Gefangen

MaxiWolf

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Gefangen




Dunkelheit; Finsternis; Hoffnungslosigkeit; Einsamkeit; Unwissenheit. Wo bin ich hier?
Ich versuche aufzustehen. Meine Arme und Beine, alles tut weh, ich plumpse auf meinen Po. Verwirrung. Wieso sehe ich nichts? Ich will auf meine Augen fassen, schauen was los ist. Doch ich kann es nicht. Mein Kopf tut weh. Der gleiche Versuch erneut. Ein Widerstand hindert mich daran meine Hand auf meinen Kopf zu legen.
Ich ruhe mich einige Zeit aus. Mit der Zeit wird alles klarer.
Ich sehe nichts, weil etwas über meine Augen gebunden ist. Meine Hände liegen über meinem Kopf in Ketten. Genauso meine Füße. Die Wand, an die ich meinen zitternden Körper presse besteht aus kaltem Stein.
Was ist los? Wie komm ich hierher? Was ist das letzte, an das ich mich erinnere?
Ich kam gerade nach Hause. Im Fernseher lief ‚Schlaflos in Seattle’, es ist mein Lieblingsfilm. Außerdem war es Nacht und jetzt ist Tag. Das höre ich an den Vögeln, die in meiner Nähe ein Lied trällern.
Normalerweise wäre es schön für mich, die Vögel zwitschern zu hören. Es wäre beruhigend und inspirierend. Ich würde gerade auf einer Mauer meines Schlosses sitzen und dichten, doch diese Situation ist mehr als beängstigend.
Noch quälender ist die Tatsache, dass die Freiheit so nah ist. Ein leichter Sommerwind weht den Geruch von Blumen in mein kaltes, nasses Gefängnis. Tränen steigen in meine Augen, wenn ich daran denke, wie nah die Freiheit scheint.
Ich versuche mich zusammenzureisen, zu überlegen, wie ich in diese Situation gekommen bin.
Ich sah in meiner Wohnung fern, als ich plötzlich Schritte auf mich zukommen hörte. Als ich mich umdrehte, um zu schauen, wer in meiner Wohnung war, spürte ich einen Schlag auf meinem Kopf. An mehr kann ich mich nicht erinnern.
Irgendjemand muss in mein Apartment eingedrungen sein, mich niedergeschlagen haben und dann muss er mich hierher gebracht haben. Doch wer konnte das gewesen sein und wo bin ich?
Ich versuche zu entspannen und nachzudenken. Doch wie kann einem das gelingen, wenn man an einem unbekannten Ort gefangen ist.
Dazu kommt noch die Frage nach dem Wieso.
Ich habe keine Feinde. Es gibt niemanden, der mir etwas Böses will. Ich bin immer sehr gut zu anderen Menschen. Oder gibt es doch jemanden? Es muss ihn geben, sonst wäre ich nicht hier.
Nur fällt mir niemand ein.
Meine Familie ist auch nicht sonderlich reich. Mein Vater kümmert sich um ein altes Schloss, das irgendwann einmal meiner Familie gehörte. Er sieht es als seine Pflicht an. Und meine Mutter arbeitet dort als Kellnerin in der schlosseigenen Gaststätte. Ich selbst arbeite in einer Kanzlei als Anwältin. Hatte ich mir dort irgendwann Feinde gemacht? Mir fällt absolut niemand ein.
Ich beschließe herauszufinden, wo ich bin.
Auf zwei Sinne muss ich in dieser Lage verzichten, was besonders bei meinen Augen ein sehr großer Verlust ist. Aber ich habe noch meinen Tastsinn, meine Ohren sind unverdeckt und mein Geruchssinn würde mir sicher auch helfen.
Erst der Tastsinn. Ich lehne an einer kalten steinernen Wand. Das spüre ich durch mein dünnes Nachthemd. Die Steine sind groß und etwas rundlich. Es fröstelt mir. Wahrscheinlich befinde ich mich in einem alten Gemäuer. Hören tu ich nur das Gezwitscher der Vögel. Ich scheine gerade alleine zu sein. Mein zweiter Gedanke, wo Vögel sind, müssen auch Bäume und Wiese sein. Vielleicht befinde ich mich in einem Park. Dann müssten auch einige Leute an meinem Gefängnis vorbei kommen. Aber ich könnte genauso gut in einem Wald gefangen gehalten werden und die Rettung würde ausbleiben. Dann mein Geruchssinn. Die feuchte Luft meines Gefängnisses ist mit dem Geruch von Blumendüften durchzogen. Also ist das mit dem Park wahrscheinlicher, als der Wald.
Ich atme erleichtert auf. Vielleicht wird bald Rettung kommen. Vielleicht wird bald jemand kommen, der mich aus diesem Gefängnis befreit. Und vielleicht werde ich bald wieder auf der Mauer meines geliebten Schlosses sitzen, in den Tag hinein träumen und dichten.
Es heißt also nur warten. Warten und auf Rettung hoffen.
Doch wann wird diese Rettung kommen? Wird es Stunden oder gar Tage dauern? Oder nur einige Sekunden.
Letzteres war zutreffend. Kurze Zeit später höre ich einige klappernde Schritte. Es hört sich an, als wenn jemand mit Stöckelschuhen über Stein läuft. Dann höre ich sie.
„Wie herrlich“, staunt eine Frau. Sie bleibt stehen. Ihre Schritte und ihre Stimme, kommen mir so nah an meinem Ohr vor. Kann es sein, das sie genau neben meinem Gefängnis steht? Wäre es sogar möglich, dass sie mich sehen kann?
Hoffnung? Rettung? Flucht? Freiheit?
„Hilfe!“, dringt es aus meiner Kehle. Aber es ist eher ein erleichtertes Stöhnen, als ein Schrei der Angst. Viel zu leise, um an die Ohren der Frau gedrungen zu sein.
Erneut öffne ich meinen Mund. Ich öffne ihn, um zu schreien, um aus meinem Gefängnis zu entkommen. Doch ein harter Schlag auf meine Wange hindert mein Vorhaben. Meine ganze Wange schmerzt, meine Tränen benässen den Stoff auf meinen Augen.
„Halts Maul!“, höre ich eine männliche Stimme links an mein Ohr flüstern.
Mein Körper presst sich noch mehr an die Wand. Ich schließe meinen Mund wieder. Angst erfüllt mich. Ich habe Angst, dass er mir noch mehr tut, wenn ich ihm nicht gehorche.
Mein Wimmern ist bitterlich; er zeigt keine Reaktion darauf.
Kein Laut dringt von ihm. Ist er da oder doch nicht mehr.
„War da nicht eben was?“, höre ich die Frau sagen. Hat sie mich wirklich gehört? Ein erleichtertes stöhnen kommt von meinen Lippen. Aber im selben Augenblick bete ich, dass sie der Sache nachgehen würde.
„Nicht das ich wüsste“, kommt es von einer männlichen Stimme. Ich wünschte, dass nicht dieses Monster in der Nähe währe, ich wünschte ich könnte so laut schreien, wie ich wollte.
„Aber ich hab da doch was gehört“, sie bleibt bei ihrer Meinung.
„Ja klar“, ruft der Mann. In seiner Stimme klingt ein amüsierter Ton mit. Dann sagt er mit einem etwas flüsternder Stimme: „Vielleicht sind es ja die Geister.“
Sie lacht. Ihr Lachen trifft mich wie ein harter Schlag. Erneut steigen mir Tränen in die Augen. „Du hast sicher Recht“, gibt sie ihrem Freund nach.
Ich höre ihre Schritte auf den Steinen. Ich höre, wie das klacken ihrer Absätze immer leiser wird und irgendwann in der Ferne verstummt.
Meine Hoffnung war davon. Ich frage mich, wer hier nur sein krankes Spiel mit mir treibt.

