Für Madeleine

4,40 Stern(e) 5 Bewertungen

Vera-Lena

Mitglied
Für Madeleine

Madeleine,
mein kleiner blinder Engel,
du breitest die Arme aus
und fühlst das Sonnenlicht
auf deiner Haut,
auf das Gezwitscher der Amsel
lauschst du,
kennst das
Keckern der Elster.

Im Nachbargarten
zerplatzt ein Luftballon,
dein Körperchen
verbiegt sich
im Schrecken.

Wieder lauschst du,
ich kann nicht hören,
was du hörst,
aber dein entzücktes Lächeln
erzählt mir
von schönen Klängen.

Du stürzt dich in
in meine Arme.
Ich schließe die Augen.
Wir fühlen einander,
blind vor Liebe.
 
G

Gelöschtes Mitglied 7299

Gast
Hallo Vera-Lena,

sehr einfühlsam geschrieben.

In der letzten Zeile könntest Du, meiner Meinung nach, "blind vor Liebe" weglassen. Denn es hat, wenn ich es lese, einen gewissen negativen Aspekt.

liebe Grüße
von
Thomas
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Thomas,

danke für Deine Rückmeldung!

Ich sehe es genau umgekehrt: Normalerweise benutzt man diese Redewendung, um zu bezeichen, dass jemand die Fehler eines Menschen, weil er gerade in ihn "verliebt" ist, nicht sehen möchte.

Hier aber, schließt die Schreiberin dieses Textes die Augen, so wie Du sicher auch die Augen schließt, wenn Deine Freundin Dich küsst, überwältigt von deinen Empfindungen,und dann könnte man auch sagen, ihr Beide seid in diesem Augenblick blind vor Liebe, blind nämlich für alles, was Euch sonst noch umgibt.

Ich aber wollte sagen, dass in dieser Art von Blindheit die Schreiberin und das Kind auf derselben Stufe von "Sehen" stehen, dass sie beide etwas ganz Normales erleben können, und dass das blinde Kind in so einem Augenblick gar nichts Anderes erlebt als ein sehendes Kind.

Ganz liebe Grüße von Vera-Lena
 
P

Papyrus

Gast
............................

Hallo

ich finds auch schön das gedicht,

kannst du mir aber erklären, warum Madeleine ein blinder Engel sei?


danke
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Papyrus,

ich verstehe nicht, was Du meinst.

Meinst Du, da wird von einem richtigen Engel gesprochen?

"Mein Engel" sagen ja oft Erwachsene zu Kindern. Es ist einfach ein Liebeswort, wie "mein Schatz". So ist das hier gemeint. Madeleine ist ein Kind. Und es ist fast blind.

Natürlich spricht der Erwachsene das Kind nicht mit "mein blinder Engel" an, sondern nur mit "mein Engel", aber still für sich denkt er sich das öfter "mein blinder Engel". Oft ist es ja so, dass Erwachsene ein behindertes Kind scheinbar mehr lieben, als ihre gesunden Kinder, aber in Wirklichkeit sind sie ihnen näher, weil sie von ihnen mehr gebraucht werden.

"Madeleine, mein blinder Engel" ist ein zärtlicher Gedanke, so wie "Magnus, mein kleiner Ritter" ein liebevoll stolzer Gedanke für einen gesunden Jungen wäre.

Liebe Grüße von Vera-Lena
 
P

Papyrus

Gast
oh

das hab ich nicht erkannt,

ich dachte es wäre ein liebesgedicht zwischen mann und frau,

aber jetzt wird mir alles klar
 
G

Gelöschtes Mitglied 7299

Gast
Liebe Vera-Lena,

es ist ein sehr sensibler Text.

Ich weiß auch, wie es von Dir gemeint ist.
Und ich denke dennoch, daß gerade die letzte Zeile ohne das blind vor Liebe vom Sinn/Verstehen her tiefer wirkt, wenn Du es weglassen würdest.
Das Madeleine blind ist, schreibst Du schon in Strophe 1- genauso wie Du sehend ihre Welt entdeckst.

Auf alle Fälle gefällt mir Dein Tagebucheintrag.

herzlich
Thomas
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Thomas,

der einzige Kompromiss, der mir einfiele, wäre "hellsichtig"
vor Liebe. Aber ich wollte ja unbedingt auf das "blind" wieder zurückkkommen, weil die Schreiberin mit ihren geschlossenen Augen jetzt ja auch blind ist.

Ich finde es gut, dass Du so hartnäckig bist. Ich möchte aber noch abwarten, ob andere Leser mir auch noch einen Tipp geben.

Danke für Dein lebhaftes Intersse an diesem Text!

Liebe Grüße von Vera-Lena
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Papyrus,

so etwas passiert jedem von uns einmal, man hat anfangs irgendwie auf den falschen Knopf gedrückt, und alles scheint doch zusammen zu passen.

Wenn ich es jetzt unter Deinem Gesichtspunkt lese, dann finde ich es auch überzeugend. Man braucht nur das "blind" in der ersten Zeile wegzulassen und schon kann es ein Liebesgedicht eines Mannes an seine Geliebte sein.

Da bin ich jetzt ganz erstaunt.

Danke für Deinen interessanten Beitrag.

Liebe Grüße von Vera-Lena
 
L

label

Gast
Liebe Vera Lena

meiner Meinung nach ist es perfekt so wie es ist
GERADE WEIL die Textschreiberin "erblindet" und sich so in die Welt des Kindes begibt.

Papyrus, wegen des Verses
[blue] Im Nachbargarten
zerplatzt ein Luftballon,
dein Körperchen
verbiegt sich
im Schrecken[/blue]
wäre ich nie auf einen Erwachsenen gekommen. Das ist die Sprache eines besorgten behütenden Erwachsenen für ein Kind.

Sehr einfühlsam und zart - dein Gedicht, Vera Lena,
Einfühlsamkeit ist ohnehin deine Stärke
denkt
lieb grüßend label
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe label,

danke für Deinen freundlichen Kommentar.

Ich freue mich auch dass Du das "blind vor Liebe " so sehen kannst, wie ich es meine.

Dir liebe Grüße von Vera-Lena
 



 
Oben Unten