Gebet.t.et

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Walther

Mitglied
Gebet.t.et
- vier Carlos liepstes Faisenkint -

Den lieben Gott, den traf ich erst heut morgen.
Angstschweißgebadet lag ich grad im Bett.
„Es wäre schön, wenn ich jetzt Hoffnung hätt’.
Hey, sag, vielleicht kannst Du mir welche borgen?“

„Hätt’st Du's verdient?“ Er lächelte kokett.
„Wenn ich’s bedenk’, ich könnt’ sie Dir besorgen!
Sie liegt ja sowieso in Dir verborgen,
Du musst nur in Dich gehn. Sei doch so nett,

Und schick, anstatt es einfach wegzukramen,
Von dem, was Du da findest, mir ein Stück,
Dass ich’s verschenk’. Den Rest behalte. Amen.“

Ich blieb allein mit mir beschämt zurück.
Wie die, die ihn bei seinen Worten nahmen,
Hab ich geb.r.uddelt und: Ich fand’s, das Glück.
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Walther,

das ist Dir gut gelungen. Mir gefällt die saloppe Sprache, die Du bis zum Schluss durchhältst. Auch das Teilen gefältt mir, das Du dann im b.r.uddeln also ausbuddeln und dann brüderlich teilen noch einmal wiederholst.
Vieles könnte viel einfacher sein, als wir glauben, wenn wir nur mehr guten Willens wären.

Bei Jokob Lorber."Das große Johannesevangelium" gibt es eine Stelle an die mich Dein Text jetzt erinnert hat:
Ein kleines Fischerboot ist in Seenot geraten. Die Menschen stehen am Ufer und beten. Jesus kommt dazu. Er ist sehr erzürnt und rät den Menschen, doch zuerst einmal das zu tun, was in ihrer eigenen Macht steht und dem Fischer zu Hilfe zu eilen, anstatt alles auf den lieben Gott abzuwälzen.

Weil ich von dem Inhalt so beeindruckt war, habe ich noch nicht einmal gesehen, dass dies hier wieder ein Sonett von Dir ist.

Ja, es gefällt mir sehr.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Walther

Mitglied
Liebe Vera-Lena,

warum haben es so einfache Wahrheiten so schwer? Warum haben es solche Gedichte so schwer? Weil sie von Glauben und simplen Wahrheiten erzählen?

Eigentlich habe ich ja vier Sonette geschrieben und nicht eines. Kaspar Grimm hat einige Texte über Arno Schmidt veröffentlicht (muß nicht hier sein, aber er hat, und ich lese sie mit Schmunzeln). Von ihm, dem Arno Schmidt, habe ich das mit den dreidimensionalen Texten "geklaut" und hier wieder einmal angewandt.

Das die erste Bedeutungsmatrix liegt schon im Titel mit

* gebetet und
* gebettet

Für die zweite habe ich die alten ehrwürdigen Verben:

* "buddeln" ist ein - eher kindliches, weniger zielgerichtetes - "graben"

* "bruddeln" ist ein - eher derbes, halblautes, in der Bart - "schimpfen"

ausgegraben und mit einander verwoben.

Diese beiden Verben schienen das auf sich zurückverwiesene LyrIch am besten stimmungsseitig zu beschreiben.

So entstehen 4 Dimensionen desselben Texts. Das sind die offentsichtlichen.

Nun habe ich nochmals eine doppelte Bedeutung in den Text geschmuggelt, die an anderer Stelle entdeckt wurde, aber nicht ihre Sprengkraft für die Glaubensgebäude. Ich bin gespannt, ob hier überhaupt eine/r draufkommt.

Danke, vielmals für Deinen Eintrag. Ich dachte schon, das geht in der Lupe unter, weil man hier für so etwas eher weniger übrig hat, habe ich bisher erfahren.

Man kann den Glauben auch mit einem gewissen verständnisinnigen Schmunzeln versehen. Das macht ihn sehr viel menschlicher. Und auch leichter erträglich. Am besten kommt Bedeutungsschwangeres sowieso im Kleid der Leichtigkeit daher. Dann rutscht es besser.

Wie heißt es so schön? Glauben heißt nicht wissen. Aber wer schon nichts weiß, dem hülfe vielleicht manchmal ein wenig Glaube und ein wenig Hoffnung weiter. Letztere ist aber ohne ersteren leider nicht verfügbar.

Lieber Gruß

W.
 
H

Heidrun D.

Gast
Wohl wahr, fei schee!

Vreni hat ja schon alles erklärt ;), deshalb brauche ich nur zu lobpreisen, und das mache ich mit Freude.