Die nächsten Stunden die vergehen, höre ich noch ein paar Leute die an meinem Gefängnis vorbei kommen.
Ich höre spielende Kinder und genervte Eltern, alte Leute und frisch verliebte Pärchen, doch niemand scheint mich zu bemerken. Ein Mann machte seiner Freundin einen Heiratsantrag. Ich stelle mir die Frage, ob ich den Tag noch erlebe an dem mir so etwas passiert.
Eine unbändige Wut steigt in mir auf.
„Wer sind Sie?“, schreie ich. Keine Antwort. „Was wollen Sie von mir?“ Erneut keine Antwort. „Wo bin ich hier?“ Wieder keine Antwort. Fragen über Fragen, schießen aus meinem Mund. Auf die nie eine Antwort folgt. In den Raum, in dem ich mich befinde, ist eine Totenstille aus der keine Antwort kommt. Ist er noch da oder nicht?
Ich will mich ablenken. Hoffe auf Rettung, dass jemand mein Verschwinden bemerkt und die Polizei einschaltet. Aber das einzige, was mir durch den Kopf geht, ist die Frage, wer mir etwas Böses will. Aber mir fällt absolut niemand ein.
Und wie sollte er in meine Wohnung gelangt sein? Niemand außer meinem Vater hat einen Schlüssel zu meinem Apartment.
Meine Kehle ist trocken und ich wünsche mir etwas zu trinken, doch wird der Mann meine Bitte erfüllen, wenn ich sie äußere?
Ich versuche etwas. „Bitte“, dringt aus meiner Kehle. Kein laut. Ist er da oder nicht? Lohnt es sich meine Bitte weiter zu sprechen. Ich spreche weiter. „Bitte, kann ich etwas Wasser bekommen?“ Eine Reaktion folgt. Ich höre eine Tür, die auf geht und wieder zu. Ist er gerade gekommen oder gegangen?
„Gott, wo kann sie nur sein?“, höre ich eine mir nur zu bekannte Stimme. Die Stimme meines Vaters. Hoffnung steigt in mir auf und Angst. Die Hoffnung auf Rettung durch meinen Vater und die Angst vor einem erneuten Schlag von meinem Entführer.
„Ich kann es einfach nicht glauben“, ruft er. „Sie kann nicht einfach spurlos verschwinden.“ Ich höre die Verzweiflung in seiner Stimme.
„Sie wird sicher bei irgendwelchen Freunden sein“, höre ich eine zweite Stimme sagen. Auch diese Person ist mir sehr vertraut. Es ist der Gärtner, der sich um die Grünanlagen des Schlosses kümmert.
„Peter, du kennst meine Tochter zu schlecht“, behauptet mein Vater. „An einem so schönen Tag, ist sie meistens oben auf der Mauer und schreibt dort Gedichte. Und würde nicht einfach ihren alten Vater in Sorge versetzen.“
Ich will schreien und ihm sagen, dass ich hier bin. Aber die Angst packt mich und ich schweige vorerst. Nach kurzer Zeit fasse ich dann doch meinen Mut zusammen und öffne meinen Mund zum Schrei. Nur ist es mir nicht vergönnt zu schreien. Die Tür öffnet sich erneut, ich höre etwas scheppern und dann wird eine Hand auf meinen Mund gedrückt.
„Du dummes Weib“, flüstert er mir in mein Ohr. „Wenn du es nicht anders willst.“
Mit den Worten fährt er mit seiner Hand zu meinen Augen und entfernt mir das Tuch von meinen Augen und jetzt sehe ich das erste Mal das Gesicht meines Entführers. Und sofort wird mir klar, wie er in meine Wohnung gelangt ist.
Mit meinem eigenen Schlüssel.
Oder besser gesagt, einer Kopie davon.

