Frühling, noch ein Lied

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Tula

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Frühling, noch ein Lied

Als Gott, der laue Winde nordwärts trägt,
ist er am Morgen übers Land gekommen.
Der Spross, der sich seitdem im Innern regt,
hat seinen Ruf, noch halb betäubt, vernommen.

Jetzt wird er ungeduldig, keimt und drängt,
meint ICH sei's, der ihn in den Kerker sperrte.
Er ahnt, das Weiß, das in den Bäumen hängt,
ist nur der Auftakt roter Festkonzerte.

Ich halte ihn … umsonst, er bricht hervor
und bleibt sogleich an allen Düften kleben.
Er schaut mich an und lacht, weil ich ihm schwor,
es könne nie mehr einen Frühling geben.
 

wüstenrose

Mitglied
Hallo Tula,
gefällt mir sehr gut!
Insbesondere diese Passage ist anmutig-melodiös, ohne altbacken zu wirken:
[...] in den Kerker sperrte.
Er ahnt, das Weiß, das in den Bäumen hängt,
ist nur der Auftakt roter Festkonzerte.
Leider habe ich die Stellen mit dem "ICH / ich" nicht durchschaut. Ich könnte es mir so zusammenreimen, dass sich hinter diesem "ich" der Winter verbergen könnte - aber eher habe ich das Gefühl, dass mir hier die Zusammenhänge nicht klar geworden sind ??

lg wüstenrose
 

Tula

Mitglied
Hallo wüstenrose

Dank auch dir für deine Gedanken zum Gedicht. Du bist nah dran, d.h. der jahreszeitliche Wandel des Frühlungs wird hier in zwei Ebenen verdichtet. Die erste ist natürlich die Natur als solche, die zweite die seelische, der "Kampf zwischen Winter und Frühling" findet eben auch auf dieser ab. Da hast du das winterliche ICH, welches nicht mehr an ein neues "Erwachen" glauben wollte, und seinen lang unterdrückten Gegenspieler, der nun beweist, dass es sich wieder lohnt zu leben.

So in etwa. Noch ein Lied halt ... :)

LG
Tula
 



 
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