Geh hin, wo der Pfeffer wächst

anemone

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Es tat so weh, als er sie verletzte. Es war ein Dolchstoß ins Herz, ausgeführt von ihm, Rainer.
Michaela zuckte zusammen, damit hatte sie nicht gerechnet. Nicht mit dieser Art von Brutalität. Sie hatte so etwas von ihm nicht erwartet.

Er kannte sie doch, wusste wie eifersüchtig sie war. Konnte er es ihr nicht behutsam beibringen? „Du, es tut mir leid, aber ich muss es dir sagen: Es gibt das eine Andere!“

Sicher wäre es schwer, doch sie wäre schon darüber hinweggekommen. Aber wie er es anstellte!
Er sank in ihrer Achtung.

Sie spürte es, es war längst klar zwischen ihnen. Die beiden sahen sich unentwegt in die Augen. Er legte es förmlich darauf an, dass sie es bemerkte. Sie sollte es spüren: Er war auf Sandra abgefahren. Nicht mehr fähig, normal zu denken. Er dackelte ihr hinterher, wohin sie auch ging.

Michaela war abgeschaltet, so als hätte es nie etwas zwischen ihnen gegeben. Dabei lebten sie schon über ein Jahr zusammen. Natürlich hingen sie nicht ständig wie die Kletten aneinander. Er hatte seine Freunde und sie ging hin und wieder auch mit ihren Freundinnen aus. Es reichte ihr! Sie hatte genug gesehen. Wollte er sie noch weiterhin demütigen?

Michaela holte ihre Tasche vom Platz. „Ich gehe!“ teilte sie kurz ihrer Freundin mit und weg war sie. Sie hatte nämlich Wichtiges zu erledigen, sozusagen Unaufschiebbares. Sobald sie in der Wohnung stand warf sie sich aufs Bett und heulte wie ein Schloßhund. Nachdem sie sich etwas beruhigt hatte, hievte sie den Koffer vom Schrank und packte seine Sachen hinein.

Es waren so viele Sachen von ihm. Es war ja nicht nur seine Kleidung. Der Computer, die vielen CDs, Kamera, Fotos, oh, sie war total verzweifelt und die Tränen liefen unaufhörlich über ihr Gesicht. Dabei liebte sie ihn doch noch immer! Aber verzeihen! Verzeihen konnte sie ihm diese Gemeinheit nie!!

Sie schleppte schwer an dem Koffer, bis er dann endlich vor der Wohnungstüre stand. Sie hatte seine Klamotten wild hineingeworfen und beim Schließen des Deckels nicht darauf geachtet, ob seitlich noch Etwas heraushing. Ihr war alles gleichgültig. Sie fühlte sich so leer. Nie, nie mehr wollte sie ihm unter die Augen treten.

Sie ließ den Schlüssel von innen auf der Türe stecken, so hatte er keine Gelegenheit noch einmal hereinzukommen. Aber er kam auch nicht. nicht um 2 Uhr auch nicht um 4 Uhr. Lange lag sie wach, bis sie dann endlich unter Tränen einschlief.

Am nächsten Morgen rief sie ihre Freundin an. Ja, sie hatte ihn in der Disco noch gesehen. Er hing ständig diesem blonden Gift hinterher. Die musste ihn total heiß gemacht haben. Sicher war er bei ihr. Der Koffer stand unberührt vor der Wohnungstür.

Doch es wurde Zeit, Micha musste los. Ihr Job in der Bank wartete auf sie. Zu dumm, dass Rainer jetzt in die Wohnung konnte, wenn er käme.

Fortsetzung
 

anemone

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Fortsetzung

In der Mittagspause beeilte sie sich nach Hause zu kommen. Was erwartete sie dort? Sie hoffte darauf ihn zu sehen, war auf eine Auseinandersetzung gefasst. Doch nichts dergleichen fand sie vor. Der Koffer stand vor der Tür. Er schien nicht angerührt zu sein. In der Wohnung keine Spur von ihm. Sollte er sich so einfach auf und davon geschlichen haben? Es kam ihr merkwürdig vor. Sie schrieb auf einen großen Zettel: „Geg hin wo der Pfeffer wächst!“ und befestigte ihn auf dem Koffer.

Selbst wenn er des Denkens nicht mehr fähig war, er brauchte doch etwas zum Anziehen! Was war das für eine Frau, die er im Schlepptau hatte oder sie ihn? Michaela verließ ihre Wohnung und knabberte dabei an einem Zwieback. Diese ihr fremde Person von gestern abend ging ihr nicht aus dem Kopf. Vielleicht war er ihr hörig! So etwas gab es, sie hatte schon einmal davon gehört.

Am Nachmittag hatte sie es schon nicht mehr so eilig, nach Hause zu kommen. Was erwartete sie schon da?
Eine leere Wohnung!
Der Koffer stand immer noch vor der Türe. Frau Sulz von gegenüber steckte den Kopf durch ihre Wohnungstüre: „Der Koffer steht aber sehr im Weg dort!“ meinte sie und Micha musste ihr Recht geben. Sie zog ihn zurück in ihre Wohnung, gerade so weit, dass sie noch durch die Türe passte. Sie besah sich ihre Post, die sie an der Eingangstüre aus dem Kasten genommen hatte.

Aber auch dabei keine Nachricht von Rainer. Missmutig lief sie ins Wohnzimmer, warf sich aufs Sofa und streckte die Beine aus. Doch was war das? Da lag doch der Schlüsselbund auf dem Tisch und das war nicht ihrer.

„Er war also hier!“ dachte sie,und ist ohne Koffer wieder verschwunden. Schnell stand sie auf und suchte die Räume ab, ob irgend ein Teil fehlte. Aber nein, sie hatte noch eins dazubekommen. Es lag auf dem Bett, sternhagelvoll, neben sich eine leere Flasche Cognac und es schnarchte wie ein Berber.

Liebevoll zog sie ihrem Streuner die Schuhe aus, nahm ihn in den Arm und gab ihn nie wieder her.
 

McFire

Mitglied
Pfeffer

Na, wenn das unsere allergrößte Alice sähe, wie Du der Frauenbewegung in den Rücken fällst....
;)
Aber im Ernst: Da Du gleichmäßig locker und "mit Augenzwinkern" schreibst, ist es natürlich keine Moralverbiegung. Einfach live is live. Hübsch.
Und ein bissel drüber nachdenken ist ja nicht verboten....
 

ingridmaus

Mitglied
Deine Geschichte beschreibt genau das Verhalten einer Bekannten von mir - die ich dafuer vergeblich angeschriebe habe. ;) Gutes Stimmungsbild - was mir allerdings noch fehlt, ist eine groessere Rolle fuer die unvermeidliche beste Freundin, bei der sie sich ausheult, und die nach der Vergebungsaktion die Haende ueber dem Kopf zusammenschlaegt... ;)
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
jaja,

so soll sie mal weitermachen, sie wird schon sehen, was sie davon hat. die kerle gehen fremd, mal mit einer frau, mal "nur" mit alkohol, und die weiber verzeihen. tststs. haste gut geschrieben. ganz lieb grüßt
 

anemone

Mitglied
hallo ihr Beiden,

es könnte ja auch mal umgekehrt gehen, mal sehn, was mir dazu einfallen wird, steckt für die Zukunft in meinem Hinterkopf. Bitte um etwas Geduld
 



 
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