Es war ein schöner Herbsttag. Wie immer saß ich auf der Mauer, des Schlosses und schrieb gerade an einem Gedicht. „Pass auf, dass du nicht plötzlich herunterfällst“, kam eine Stimme von Jemand, der hinter mir stand. Etwas in mir wollte sich nicht umdrehen. Aber alles wollen half nichts. So drehte ich mich doch zu ihm um. Ich spielte ihm ein Lächeln vor, als würde mich seine Sorge um mein Wohl rühren. „Der Weg nach unten ist auf dem längeren Weg doch etwas angenehmer“ Sein Lächeln jagte mir einen eiskalten Schauer über den Rücken.
„Ich hab auch nicht vor, mich hier runter zu stürzen“, rief ich ihm zu. „So verzweifelt bin ich noch nicht.“
Er lies seinen Besen auf den steinernen Boden sinken, um sich zu mir zu setzte. Unweigerlich erfasste mich das Bedürfnis, mich aus seiner Nähe zu entfernen. Doch ich wusste, dass es meist nicht lange dauerte, bis ihn mein oder sein Vater rügte und wieder an die Arbeit schickte.
„Wie war noch mal dein Name?“, fragte ich ihn.
Als er meine Worte hörte schien er ziemlich enttäuscht und verstand die Frage nicht recht. „Na Andre“, erinnerte er mich.
Andre genau, versuchte ich mir einzuprägen. Der Sohn des Gärtners heißt Andre.
Als ob er mir ein Fremder war. Er wohnte mit seinem Vater im Schloss. Andre kümmerte sich um einige Dinge, die anfielen. Er kehrte wie an diesem Tag im Schloss den Boden, führte hin und wieder Besucher durchs Schloss und diskutierte nächtelang mit meinem Vater, dass er ihn doch die ganzen Geräte im Keller herrichten lies. Was Andre immer meinte waren die Folterinstrumente, die er in einem eingemauerten Zimmer fand.
„Du magst mich nicht besonders“, vermutete er zu Recht.
„Ach wie kommst du denn darauf?“ Ich versuchte ihn davon zu überreden, dass er sich täuschte. Doch mit seiner Vermutung lag er gar nicht mal so daneben. Nur, wie konnte man einen jungen Mann sympathisch finden, der fast seine ganze Zeit im Keller eines alten Schlosses verbrachte. Obwohl Andre gar nicht mal so schlecht aussah.
„Sei doch ehrlich“, stöhnte er. Andre schien sehr enttäuscht. Ich verfluchte, dass er hier arbeiten musste. Es mochte sein, dass der Junge ganz gut aussah und nett war, aber etwas an ihm beunruhigte mich.
Er hatte schöne blaue Augen, sie waren mir als erstes an ihm ausgefallen aber auch wenn er lächelte war eine Kälte in ihnen, die mich ängstigte.
„Nein, echt nicht“, rief ich und machte mich daran Stift und Block, die ich für meine Dichterei benötigte, eilig in meinen Rucksack zu packen.
Er seufzte. Dann senkte Andre seinen Blick in die Tiefe zu den Wipfeln der Bäume, des kleinen Waldes, der an dieser Schlossseite lang führte, und dem kleinen Weg, auf dem gerade ein glückliches Paar Arm in Arm entlang ging. Er sah etwas traurig aus.
„Und wieso flüchtest du immer vor mir?“, verlangte er von mir zu erfahren.
„Ich doch nicht“, behauptete ich. Dabei hatte er so Recht.
Sobald Andre irgendwo auftauchte, suchte ich das Weite.
Wie jetzt auch.
Ich kramte in meiner Tasche nach meinem Schlüsselbund. An dem hatte ich die Schlüssel zu meiner Wohnung, wie ein paar vom Schloss und meinen Autoschlüssel. Doch in meiner Hektik viel er mir aus den Händen, die Schlossmauer hinunter. Genau in das Laub der Bäume die dort standen.
„Oh nein“, stöhnte ich. Es würde Stunden dauern ihn dort wieder zu finden.
„Keine Sorge“, rief Andre. „Ich find ihn schon.“ Er versuchte mich mit seinem Lächeln aufzumuntern. Dann stieg er von der Mauer und eilte davon.
Ich machte mich daran zu meiner Mutter zu gehen, wo ich wartete.
Am Abend brachte er mir dann meinen Schlüsselbund zurück.
Ich war sehr glücklich darüber. Aber auf seine Bitte, mich zu einem Essen einladen zu dürfen, antwortete ich mit einem Nein.

