Freispruch

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Unersättlich meine Gier
nach Nachschub
wenn ich dich niederschlage, Tag für Tag
Dir das Glühen aus deiner Birne schraube
und mich an der jämmerlichen Unterwerfung deiner Gedankenfluten labe.
Ich! bin ihre Herrin und du Wicht verlierst die Orientierung.
Mein ist die Macht
deine Sonne zu verdunkeln
und dir im Zwielicht interessiert beim Welken zuzusehen.
Mein Gift manipuliert deine Wahrnehmung,
zieht unaufhaltsam die Farben aus deinem Alltag
und die Wärme aus deiner Umgebung.
Ich klaue den Klang aus den Melodien
und entführe den Schalk aus deinem Nacken.
Nachts halte ich dich wach, lasse dich im Dunkeln zähe Zeittropfen zählen,
schenke dir ein klebriges Übermaß davon für sinnlose Grübeleien
die deine fahle Visage zerknittern.
Mit wachsender Begeisterung verdrecke ich dein Lachen,
während ich mit dem Atem aus deinen Zügen Klimaanlagen füttere.

Schließlich gehört mir
der Antrieb aus deinem Tun
und ich vereinnahme dein Selbst
bis es sich richtet.

Mord auf Raten?
Nix da, Freispruch, Euer Ehren!
 

revilo

Mitglied
Hallo, erinnert mich an sympathie for the devil von den stones.........müsste m.E. verdichtet werden, weil es einige Längen enthält.........LG revilo
 

Label

Mitglied
Sehr geehrter Herr Bakenfalter

unersättlich war meine (Neu)gier wer denn da nun so selbstbewußt und schamlos seine Ansprüche anmeldet.
Dieses Lyri hatte sich als weiblich geoutet, demnach war der bequeme Weg -es ist halt doch irgendwie der Autor- verschlossen.
Der Teufel war's auch nicht, das wäre das traditionelle aber leider abgegriffene Erklärungsmodell gewesen.
Ja nicht einmal die Gier, das Allrounderklärungsmodell heutzutage, kanns gewesen sein, obwohl es nahe Verwandtschaftsbeziehungen geben muss.
Ich habe hartnäckig gesucht und da war sie plötzlich - die Sucht.

Daraufhin habe ich meine einheimischen Süchte befragt, ob sie tatsächlich ein derartigen Charakter wie hier beschrieben hätten.
Nach einigen Ausflüchten und Bemäntelungen gaben Frau Nikotin Sucht und sogar Frau Internet Sucht fast alles zu.

Herr Bakenfalter, Ihnen danke ich ganz herzlich dass Sie mir mit diesem Steckbrief das (un)Wesen meiner Mitbewohner so deutlich vor Augen geführt haben.


Mord auf Raten?
Nix da, Freispruch, Euer Ehren!
bringt es zu einem gruseligen Höhepunkt.

Lieber Herr Bakenfalter, ich empfinde das als einen fulminanten Text.

über geeignete Maßnahmen sinnierend
Label
 
Hallo revilo,

herzlichen Dank für deinen Kommentar. Über eine womögliche Verdichtung denke ich seit Tagen nach, konnte mich aber bisher von keinem einzigen Wort trennen. Es arbeitet aber weiterhin in mir.

Lieben Gruß
Bakenfalter
 
Liebe Frau Label,

über Ihren geschätzten Kommentar freue ich mich sehr und weiß ihn sehr zu schätzen, zumal er mir ganz neue Erkenntnisse über die Protagonistin/das Lyri meines Werkes brachte. Meinte ich doch eine ganz andere...

Aber - mit Ihrer Sichtweise betrachtet, passt es auch. Ich bin begeistert über die Erweiterung meines Bakenzonts und danke Ihnen herzlich dafür.


Baki,
hinter dem Horizont flatternd
 

Label

Mitglied
Lieber Herr Bakenfalter

oh oh, da habe ich etwas entfaltet, was gerne undercover geblieben wäre und jetzt die Flatter hat und noch dazu mit einem falschen Label :eek: ausgestattet.

Jetzt ist die Gier auch wieder da. Die alte Neugier sucht Erklärungen. Ich kann ihr leider keine liefern.
Aber Sie Herr Bakenfalter könnten meine Gier befriedigen :D
Wären Sie so nett? Damit ich nicht in die Depressionen falle.

unerleuchtete Grüße
Label
 
Verehrteste,

da haben Sie doch bereits das gierige Kind beim Namen genannt.

Freundlich grüßend
Bakenfächer

ernsthaft darüber sinnierend, warum sein Schatten nichts gegen die übertriebene Sonneneinstrahlung auszurichten vermag
 

Label

Mitglied
Ahhhh ja, das ist/war ebenfalls eine alte Native.

