Freudenmädchen Elfriede

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Andi

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Freudenmädchen Elfriede
Elfriede arbeitete als Freudenmädchen beim Militär. Anfangs hatte sie ihre Dienste freiberuflich angeboten. Unter der Laterne vor der Kaserne hatte sie offenherzig ihre Reize ausgestellt, die durchaus nicht verschmäht worden waren. Als eine Gesetzesänderung auch Frauen den Dienst im Heer ermöglichte, setzte Elfriede, da sie über ausgezeichnete Beziehungen zu den höchsten Generälen verfügte, eine Festanstellung als Soldatin mit Beamtenstatus für sich durch. Es ging ihr allerdings im Gegensatz zu ihren feministischen Geschlechtsgenossinnen nicht darum, wie die Männer an der Front massakriert werden zu dürfen. Sie kämpfte lieber mit den Waffen einer Frau und ließ sich daher für den Bereich ‚Strategien der psychologischen Kriegsführung’ rekrutieren als Spezialistin für moralische Aufrüstung. Mit Hingabe erfüllte sie ihre vaterländische Pflicht. Soldatische Tugenden wie Disziplin, Ordnung und Pünktlichkeit entsprachen ihrem Wesen. Auch bedingungsloser Gehorsam war ganz nach ihrem Geschmack, denn sie kommandierte für ihr Leben gern, besonders Männer. Hatten die Soldaten Ausgang, hatten sie bei Elfriede Eingang. Zwei Tage vorher mussten sie sich in einen rigorosen Zeitplan eintragen. Genau eine halbe Stunde widmete sich Elfriede jedem wackeren Vaterlandsverteidiger, wobei sie sehr auf Zucht und Sauberkeit hielt. Frisch gewaschen, rasiert, desinfiziert und entkleidet mussten die Männer im Flur vor Elfriedes Stube auf den Einsatzbefehl warten. Elfriede bestand darauf, dass die Soldaten ihre Kopfbedeckung aufbehielten, denn an der Zahl der Goldenen Streifen oder Sterne auf den Schiffchen oder Schirmmützen konnte sie den Dienstgrad erkennen und einen jeden mit dem ihm gebührenden Titel ansprechen. Nichts lag ihr ferner als Ausdrücke wie ‚Schätzchen’ oder ‚Süßer’, die unter ihren zivilen Kolleginnen üblich waren. Sie schrie also: „Gefreiter Schweineböck, antreten zum Geschlechtsverkehr! Vorwärts, marsch!“ Aber erst wenn Elfriede „Attacke!“ gebrüllt hatte, durfte der Gefreite Schweineböck zu Sache kommen. Jüngeren Soldaten, die gegen ihren Willen zum Wehrdienst eingezogen worden waren, ging der Kommandoton von Elfriede gelegentlich auf die Nerven. Sie wurden ohnehin von morgens bis abends herumkommandiert, in ihrer Freizeit hatten sie keine Lust dazu. Nach dem Schlüsselerlebnis mit der Soldatin scheuten manche für den Rest ihres Lebens eheliche Bindungen wie der Teufel das Weihwasser. Ältere Offiziere dagegen, die den ganzen Tag Befehle erteilten, genossen es, von Elfriede angeherrscht zu werden. Sie fühlten sich in ihre Jugend zurückversetzt, in der sie Befehlsempfänger gewesen waren.
Wer hätte jedoch vermutet, dass die pflichtbewusste Elfriede, der man bereits mehrere Verdienstkreuze und andere Auszeichnungen verliehen hatte, heimlich wehrzersetzende Gedanken hegte? „Wer gelernt hat, den kleinen Tod zu genießen, ist für den Heldentod nicht mehr zu gebrauchen!“ lautete ihr Glaubensbekenntnis und ihre Mottos waren: „Frieden durch Befriedigung“ sowie „Stell dir vor, es ist Krieg und alle liegen im Bett!“
Erst als ein privater Unternehmensberater den Auftrag bekam, die Schlagkraft von Elfriedes Truppe zu analysieren, stellte er anhand psychologischer Tests ein bedenklich unterentwickeltes Aggressionspotential im Vergleich zu anderen Truppen fest. Zu diesem Zeitpunkt aber war die friedliebende Elfriede längst unkündbar.
 



 
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