Es waren schon einige Monate seit diesem Tag vergangen. Aber ich erinnere mich noch immer an seine enttäuschte Mine, als ich auf seine einzige Bitte ein Nein äußerte.
Wäre alles anders gekommen, wenn ich mit ihm ausgegangen wäre, frage ich mich.
Andre knebelt mich mit dem Tuch. Dann schaut er stöhnend auf das kaputte Glas. Der Boden an der Stelle ist nass. Wasser, wie es aussah.
„Mein Vater bringt mich um, wenn er das sieht.“ Er schüttelt enttäuscht den Kopf.
Als ist das sein einziges Problem. Immerhin hält er mich als Gefangene im Schloss.
Ich schwor mir, dafür zu sorgen, dass er den Rest seines Lebens in so einem Gefängnis verrotten würde.
Wenn ich hier nur herauskäme.
Doch das ist einfacher gesagt, als getan.
Ich bin mit alten, eisernen Fesseln gefesselt. Die Fesseln an meinen Füßen sind mit einem eisernen Ring im steinernen Boden befestigt. Die Fesseln meiner Hände genauso in der Wand. Zu diesen Fesseln gibt es einen Schlüssel, aber den trägt Andre sicher bei sich. Mir muss es also irgendwie gelingen, dass er mich freiwillig frei lässt. Doch wie?
„Falls du denkst, irgendjemand würde dich hier finden“, ruft er mir zu. „Dann irrst du dich.“
Ich sehe ihn fragend an. Doch er antwortet mir schon freiwillig. „Ich habe alle Spuren in deiner Wohnung verwischt. Alles sauber gemacht.“ Er stoppt. Ich höre ihn selbstsicher lachen. Dann spricht er weiter. „Alles bis auf dein Blut.“
Andre schaut mich ernst an. „Deine Wunde hab ich verarztet. Sie ist nicht sehr groß. Um den Rest hab ich mich vorhin gekümmert. Ich habe deine Wohnung verwüstet und die Tür aufgebrochen.“ Er lächelt mich an. „Das stört dich doch sicher nicht?“
Ich kann nicht verstehen, wieso er dies tut. Wo er doch immer so nett zu mir war.
Tränen steigen in meine Augen.
„Sie werden sicher glauben, du wärst Opfer von Räubern geworden“, erklärt er mir. „Und die hätten dich irgendwo versenkt oder vergraben.“ Er schaut wieder auf das Glas. „Ich hol dir erstmal ein neues Glas Wasser. Also sei brav.“
Dann verließ er mich.
Ich beginne zu schluchzen. Was soll das alles? Was will er von mir? Ich hab doch nichts.
Der Raum, in dem ich gefangen gehalten werde, ist klein. Mir gegenüber steht ein Tisch. Ein alter, langer Holztisch. Vorne und hinten sind Rollen, mit Kurbeln. Erhellt wird der Raum von dem Schein der Sonne, das durch ein kleines Fenster fällt. Die Tür, durch die Andre verschwand, ist aus Holz gefertigt.
Es dauert nicht lange und Andre kehrt zurück.
Mit einem Glas Wasser, einem Stück roten Stoff, scheinbar etwas zum anziehen für mich, und Handfeger und Schaufel.
Andre legt alles auf den Tisch. Dann kommt er zu mir. Fast liebevoll liebkost seine Hand meine Wange. „Deine Schönheit, hat mich vom ersten Tag, an dem ich dich sah beeindruckt“, flüstert er an mein Ohr. Ein eiskalter Schauer läuft über meinen Rücken.
Dann entfernt er meinen Knebel.
Sanft streichen seine Finger über meine Lippen.
Ich will mich wehren, ihn büßen lassen für das, was er mir antut. Aber wer weiß, was er dann mit mir anstellt.
„Nicht schreien“, befielt er mir. „Oder es passiert das gleiche wie vorhin.“
Ich verstehe. Er würde mich wieder zum Schweigen bringen.
Dann geht er zu dem Tisch, um das Glas zu nehmen. Es ist gefüllt mit Wasser.
Wenigstens etwas, auf das ich mich freuen konnte. Meine Kehle ist ausgetrocknet. Ich habe seit der letzten Nacht nichts getrunken.
Er kommt zu mir, und gibt mir zu trinken. Hastig trinke ich Schluck um Schluck, um meinen Durst zu stillen.
Als das Glas leer ist, stellt Andre es zurück auf den Tisch. Dann kehrt er die Scherben zusammen. Handfeger und die mit den Scherben gefüllte Schaufel, stellt er unter den Tisch.
Nun wendet sich Andre dem Kleid zu.
Es ist ein rotes Abendkleid.
Andre hält es vor sich, um es mir zu zeigen. „Gefällt es dir?“, fragt er mich. „Ich hab es heute für dich gekauft. Hoffentlich passt es.“ Er legt es wieder zurück auf den Tisch. Dann nimmt er etwas anderes herunter.
Den Schlüssel.
Würde er jetzt eine Dummheit begehen?, frage ich mich.
Andre kommt zu mir, er erfasst eines meiner Handgelenke, um die rechte eiserne Fessel aufzuschließen. Blitzschnell versuche ich, den Schlüssel zu schnappen. Aber der fliegt im hohen Bogen an die Gegenüberliegende Wand.
„Mistkerl“, gehe ich ihn an. „Lass mich frei, oder ich schreie.“
Andre lacht. „Es hat keinen Sinn, das Schloss ist fast Menschenleer“, klärt er mich auf. „Dein Vater hat es geschlossen und allen gesagt, sie sollen nach Hause gehen. Er selbst ist mit deiner Mutter zur Polizei gegangen. Mein Vater fährt sie, weil beide wegen der Angst um dich unfähig dazu sind.“ Er sieht mich überlegen an. „Während alle frei haben, soll ich arbeiten. Das ist wohl meine gerechte Strafe.“
Sein höhnisches Lachen schmerzt mich sehr. Ich beginne wieder zu schluchzen.
„Sei brav und wehre dich nicht“, befiehlt er mir. „Wenn du es doch tust, dann mauer ich dich hier ein und lass dich verhungern.“
„Das würde meinem Vater auffallen“, entgegne ich ihm. Jetzt scheine ich die Oberhand zu haben.
Andre lacht weiter. „Er hat mir selbst die Aufgabe gegeben die Fenster zuzumachen. Einige Leute nutzen die offenen Fenster einfach zu häufig als geräumigen Mülleimer. Es würde ihm nicht auffallen.“
Ich ergebe mich in mein Schicksal. Es hat einfach keinen Sinn.
„OK“, schluchze ich. „Ich werde mich nicht wehren, aber bitte lass mich nicht verhungern.
Andres Hand streicht über meine Wange. „Du wirst toll aussehen in diesem Kleid“, ruft er. Dann eilt er zu dem Schlüssel, um meine linke Fessel zu lösen.
Meine Füße lässt er in Ketten.
Ich bin genauso hilflos wie vorher, nur kann ich jetzt auch aufstehen, wenn ich es wollte.
„Zieh dich aus! “, befiehlt Andre mir. Er reicht mir seine Hand, zum aufstehen.
Ich sehe ihn schockiert an, aber nach einem rügenden Blick von ihm gehorche ich.
Meine rechte Hand ergreift seine. Er hilft mir auf.
Dann ziehe ich mich aus.
Andres Blick liegt einige Minuten fasziniert auf meinem nackten Körper. Bis ich ihm mein Nachthemd vor die Füße werfe.
Er kniete sich nieder um es aufzuheben. Dann geht er zu dem Tisch, legte mein Nachthemd darauf und nimmt sich das rote Kleid, um es mir zu bringen.
Erneut gehorche ich ihm. Ich nehme das Kleid von ihm. Während ich es mir anziehe, setzt er sich auf den Tisch und betrachtet mich.
Sein Lächeln lässt mir erneut einen eisigen Schauer über den Rücken laufen.
Wann wird dieser Alptraum ein Ende haben?, frage ich mich. Wird er mich irgendwann töten, wenn er keinen Spaß mehr daran findet, mit mir sein krankes Spiel zu spielen?
Aber wenigstens will er mich nicht qualvoll verhungern oder verdursten lassen. Oder hat er es nur noch nicht vor?
Er verschwindet, während ich mich nach der Freiheit sehne.
Ich kann nicht all zu weit ans Fenster gehen, aber ich kann mir von meiner Position die Freiheit betrachten. Und der Anblick langt, dass ich wieder zu schluchzen beginne.
Als ich dann mein Essen gegessen habe, erfasst er meine Handgelenke, um mich wieder in Ketten zu legen.
„Wieso?“, frage ich ihn.
Aber Andre antwortet nicht. Er geht. Lässt mich alleine.
So schien es mir zu erst.
Doch er war nur gegangen, um Steine und Mörtel zu holen. Um mir das letzte zu nehmen, was mir ein Fünkchen Hoffnung gibt.
Vielleicht hat er Angst, dass mich irgendjemand in meinem Gefängnis entdecken könnte.
Aber wenigstens gönnt er mir den Schein von zwei Kerzen, die er auf den Tisch gestellt hatte.
Den restlichen Tag sehe ich ihn nicht mehr.
Andre ist nicht dumm. Er kann seine Aufgaben nicht einfach vernachlässigen. Es würde es auffallen, wenn der zuverlässige Andre plötzlich all seine Aufgaben vernachlässigt.
So vergeht der Tag, bis ich müde werde.
Ich schlafe ein.

