigen erwartete ich schon ein „Nein“ als Antwort, doch dann sagte sie: „Ja. Ich werde Ihnen helfen. An Ihrer Stelle sollte ein anderer Mann sein. Ich will, dass dieser schreckliche Mensch hier seine Strafe absitzt, damit mein Mann Frieden finden kann.“ Vor lauter Freude wäre ich fast in die Luft gesprungen. Ich fing mich wieder und fragte sie neugierig: „Also…was werden wir nun tun?“ fragte ich. „Ich werde zur Polizei gehen und für Ihre Unschuld eintreten.“ „Aber sie werden sie dann fragen, ob sie wissen, wer der wirkliche Täter ist.“ Sie dachte kurz nach und sagte dann: „Ich habe aber schon einen Verdacht. Der Mann besucht seit kurzem regelmäßig meinen Kiosk. Er trägt immer auffällig viel Geld bei sich. Und jedes Mal, wenn er an der Kasse steht um zu bezahlen, grinst er mich seltsam an.“ Nachdem sie ihren Satz beendet hat, hörte ich einen Wärter rufen: „Besuchszeit ist zu Ende! Alle Insassen zurück in ihre Zellen!“
Ich verabschiedete mich von der Frau. Bevor sie ging sagte sie noch zu mir: „Wenn wir uns das nächste Mal sehen, sind Sie wieder ein freier Mensch.“ Danach verschwand sie mit den anderen Besuchern durch das dicke Tor aus Stahl. Ihre Worte gaben mir Hoffnung. Hoffnung die ich eigentlich schon lange aufgegeben hatte.
Ungefähr eine Woche später wurde meine Zellentür erneut unverhofft aufgeschlossen. Ein Wärter und zwei Polizeibeamte standen vor mir. Der eine Beamte sagte, ich solle mit ihnen aufs Polizeirevier kommen und dass ich vorläufig aus der Haft entlassen sei.
Auf dem Revier angekommen saß dort schon die Frau des Verkäufers. Sie lächelte, als sie mich sah und ich lächelte zurück. Ich wurde in den gleichen trostlosen Verhörsaal gebracht, wie schon vor einigen Monaten. Die Frau kam hinterher. Dann wurden wieder Fragen gestellt, die von uns beantwortet wurden. Kurz darauf wurde mir von den Beamten ein Mann gezeigt, der in Handschellen vor einer weißen Wand stand. „Kennen Sie diesen Mann?“ fragte ein Beamter. Ich musste nicht lange überlegen, um den Mörder des Verkäufers wiederzuerkennen. „Ja. Er hat den Kiosk überfallen und mir die Waffe in die Hand gedrückt, als er geflohen ist.“ Ich fragte mich, was nun passieren würde und ob die Beamten mir glauben würden. „Wir konnten bei ihm das gestohlene Geld feststellen. Wenn er die Tat gesteht, sind sie damit entlastet und wieder frei.“
Ich wartete mit der Frau im Warteraum des Reviers. Das Verhör des Täters ging fast eine ganze Stunde. Zwei Beamte kamen an uns vorbei und führten den Mann ab. Im vorbeigehen trafen sich unsere Blicke. Ich erwartete Reue in seinen Augen zu sehen, doch er grinste hämisch. Er zwinkerte mir arrogant zu und sagte: „Na, haste mir den Platz warmgehalten?“ Dann ging er an mir vorüber. Das war also der Mann, der mich meiner Freiheit beraubt hatte. Ein Ekel, der nach allem was er getan hat weder Reue noch Scham zeigte. Ein weiterer Beamter kam auf uns zu und sagte zu mir: „Es hat zwar lange gedauert, aber er hat gestanden. Die gesamte Tat. Damit sind sie aus ihrer Haft entlassen und können sich wieder frei bewegen.“

Freiheit. Ein schönes Wort. Und es wird noch schöner, wenn man es zu würdigen weiß. Wenn man zu würdigen weiß, dass Freiheit das größte Geschenk sein kann, das man bekommen kann.
 



 
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