Frühlingsfarben

Woher die Blumen ihre Farben erhalten und
wie ein bunter Kinderring zu Glücksreif wurde

Das war wieder einer dieser Winter, die nicht enden wollen. Naßkalt war es,
nebelig und trostlos. Ich zwang mich, nach draußen zu gehen in der Hoffnung, dort etwas zu entdecken, was mich aufheitern würde. Schon hörte ich die ersten Vöglein zwitschern und mein Herz machte vor Freude einen Hüpfer. Doch irgend etwas wollte nicht stimmen. Ich schaute mich genau um, ging durch den
Garten und beäugte mißtrauisch meine Umgebung. Die Schneeglöckchen lugten vorsichtig aus der Erde, - weiß, aber nicht schneeweiß sondern irgendwie schmuddelig. „Die Krokusse", dachte ich spontan und eilte vor das Haus.
Was war das? - Kein Gelb, kein Violett, nur triste Grautöne in allen Variationen. Mir wurde ganz elend zu Mute. Was war denn bloß geschehen? Wo waren die leuchtenden Farben geblieben? So sehr ich mich auch bemühte, ich fand keine Antwort.

Hm... , vielleicht war es ja auch die falsche Frage. Vielleicht mußte sie ja lauten:
„Wo kommen die Farben überhaupt her?"
Doch wer hätte mir da weiter helfen können?

Wie ich so gedankenverloren durch den Garten schlenderte, hörte ich plötzlich im Birnbaum zwei Meisen miteinander plaudern: „Hast Du schon gehört, Felina ist ganz stark erkältet und will sich gar nicht wieder erholen", zwitscherte die eine.
„Das ist ja eine Katastrophe! Der Frühling klopft schon an die Tür und es gibt noch so viel zu tun", erwiderte die andere äußerst besorgt.
„Was mag denn das zu bedeuten haben?" grübelte ich so vor mich hin, als mich ein Rascheln im Laub aufschrecken ließ. Das war Felix, das Eichhörnchen. Ob ihn das laute Schilpen der beiden Vögel vorzeitig aus seinem Winterschlaf gerissen hatte? „Hallo Felix", tönte es aus dem Birnbaum. „Geht es Felina schon besser?" „Nein", jammerte Felix. „Sie hat es zwar schön warm in meinem Nest, doch all meine Wintervorräte sind aufgebraucht und ohne etwas nahrhaftes zu Essen, kommt sie nicht wieder zu Kräften. Ich weiß nicht mehr, wie ich ihr helfen kann. Die kleine Fee ist so schwach, daß sie unmöglich in der Lage ist, all die zauberhaften Farben zu mischen, mit denen dann die Blumenelfchen die Blüten jedes Jahr so hübsch anmalen. Was können wir nur unternehmen?"

„Ach so ist das", dachte ich da erstaunt und überlegte, ob ich mich in solch eine geheimnisvolle Angelegenheit wohl einmischen dürfe. Doch das soeben Erfahrene erschien mir von solcher Wichtigkeit, daß ich es auf einen Versuch ankommen lassen wollte. Felix und ich waren nun schon seit Jahren befreundet und ich wußte ganz genau, wie ich ihn für meine Idee einnehmen konnte. Bei ihm geht nämlich die Liebe durch den Magen. Also holte ich den Beutel mit den Nüssen, raschelte auffällig unauffällig mit der Tüte und da kam er auch schon neugierig angelaufen. „Grüß Dich Katekerle, magst Du eine Nuß?"
fragte ich ihn freundlich, während ich ihm auch schon meine Hand mit der Leckerei entgegenstreckte. Schnapp, weg war sie. Das war schon mal ein guter Anfang und nun wagte ich ein Gespräch mit ihm zu beginnen, während ich ihm ab und zu eine weitere Nuß reichte: „Mein lieber Eichkater, ich habe gerade Euere Unterhaltung mit angehört, gibt es eine Möglichkeit für mich, Felina zu helfen?"
Wie entrüstet schaute Felix mich da an. „Du, du, du Menschenweibchen, was willst du denn schon über diese Dinge wissen?" antwortete er mit einem überheblich frechen Funkeln in den Augen, warf mir noch einen verächtlichen Blick zu, bevor er, mich gänzlich ignorierend, von dannen lief.
„Männer sind doch alle gleich, egal welcher Gattung sie auch angehören mögen," dachte ich da so bei mir. „Aber na warte, mein lieber Freund. Wir werden ja sehen ..."