„Andre!“, höre ich meinen Vater schreien.
Ich schlage die Augen auf. Andre sitzt auf dem Tisch. Er betrachtet mich. Neben ihm steht ein Krug mit Wasser und ein Teller mit Salat.
Mein Vater scheint uns ganz nah zu sein.
„Was will der Alte schon wieder?“, stöhnt er. Dann schaut er mich an, als würde er ahnen, was ich vorhabe.
Zu schreien.
Er hat mir den Knebel am letzten Tag nicht mehr um gemacht.
Andre steht auf. Er lächelt, während er langsam Schritt um Schritt zu mir kommt. Dann hockt er sich zu mir.
„Andre, du Nichtnutz, komm her!“, höre ich mein Vater brüllen.
„Ich komm gleich“, ruft Andre ihm zu, während er mir in die Augen schaut.
Seine Hände hat er hinter dem Rücken.
Was geht nur wieder in seinem kranken Kopf vor?, frage ich mich. Die Antwort kommt sofort.
In seiner rechten Hand hält er ein Messer, mit dessen glatten Seite er mir über die Wange streicht.
„Wenn du schreist, dann schlitze ich deinem liebsten Vater die Kehle auf“, warnt er mich. Sein Lächeln verlischt nicht.
Zur Demonstration fährt er mir langsam mit der Klinge über den Hals. Aber ohne mir einen Kratzer zu zufügen.
Sein Vorhaben gelingt. Ich zittere vor Angst.
Wie konnte mein Vater nur so einen Irren einstellen.
Dann verstaut er das Messer in seinen Stiefel. Um aufzustehen, und zu meinem Vater zu eilen.
Andre lässt die Tür einen Spalt breit auf. Damit ich höre, was sie sagen.
Ich weiß, dass mein Vater nur selten hier herunter kommt. Meist, wenn Andre etwas anstellte.
Ich hoffe, dass er hier rein kommt. Mich findet; mich befreit.
Zum anderen hoffe ich es nicht.
Wer weiß, ob Andre dann seine Drohung war macht.
„Was soll das“, verlangt mein Vater von Andre zu erfahren. „Wieso hast du die Fenster zu den Verliesen und den anderen unteren Geschossen zugemauert?“
Hat Andre doch nicht die Erlaubnis gehabt?, frage ich mich. Wird mein Vater misstrauisch werden.
„Aber du hast doch gesagt, ich soll das alles zu machen“, protestierte Andre.
„Zu machen, aber nicht alles zumauern“, stöhnt mein Vater. Aus seiner Stimme höre ich, dass er ziemlich fertig ist. Ich wünsche mir ihm sagen zu können, dass er vor meinem Entführer steht. Das Andre durchgedreht ist. Sogar bewaffnet ist.
Aber ich verkneife mir einen Ton. Ich habe Angst, dass dieser Irre ihm etwas antut.
„Ich wollte, dass zwar niemand mehr was in den Räume entsorgt“, erklärt mein Vater ihm. „Aber es sollte dennoch möglich sein, die Besucher bei Tageslicht durch die Räume zu führen.“
„Ach, dann hast du doch entschieden, dass mein Vorschlag ganz gut ist“, ist Andres Meinung.
Er ist ein guter Schauspieler. Während mein Vater vor ihm fast zu weinen beginnt, tut er so wie immer. Nur darauf bedacht, dass mein Vater eine seiner Ideen gutheißt.
„Nein“, antwortet mein Vater ihm. „Ich hab mit einem Museum geredet, die wollen uns die Folterinstrumente abkaufen.“
„Ist ja noch besser“, meint Andre fröhlich. Dann ändert er seinen Tonfall. „Es geht Sonja sicher gut“, meint Andre. Seine Stimme klingt mitfühlend.
„Wenn ich das Schwein erwische, dann bring ich ihn um“, knurrt mein Vater wütend.
„Was ist denn eigentlich passiert?“, erkundigt sich Andre. „Mein Vater hat nur gesagt, sie sei verschwunden.“ Als weiß er das nicht am besten. Auch in mir steigt eine unbändige Wut auf.
Wenn ich hier rauskomme, dann mache ich dich fertig, schwöre ich.
„Die Polizei meint, es sieht alles wie ein Einbruch aus“, erklärt mein Vater ihm.
„Sonja ist dem Einbrecher sicher entkommen“, meint Andre.
„Nein“, ruft mein Vater voller Trauer. „Sie haben Blut gefunden. Die Polizei untersucht es noch, aber sie meinen es könnte von meiner Tochter stammen.“ Er macht eine Pause. Dann beginnt er zu schluchzen.
„Es wird sicher alles gut.“ Andres Stimme hat immer noch den selbe mitfühlenden Ton wie vorhin.
Er tut so, als will er meinen Vater beistehen, ihm Trost spenden.
Und mein Vater scheint nicht zu glauben, dass der liebe Andre der ist, der ihm diesen ganzen Kummer bereitet. Das er mich entführt hat.
Während ich höre, wie Andre mit meinem Vater nach oben geht, beginne ich bitterlich zu weinen.
Ich ertrag das einfach nicht mehr. Wie kann Andre mich nur so quälen.
Dabei dachte ich immer, er würde mich mögen, sogar lieben.
Oder tat er das gerade deswegen?