Mittlerweile empfinde ich fast ein leichtes Gefühl von Dankbarkeit einem guten Text gegenüber, dem man anmerkt, dass (auch) Intelligenz & Arbeit dahinterstehen.

Liebe Grüße
Heidrun
 

Walther

Mitglied
Hallo Heidrun,

manchmal denkt man(n) sogar (nach). :)

Danke für Deine lobende Erwähnung. Schee bee i zwar ed, abr selda dadefier. ;)

Grüße

W.
 

Vera-Lena

Mitglied
Ach, eins habe ich noch vergessen, ich finde es wirklich witzig, dass auch Gott selbst "Amen" sagt.

Ja, Texte mit religiösem Inhalt sind nicht so beliebt, aber ich glaube das liegt hauptsächlich daran, dass die Leser sich bei religiösen Inhalten nicht gut auskennen. Und dann befürchten sie vielleicht auch, dass man missionieren möchte, was ja nun ganz und gar nicht der Fall ist. Es ist doch eher wie bei Liebesgedichten: Wem das Herz voll ist, dem läuft der Mund über.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

revilo

Mitglied
Hallo Walther, ich habe mir angwöhnt, Deine Gedichte leise vorzulesen. Erste Feststellung: Es klingt und swingt! Der Inhalt korrespondiert mit dem mit dem Gefühl.Zuerst war ich heiter und dann sehr nachdenklich.Zweite Feststellung: Das Glück und den Glauben muß man sich verdienen. LG revilo
 

Walther

Mitglied
Hallo Vera-Lena,

in der Tat sagt Gott hier "Amen", weil er alles gesagt hat, was zu sagen war. :)

Missionieren kann nur durch Tun, weniger durch Reden. Zum Reden gehört die Lyrik. Dies Gedicht ist die Anmerkung zu einem verbreiteten Irrtum, nämlich dem, man könnte seinen Gott irgendwie zum Handeln bringen. Wenn er handelt, entscheidet er das. Sonst aber haben wir zu handeln. Und auch zu verantworten, was wir tun, jenseits der Erlösung.

Bester Gruß W.

Danke,

lb. Oliver,

Lob tut immer gut, vor allem das aus so profundem Munde.

LG W.
 

MarenS

Mitglied
Ich finde diesen Gott klasse, der kokett lächelt und das Jammertal im Bett leicht ironisch darauf hinweist, man möge ein wenig Ordnung halten, das Erbetene sei nur zugemüllt und nebenbei, falls man fündig würde, solle man doch bitte an ihn etwas abgeben damit er dies (an wirklich Bedürftige) verschenken könne.

Grüße von Maren
 
L

label

Gast
Hallo Walther

entgegen meiner Absicht irgendwelche Kommentare zu deinen Werken zu geben, kann ich nicht umhin, dir zu sagen dass mir dieses im besonderen Maße gefällt.
Dir ist gelungen einen solch lebendigen Text in die strenge Form des Sonnets zu bringen, ohne dass der Inhalt erstarrt.
Inhalt, Klang und Form - perfekt.
Aus meinem Blickwinkel eine deiner Meisterleistungen.

label
 

Walther

Mitglied
Hallo Maren,

Dein Lob schmeichelt besonders, da es nicht leicht ist, Dich zu überzeugen. Vielen Dank für diesen Eintrag.

Bester Gruß W.

Hi Carlo,

ich dachte, das würde zu Deinem Werk passen, ohne es jedoch zu erreichen. Dein Teil ist einfach zu grandios krass cool. Ehrlich.

Es war mir ein Vergnügen, diesen Sonettversuch Dir zu widmen.

Grüße W.

Hallo Label,

danke für Deine lobenden Worte. Da ich keine Meisterwerke schreibe sondern allenfalls Gelegenheitsdichtung, bleibe ich, egal, was gesagt wird, mit Bodenhaftung versehen. Der HERR helfe mir, daß dies so bleiben möge.

Gegen eine 10 in der Wertung hätte aber selbst er wohl nichts einzuwenden. :D

Gruß W.

PS.: Au, hörmal, so rasch mußtest Du mir aber nicht ins Hirn fetzen. Ist ja schon gut, ich denke das nächste Mal dran und nehme den Mund nicht nur mehr so voll. Jaja, ist ja gut, Chef, ehrlich, ich denk dran, ja, ich krieg mich wieder ein.

PPS.: Kurzes Zitat aus der Rückkopplung mit der oberen Etage. :D
 

chrissieanne

Mitglied
das ist ein charmanter seitenhieb ans ewige jammertal der eigentlich glücksgesegneten.

oder eine nervige lebensweisheit keck verpackt.

sehr gern gelesen.

chrissieanne
 



 
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