Gedanken zur Jugend

nemo

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Mc Donalds in Barmen, Wuppertal.
Gesättigt, zumindest für die nächste Stunde, und froh über die Tatsache, Fritten frisch aus der Friteuse ergattert zu haben, drängele ich mich, nach meinem persönlichen Abendmahl, zum Ausgang. Dort wird mir der Weg von einigen Vertretern der Buffalo Generation versperrt. Fettige Mittelscheitelfrisuren in Glanzhosen reden mit magersüchtigen Britney Spears Klone. Unterhaltungsfetzen treffen mich und verletzen mein Sprachverständiß. Da wird das Wort Fett (fett <Adj.; -er, am -esten> dick, sehr beleibt) als Interpunktion benutzt und „Alter“ ('Al·ter <n. 13; unz.> Zeitdauer, die seit der Entstehung eines Lebewesens verstrichen ist; Lebenszeit, Zeit des Bestehens eines Gegenstandes (z.B. eines Kunstwerkes); der spätere Teil des Lebens, Lebensabend ) beendet jeden Satz.
Ich erahne ein Medienverseuchtes Weltbild und Hornhaut an den Fingern.
Ich ziehe meine Chicago Bulls Kappe tiefer ins Gesicht und trete in den Regen.
Niederschlag ist für uns Wuppertaler leider nichts ungewohntes.
Manchmal wundert es ich mich, daß mir noch keine Schwimmhäute oder Kiemen gewachsen sind.
Es müßte der nächste logische Schritt der Evolution sein.
Das Gemüt der Eingeborenen, ist wie der Himmel, Grau in Grau. Die Wuppertaler als fröhliches Volk zu bezeichnen, wäre als würde man behaupten, die Deutsche Nationalmannschaft würde attraktiven Fußball spielen.
Ich schlendere zum Busbahnhof und ertrage die Nässe mit Würde und Coolness, und das, obwohl durch ein Loch in meiner Schuhsohle Wasser dringt, und meine Socke sich langsam aber sicher vollsaugt. Ich stelle mich unter die überdachte Haltestelle und bewundere ein Plakat auf dem Salma Hayek im Bikini abgebildet ist. Ich denke an Sommer, Sonne, Geschlechtsverkehr und überhöhte Textilpreise in der Frauenmode. Ich lasse den Blick schweifen und entdecke einen Typen mit langen schmierigen Haaren und einer Kutte, vollgepflastert mit Aufnähern verschiedener Metalbands.
Ich fühle mich in die Zeit zurückversetzt, als ich noch Hart war und Bands mit Namen wie Tankard, Anthrax oder Helloween für die wichtigsten Musiker des zwanzigsten Jahrhunderts hielt.
Auch ich hatte, zum Leidwesen meines Vaters, meine teure Levis Jeansjacke als Aushängeschild meines Musikgeschmacks gemacht, allerdings scheiterte der Versuch mir lange Haare wachsen zu lassen, an meiner fehlenden Geduld. Es gab immer einen Punkt an dem meine Frisur dermaßen beschissen aussah (ich habe mehr Wirbel auf dem Kopf, als ein Esel am Arsch), daß ich mich nicht mehr auf die Straße traute. Also ging ich einen Kompromiß ein und ließ mir von einem Freund die Schläfen rasieren. Mein Vater war von mir wirklich einiges gewohnt, aber meine neue Frisur machte ihn sprachlos. Ich nutzte diesen Augenblick der Verwirrung und verzog mich auf mein Zimmer.
Ich war damals 15 und nutzte natürlich jede Gelegenheit, meinem Vater zu zeigen, daß ich nicht werde wollte wie er. Als ich mir mit Sechzehn mein erstes Ohrloch schießen ließ, ich hatte zu Hochzeiten neun Stück, fragte mein Vater mich entnervt ob ich jetzt Schwul geworden sei.
Die Tätowierung die mir im Rauschzustand auf den Rücken machen ließ, zeigte ich Ihm erst als ich schon mehr als ein Jahr nicht mehr zu Hause Wohnte.
Solange du deine Füße unter meinem Tisch hast...
Ich mußte aber erstaunlicherweise feststellen, daß mein Vater sich daran hielt.
Sobald ich ausgezogen war, kam von Ihm nie mehr als ein leises Knurren als ich abwechselnd mit Blonden, Roten und Grünen Haaren nach Hause kam, und meine Ohren so löchrig waren wie ein Schweizer Käse.
Aber solange meine Füße unter seinem Tisch waren...ja damals gab es nichts zu lachen.
Ende der Achtziger, Anfang Neunziger wurden Jeanshosen mit Löcher modern, so modern, daß manche Leute sogar mehr bezahlten um Levis mit perfekt designten Löchern zu ergattern.
Da mein Vater mir schon von früh an, jegliches Markenbewußtsein, durch eine Art väterliche Gehirnwäsche, ausgetrieben hatte, war ich gar nicht erst auf die Idee gekommen mir so etwas käuflich zu erwerben sondern legte gleich selber Hand an und schuf meine eigene Jeans Kreationen.
Als mein Vater mich dann so erblickte, mit meinen dreckigen Converse, einem „No Chemical Invasion“ T-Shirt von Tankard und einer eigens hergestellten Designer Jeans, lief erst sein Kopf rot an und dann fing er an zu brüllen.
Von da an landeten alle Jeans, die auch nur annähernd ein Loch hatten, in den Müll.
Ich schlich dann des Nachts in den Keller, holte die Hosen aus der Tonne, wusch sie mit der Hand, trocknete sie mit einem Fön und versteckte sie dann in meinem Bettkasten zwischen zwei Bettlaken.
Ging ich dann aus, nahm ich ein Exemplar mit in meinem Rucksack und zog mich in einem kleinen Waldstück in der nähe unseres Hauses um.
Der Bus kommt und ich steige ein. Ich setze mich in die letzte Reihe und beobachte eine Ladung pubertierender Vollspacken die vor mir Platz nehmen.
Ich frage mich ob ich damals genauso Hirntod war.
Ich brauche eigentlich nicht lange zu überlegen und komme zum Ergebnis, daß es wohl so gewesen sein muß.
Es war die Zeit als fett noch geil und krass, cool war.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
jaja,

die jugend! was hab ich mich aufgeregt, als damals das wort "geil" zum guten ton der teenys gehörte! ich hab nie begriffenm, daß es nur ein anderes wort für "dufte" oder "knorke" war . . . eliminiere die fehler, und die geschichte ist prima (oder geil, wenn du so willst). ganz lieb grüßt
 



 
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