Klick macht es, als Andre mir erst die eine, dann die andere eiserne Fessel abmacht.
Ich reibe mir die Stellen meiner Handgelenke, an denen ich eben noch gefesselt war.
Dann reicht mir Andre das Wasserglas. Den Schlüssel bewahrt Andre in seiner Hosentasche auf. Aber ich weiß, dass mir das weniger nützt.
Andre hat immer noch dieses Messer. Ich bezweifle, dass er es nicht benutzen wird, wenn ich mich versuchen würde zu befreien.
Meine Hand bewegt sich zu dem Glas.
Wenigstens ist es ein Trost, dass er sich damit begnügt mich leiden zu sehen. Aber wie lange wird das noch so bleiben?
Davor habe ich am meisten Angst.
Ich nehme das Glas und führe es zu meinem Mund. „Wieso hast du mich entführt?“, ich versuche ruhig zu bleiben. Nett zu ihm zu sein. Ich trinke einen Schluck, wartend auf seine Antwort.
Er streicht mit seiner Hand sanft über meine Wange. „Du bist so schön“, haucht er, richtig liebevoll.
Angewidert von seinen Worten drehe ich meinen Kopf weg.
„Sei brav“, befiehlt Andre mir. Es scheint mir so, als sei er von meiner Reaktion enttäuscht.
Andre geht zum Tisch. Er nimmt den Salatteller, dann stellt er ihn vor mich.
„Ich muss arbeiten“, erklärt Andre mir. „Ich bring dir später noch etwas.“ Er machte sich daran, zur Tür zu gehen. „Wenn du lieb bist, dann erspar ich dir die Ketten an den Armen.“
„Was für ein gutmütiger Mensch“, knurre ich höhnisch. Aber dennoch so leise, das Andre es nicht hörte.
Dann war ich wieder alleine in meinem düsteren Gefängnis.
Die Hoffnung, hier so einfach heraus zu kommen habe ich schon längst aufgegeben. Jedenfalls würde ich es alleine nicht schaffen.
Ich stöhne, lasse mich auf den kalten Boden fallen. Dann nehme ich meinen Teller und stille meinen Hunger.