Rein zufällig vergaß ich die Tüte mit dem begehrten Inhalt auf der Terrasse, drapierte noch ein paar gesunde Kleinigkeiten und heilende Kräuter in deren Nähe, um mich dann erst mal für einige Stunden von meinem Garten zu verabschieden.
Als ich nach geraumer Zeit nachschauen ging, ob sich etwas an den hinterlassenen Gaben getan hatte, fand ich keine von ihnen mehr vor und kehrte schmunzelnd ins Haus zurück. Dieses Spielchen wiederholte ich noch einige Tage, bis ich wieder auf eine Unterhaltung zwischen den drei Tieren aufmerksam wurde.
„Wie geht es denn unserem Blumenfeelein inzwischen?" vernahm ich die besorgte Frage der fürsorglichen Meisendame. „Ach, sie ist schon wieder bei Kräften, aber vom langen Kranksein ist sie ganz melancholisch geworden und egal, welche Farbtöne sie auch zu mischen versucht, alles wird immer nur irgendwie grau, -hellgrau, dunkelgrau, grüngrau, blaugrau oder braungrau.
Es ist zum Verzweifeln," gab der sonst so fröhliche Felix da, aller Hoffnung auf Besserung beraubt, enttäuscht zur Antwort.

Auch mir schwand beim Zuhören der Mut. Es mußte schleunigst etwas geschehen, aber was? Ich begann eifrig damit, die Wohnung aufzuräumen, denn dabei habe ich oft die besten Ideen. Zuerst brachte ich die Kleidung zum Sortieren in den Wäschekeller, dann schüttelte ich die Betten auf und lüftete die Zimmer und als ich vor dem Staubwischen noch ein paar Kleinigkeiten wieder an Ort und Stelle räumen wollte, fiel mir ein kleiner bunter Plastikring auf. Ich hatte ihn als kleines Mädchen für einen Groschen aus einem Kaugummiautomaten gezogen und er war jahrelang mein ganzer Stolz, bis irgendwann jemand gesagt hatte, ich solle das kitschige Ding doch endlich in den Müll werfen. Seit dem hatte ich keine rechte Freude mehr an ihm, konnte mich aber auch nicht von ihm trennen. Nun mußte ihn wohl eins der Kinder aus meinem „Erinnerungsschatzkästchen" gemopst haben, da sie immer wieder von seiner Farbenvielfalt fasziniert waren.
Farbenvielfalt? Ja, das war´s!
Liebevoll drehte ich den Ring zwischen meinen Fingern, es hingen so viele Erinnerungen an meine Kindheit daran. Doch nun sollte er einem anderen Zweck dienen. Ich nahm ihn mit auf die Terrasse und plazierte ihn wie all die anderen Kleinigkeiten in den vergangenen Tagen neben das Tütchen mit den Nüssen.
Doch nichts geschah, - vorerst jedenfalls.

Am nächsten Morgen wurde ich von aufgeregtem Vogelgezwitscher geweckt und mitten drin quietschte mein Katekerle vor Vergnügen: „Das könnt ihr euch nicht vorstellen, also nein, das könnt ihr euch wirklich nicht vorstellen!"
„Na los, los, komm erzähl schon!" drängelte die neugierige Meisenlady.
Felix, inzwischen schon völlig außer Atem vor lauter Freude, setzte erneut zu einem munteren Redeschwall an: „Als Felina den in allen Regenbogenfarben schillernden Ring sah, entstand ein Leuchten und Glitzerfunkeln in ihren Augen, wie ich es nicht zu beschreiben vermag. Sie ließ ihn immer wieder durch ihre zarten Finger gleiten, drehte, wendete, erfühlte ihn, betrachtete ihn so, als wolle sie ihn ganz in sich aufnehmen. Dann streifte sie den Ring wie einen Armreif über ihr Handgelenk und begann unverzüglich mit dem Mischen der lieblichsten Frühlingsfarben. Sie ist nicht mehr zu bremsen und sprüht förmlich vor Farbenfreude. Wundert Euch nicht, wenn in diesem Jahr die Krokusse in Pink und Türkis erstrahlen. Dieser Ring ist ein wahrer Glücksreif!"

Mehr mußte ich nicht hören. Frohen Herzens machte ich mich wieder an die Arbeit und war schon sehr gespannt, wie die kleinen Elfenmalerinnen meinen Garten verzaubern würden.


zwinkernd Gänseblümchen
 

Fee

Mitglied
Liebes Gänseblümchen,

kann es kaum erwarten, bis Felina endlich in meinem Garten Einzug hält.
Entzückende Geschichte!

Es grüßt die Frühlingshungrige
Fee :)
 
Liebes Feelein,

Gerade habe ich Felix erwischt und ihn gebeten, Felina samt ihren Farbelfchen mal bei Dir vorbei zu schicken. Ich hoffe, der Schlingel richtet es ihr aus. Dafür, was die nette Bande allerdings in Deinem Garten so verzapft, übernehme ich keine Verantwortung. *schmunzel*


Mit farb-flockigen Frühlingsgrüßen
einem lieben Dankeschön
und einen Ladung Kaminholz

zwinkernd
Gänseblümchen
 



 
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