Nach erneutem Lesen des Textes fällt mir spontan Circulus vitiosus ein.
Mit wachsender Begeisterung verdrecke ich dein Lachen,
während ich mit dem Atem aus deinen Zügen Klimaanlagen füttere.
das verdreckte Lachen hat mich zum "anderen" Label geführt und ist das Einzige was für mich nicht stimmig ist, während die Klimaanlagenfütterung mir nun unerklärlich ist.
über Temperaturerlebnisse sinnierend:
Da ich hinter 90 cm dickem Altgemäuer sitze, endlich mal keine Jacke mehr brauche und die Gefahr der Gehirnaustrocknung nicht immanet ist, erlaube ich mir einen virtuellen kühlen Lufthauch dem flatternden Falter zukommen zu lassen.

schattige Grüße
Label
 
kurz und knapp, denn mein Hirn raschelt schon:

verdrecktes Lachen - es ist nicht mehr herzlich, sondern gekünstelt, entspringt bestenfalls der Höflichkeit, ist also kein echtes, höchstens ein zynisches.

Fütterung der Klimaanlage - das Atmen als Lebensnotwendigkeit wird sinnlos, zu einer Kraftverschwendung, fällt immer schwerer, weil die Täterin die Kehle zuzuschnüren scheint.

bf fffff
 

revilo

Mitglied
kann ich bestens verstehen,lieber Gerhard.........da sind ne Menge schöne Wortschöpfungen enthalten,die es zu pflegen und zu hegen gilt.......wenn Du Dich zu einer Verdichtung entschließt, solltest Du Deine lyrischen Auswechselspieler in eine neue Mannschaft stecken........es wäre zu schade, wenn die in der Versenkung verschwänden........
LG revilo
 

revilo

Mitglied
ich mach mal einen schüchternen Versuch:

Unersättlich meine Gier
nach Nachschub
wenn ich Dich poliere
und Dir das Licht abschraube

Ich bin die Herrin
und du der Knecht
mein ist die Macht
dir die Sonne zu verdunkeln
und dich im Zwielicht verwelken zu sehen

Ich zieh die Farben
aus dem Alltag
und klaue dir den Klang
aus deiner Melodie

nachts bist du wach
und musst im Dunkeln zählen
ich bin so klebrig
und sinnlose Geschichte

ich verdrecke dir
das Lachen
und kasteie
deinen Atem
dein Antrieb
gehört mir

ist das
ein Mord
auf Raten
oder gebührt
der Freispruch mir?

LG revilo
 

Thylda

Mitglied
Ne, Revilo, tut mir leid, so ist es absolut leblos und furchtbar. Der Text ist schon gut so, wie er ist, obwohl ich sonst auch eher Kurzes bevorzuge ;)

b.u.v.

Liebe Grüße
Thylda
 
ist das
ein Mord
auf Raten
oder gebührt
der Freispruch mir?
Beides, revilo.

Herzlichen Dank für deinen schüchternen Vorschlag und deine freundlliche Bewertung. Obwohl mich der Gedanke der Verdichtung noch immer sehr reizt, möchte ich den Text zunächst so lassen, wie er jetzt ist. Denn ich kenne/kannte sie beide sehr gut - die nicht verurteilte Täterin und ihr Opfer, meine Freundin. Sie war Ärztin und hat schließlich keinen anderen Ausweg mehr gesehen, als Sterbehilfe zu leisten. Die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen gegen (?) sie (!) ein, kam dann aber zu dem Schluss, dass sie aus freien Stücken gehandelt hatte, als sie sich ihr unglückliches Leben nahm. Sie unt/erlag ihren lebenslangen Depressionen, die wieder einmal ungestraft davon kamen, personifiziert man sie als Täterin. Mich hat in den letzten Jahren, in den letzten Monaten und ganz besonders nach ihrem Tod eine unbändige und hilflose Wut erfasst, weil ich mitansehen musste, wie sehr diese Depressionen meiner Freundin nach und nach essentielle Teile ihres Lebens genommen hatten, bevor sie schließlich dieser Folter ein Ende gesetzt hat.

Es tut unendlich weh, nicht geholfen haben zu können.
 
A

AchterZwerg

Gast
Hallo Baki,
ein großArtiges Gedicht, das ich jetzt zum ersten Mal lese.
Du hast das Wesen der Depression zutreffend herausgearbeitet, der Krankheit eine Persönlichkeit gegeben. -
Derlei gibt es selten zu lesen.
Herzliche Grüße
Heidrun
 
Liebe Heidrun,

oft genug wünschte ich, die Bekanntschaft dieser Persönlichkeit nicht gemacht zu haben; es gibt weitaus sympathischere Weggefährten. Auf der anderen Seite hat es mir sehr geholfen, sie zu personifizieren. Ein Feind mit Gesicht lässt sich leichter bewältigen als ein undefinierbares, gestaltloses Gespenst.

Für dein wohlwollendes Feedback danke ich dir herzlich.

Baki
 



 
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