Wie Andre es gesagt hatte, brachte er mir etwas. Einen Krug voll Wasser und einen Teller mit Rouladen und Klößen.
„Deine Mutter macht sich übrigens sehr große Sorgen um dich“, erzählt Andre mir. Als währe ich nur sein Gast und nicht seine Gefangene.
Er sitzt mir gegenüber, an ein Stuhlbein des Tisches gelehnt. Andre beobachtete mich während ich esse.
„Es tut mir Leid, dass ich ihr Sorgen bereite“, stöhnt er. So als würde er es wirklich bereuen. „Sie ist wirklich eine nette Frau.“
„Und wieso tust du es dann?“, appelliere ich an sein Herz. Langsam bezweifle ich, dass er so etwas wirklich besitzt.
Vielleicht gelingt es mir ja irgendwie ihn dazu zu überreden mich gehen zu lassen.
„Andre“, beginne ich. Mühsam versuche ich mich zu einem Lächeln durchzuringen.
Er sieht mich interessiert und neugierig an.
„Komm, lass mich gehen“, beginnt meine Bitte. „Ich schwöre dir, wenn du mich gehen lässt, dann vergesse ich die Sache. Ich werde nichts unseren Vätern erzählen, und auch nichts der Polizei.“ Ich wartete auf seine Reaktion. Aber viel Glauben scheint er meinen Worten nicht zu schenken. „Ich verspreche auch, dass ich mit dir ausgehen werde.“ Ob ich damit irgendetwas erreiche? Ich bezweifele es stark.
Andre steht auf. Er sieht zornig aus. Mit schnellem Schritt kommt er auf mich zu. Andre stemmt seine Hände an die Wand und sieht mir tief in die Augen. Mit einem stark fordernden Blick.
„Wieso sollte ich dir glauben?“, verlangt er von mir zu erfahren. „Immer, wenn du im Schloss warst, bist du sobald ich dir begegne auf und davon gewesen. Jedes mal, wenn ich dich fragte, ob du mit mir Essen gehst, hast du mir mit Nein geantwortet.“ Mir wurde es unwohl in meiner Haut. Ich presste meinen Körper an die kalte Wand. „Und jetzt verlangst du von mir, dass ich so dumm bin, dir zu glauben, du würdest niemanden etwas sagen.“
„Bitte, ich schwöre es“, dringt es mit zitternder Stimme aus meiner Kehle. „Du kannst mich doch nicht ewig hier gefangen halten.“
Er beginnt selbstsicher zu lachen.
„Und wer soll dich hier finden?“, lacht Andre. „Wer kommt denn auf die Idee, dich in einem Schloss zu suchen?“
Ich beginne zu zittern.
„Soll ich dir was sagen, Sonja“, lächelt er mich an. Aus seinem Blick spricht Liebe und Begierde, dass ich eine Gänsehaut bekomme.
Dann umfasst er meinen Körper und zieht mich an sich.
„Deine Eltern mögen mich so sehr, dass sie mir so oft Mut machten dich um eine Verabredung zu bitten.“
Er drückt seinen Mund auf meinen. Ekel überfällt mich. Ich stoße ihn mit aller Kraft von mir. Doch Andre beginnt amüsiert zu grinsen. „Es wird dich niemand befreien kommen“, prophezeit er mir. „Es würde niemand auf die Idee kommen, dass ich dich entführt habe. Das du in meiner Nähe bist.“ Er geht langsam zur Tür.
„Was – was hast du vor?“, verlange ich von ihm zu Erfahren.
Andre wirft einen Blick über die Schulter auf mich. „Deine liebste Mutter weint sich doch an meiner Schulter die Augen aus“, erzählt er mir. „Ich kann dich hier in alle Ewigkeit verstecken. Niemand wird dich finden.“
Ich habe eine schreckliche Vorahnung. Mein Zittern kann ich kaum noch unterdrücken.
Andre setzt seinen Gang zur Tür fort.
„Was hast du vor?“, verlange ich erneut von ihm zu erfahren.
Er steht jetzt an der Tür.
„Dir zeigen, dass du mir gehörst!“, ruft er. Er holt einen alten, rostigen Schlüssel aus seiner Hosentasche. Dann schließt er die Tür zu. „Es ist niemand außer uns im Schloss. Und selbst wenn du dir die Seele aus dem Leib schreist, es wird dir niemand zu Hilfe eilen.“
Dann wendet er sich wieder mir zu.
Meinen Körper presse ich zitternd an die kalte Steinmauer. Mir bleibt kein Fluchtweg.
Andre lässt den Schlüssel wieder in seine Hosentasche gleiten. Dann kommt er langsam – quälend langsam – auf mich zu.
„Andre, bitte, lass mich gehen“, flehe ich ihn an.
Statt etwas zu sagen, wirft er mir den Schlüssel für die Fesseln vor die Füße.
Ich verstehe nicht, wieso er es tut, aber dennoch nehme ich den Schlüssel sehr gerne an. Hektisch löse ich meine Fesseln. Dann sehe ich Andre verwundert an.
Will er mich tatsächlich gehen lassen?
Ich presse meinen Körper zitternd an die Wand. Dann bewege ich mich langsam zur Tür. Ich versuche Andre fern zu bleiben, der mich nur angrinst. Für einen kurzen Moment habe ich vergessen, dass Andre zugeschlossen hat.
Ich rüttele vergebens an der Tür. Bemerke es nicht einmal, dass Andre den Schlüssel für die Ketten sich genommen hat und jetzt hinter mir steht.
Sanft streicht er über mein Haar.
„Ich sagte, du gehörst mir“, ruft er. Dann küsst er liebevoll meinen Hals. Ich fliehe vor ihm. Doch er lässt mich nicht fliehen.
Andre erfasst unsanft mein Handgelenk. Dann reist er mich an sich. Ich bemerke seine Erregung.
Wie komme ich hier nur weg?
Tränen schießen in meine Augen.
Ich versuche mich gegen ihn zu währen. Schlage wild um mich. Mit aller Kraft. Doch ihn scheint es nicht zu stören. Ihn scheint es nur noch mehr zu erregen.
Dann versuche ich in seine Hosentasche zu greifen. Den Schlüssel heraus zu holen. Doch Andre stößt mich von sich weg.
Ich lande an dem Tisch.
Die Kerzen die darauf standen, befanden sich jetzt auf dem Boden.
Würde mir eine solche Waffe helfen können.
Doch ich kam nicht zu einer der Kerze.
Als ich die mir nahste Kerze ergreifen will, greift er in mein Haar. Ich schreie vor Schmerz auf, fasse an die schmerzende Stelle.
„Zwing mich nicht dir weh zu tun“, bittet er mich. Andre zieht mein Körper wieder an seinen.
„Verdammter Mistkerl!“, fauche ich ihn an. „Lass mich gehen!“
Andre reist mich rum. Dann verpasst er mir eine schallende Ohrfeige.
Von der Wucht werde ich wieder an den Tisch geschleudert.
„Wehr dich nicht, dann werde ich dir auch nicht weh tun“, ruft er. Doch soll ich mich einfach so kampflos in mein Schicksal ergeben? Meine Antwort lautet nein.
Ich springe auf ihn. Versuche Andre mit Schlägen und Tritten außer Gefecht zu setzen, doch es gelingt mir nur, von ihm wieder geschlagen zu werden. Diesmal boxt er mich in den Bauch.
Er ist sehr kräftig.
Andre drängt mich an den Tisch. Erst jetzt erkenne ich, dass es eigentlich eine Streckbank ist. Vier eiserne Fesseln sind an zwei eisernen Rollen angebracht.
„Setz dich darauf“, befielt Andre.
„Bitte lass mich gehen“, versuche ich ihn erneut zu überreden. Doch Andre lacht nur.
Ich beginne zu weinen.
„Setz dich rauf“, befiehlt er mir. Diesmal gehorche ich ihm. Ich setze mich auf die Streckbank. Wehren, hat keinen Sinn. Ich lasse das nächstfolgende einfach mit mir geschehen.
„Braves Mädchen“, lacht Andre. Er deutet mir an mich darauf zu legen. Wieder gehorche ich.
Dann steigt Andre auch auf die Folterbank. Er krabbelt auf mich. Siegessicher grinst er.
Dann drückt Andre seine Lippen auf meine. Widerwillig lasse ich es geschehen.
Andre erfasst während des Kusses, mein rechtes Handgelenk. Langsam zieht er es nach oben. Dann macht es klick. Wieder begann er mich in Ketten zu legen. Diesmal kettete er mich an dieses Gerät.
„Siehst du, du gehörst mir, Sonja“, lacht er. Dann drückt er mir wieder seine Lippen auf.
Während seines Kusses, hält er mein linkes Handgelenk in seinem starken Griff. Seine linke Hand schiebt das rote Kleid hoch, das ich trage.
„Alles an dir gehört jetzt mir“, ist seine Meinung.
Dann sehe ich eine letzte Chance.
Mit seinem rechten Bein kniet Andre neben meinem linken Oberschenkel. Sein linkes Bein dagegen zwischen meinen Schenkeln.
Ich versuche es.
Mit wucht ziehe ich mein linkes Knie hoch.
Sofort lösen sich Andres Lippen von meinen. Er beginnt sich auf der Streckbank vor Schmerzen zu krümmen.
Ich befasse mich mit der Fessel. Und habe großes Glück.
Das Schloss funktioniert nicht mehr. Ich kann die Fessel einfach öffnen.
Dann greife ich in Andres Hosentasche. Schnell ziehe ich den Schlüssel heraus. Dann springe ich zur Tür.
„Du verdammtes Miststück!“, flucht er. „Das wirst du mir büßen!“
Hektisch stochere ich in dem Schloss herum. Bis es mir gelingt es zu öffnen. Dann stürme ich aus dem Zimmer. Ich renne durch den Gang, der mir noch nie so lang vorkam, dann die Treppen hoch und ins Freie. In die dunkle Nacht.
Auf dem Rasen stürze ich.
„Sonja“, höre ich eine mir bekannte Stimme. Es ist die Stimme von Andres Vater.
Ich wische mir meine Tränen ab. „Peter!“, rufe ich ihm weinend zu. Doch kann ich darauf vertrauen, dass er mir, statt seinem Sohn hilft?
„Geht es dir gut?“, erkundigt er sich. Peter scheint wirklich überrascht darüber mich hier zu sehen. Er stürzt zu mir, lässt sich auf seine Knie neben mich fallen.
Ich zucke weg, als er mich anfassen will.
„Gott, du zitterst ja“, ruft er fassungslos. „Ist dir Kalt.“
Ich springe an seinen Hals, beginne zu weinen.
„Oh Vater!“ Beim ertönen von Andres Stimme zucke ich zusammen. „Ich wusste nicht, dass du hier bist.“
Peter presst mich an sich.
„Ich hab sie vorhin bewusstlos im Wald gefunden“, versucht er sich mit Lügen aus der Affäre zu ziehen. „Ich hab sie hier her gebracht und sie versorgt. Als sie dann aufwachte ist sie mir an die Kehle gesprungen. Weiß auch nicht wieso. Vielleicht hat sie einen zu dollen Schlag auf den Kopf bekommen.“
„Andre“, ruft Peter. „Es wird dir dann sicher nichts ausmachen, dass der Polizei noch mal zu erklären.“
„Scheiße“, faucht Andre. Er greift in seine Hosentasche. Holt das Messer heraus, das er immer noch bei sich trägt.
„Sonja, lauf“, befielt Peter mir. Er drückt mir sein Handy in die Hand. „Ich werde ihn aufhalten.“
Dann steht er auf. Während er zu seinem Sohn läuft, beginne ich fort zu rennen.
Ich drehe mich nicht um. Renne nur. Raus aus dem Schloss und in den Wald.
Dort bleibe ich dann stehen.
Mit dem Handy rufe ich völlig außer Atem und weinend die Polizei an. Ich erkläre ihn so gut es geht die Sache und meine Position.
Dann kann ich nur hoffen, sie kommen bald. Und Andre würde mich nicht finden.
Doch er findet mich.
„Sonja“, ruft er mir zu. „Es ist gar nicht nett, wegzulaufen.“ Er beginnt lauthals zu lachen.
Als das Mondlicht auf die Klinge von Andres Messer fällt, erkenne ich daran Blut kleben.
„Sei brav und bleib hier, dann vergesse ich die ganze Sache, dass du mir weh getan hast“, lacht er.
„Lass das Messer fallen, du bist umzingelt!“, ruft plötzlich jemand aus der Dunkelheit. Ich atme erleichtert auf, als sich der Polizist uns nähert.
„Verdammt“, flucht Andre.
„Alles in Ordnung?“, erkundigt sich der Polizist nach meinem befinden.
Ich nicke. Zitternd beobachte ich Andre, der sich hektisch umsieht. Fünf weitere Polizisten erkenne ich jetzt durch die Dunkelheit.
„Es ist aus!“, ruft der Polizist Andre zu. „Lass das Messer fallen, und ergib dich!“
Aber Andre grinst nur.
„Es hätte so schön mit uns zweien werden können“, stöhnt er. „Aber wenigstens habe ich eins geschafft.“
„Was?“, frage ich ihn.
„Du wirst nie wieder meinen Namen vergessen“, lacht Andre. Dann führt er das Messer an seine Kehle. Mit einem schnellen schnitt durchtrennt er seine Kehle.
Ich wende meinen Blick von ihm ab. Verberge mein Gesicht weinend in meinen Händen.
Ist nun alles vorbei?
Bin ich nun endlich in Sicherheit?
Ich kann das alles nicht glauben.
Der Polizist senkt seine Waffe.
„Es wird alles wieder gut!“, versucht er mich aufzumuntern. „Bist du Sonja?“ Ich nicke.
„Peter“, rufe ich plötzlich. Der Polizist sieht mich fragend an.
„Ich weiß nicht, was Andre mit ihm gemacht hat“, versuchte ich zu erklären. „Das letzte Mal habe ich ihn im Hof gesehen.“
Der Polizist befielt den anderen dort nach einem Verletzten zu suchen, während er sich um mich kümmert.
Im Wagen verarzten sie dann ein paar Schrammen die ich davon getragen habe. Der Rest ist nicht all zu schlimm. Nur ein paar Prellungen.
Peter hat es schlimmer erwischt. Sein Sohn hat ihn schwer verletzt, aber nicht lebensbedrohlich.
Doch mit einem hat Andre Recht.
Sein Gesicht werde ich wohl nie wieder aus meinem Gedächtnis bekommen. Und seinen Namen.
 

Jona K.

Mitglied
Hallo Juliet!

Die Idee hinter Deiner Geschichte gefällt mir recht gut, mit der Ausführung komme ich aber nicht so ganz zurecht.
Die Einleitung beispielsweise:
Dunkelheit; Finsternis; Hoffnungslosigkeit; Einsamkeit; Unwissenheit
Die Protagonistin merkt ja erst danach, dass sie gefangen und gefesselt ist. Wieso also bereits vor dieser Erkenntnis die Hoffnungslosigkeit und vor allem die Einsamkeit?

Die Diskrepanz vonwegen "mein" Schloss und Überfall im Apartment klärt sich zwar im Verlauf der Geschichte, ist aber zu Beginn eher verwirrend.

Mir persönlich ist die Handlungsweise Deiner Hauptdarstellerin nicht immer einleuchtend.
Insbesondere wenn sie die Stimme ihres Vaters erkennt, der sie noch dazu sucht, müsste sie eigentlich losschreien wie wild. Aus meiner Sicht ist da Angst kein Hinderungsgrund. Auch die Situation, als sie dann schreien will, ist für mich nicht schlüssig.
Sitzt sie 10 Sekunen mit offenem Mund da bevor sie einen Ton herausbringt? Ansonsten wäre nämlich nicht genug Zeit für Andre die Tür zu öffnen, die Situation zu erkennen, hinzustürmen und ihr den Mund zuzuhalten, bevor sie auch nur einen Ton herausbringt.
Auch seine Reaktion, ihr daraufhin mit dem Satz "Wenn du es nicht anders willst." die Augenbinde abzunehmen, habe ich nicht nachvollziehen können.

Ich muss zugeben, dass ich danach den Rest der Geschichte nur noch überflogen habe.

Wie gesagt, der Ansatz ist gut, die Idee auch, aber die Ausführung ist für mich noch nicht ganz schlüssig und das führt bei mir immer dazu, dass mich eine Story nicht wirklich fesseln kann.

Liebe Grüße,
Jona
 

MaxiWolf

Mitglied
Hallo Jona!

Erstmal danke für deine Kritik.

Irgendwie hab ich schon befürchtet, dass die Handlungen der Personen irgendwie unrealistisch sind.
Meine Einleitung muss ich verteidigen. Mir ist erst die Idee dazu gekommen, dann zum Rest. Aber kann ja auch 2 Versionen machen. Eine für mich, die ander für meine HP. :)

Also nochmal hinsetzten und kräftig überarbeiten. :)
Aber es freut mich, dass dir die Idee wenigstens gefällt. Mal versuchen ob ichs hinkrieg, dass es besser klingt.

lg
Juliet
 



 
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