Genius Loci

2,70 Stern(e) 3 Bewertungen

sammy

Mitglied
Genius Loci (Latin). The tutelary deity of a place.

"In the midst of this wreck of ancient books and utensils, with a gravity equal to [that of] Marius among the ruins of Carthage, sat a large black cat, which, to a superstitious eye, might have presented the genius loci, the tutelar demon of the apartment." - Sir W. Scott: The Antiquary, chap. iii.

http://www.bibliomania.com/2/3/255/frameset.html[/i]


Da liegst du inmitten
Rosafarbener Trümmer
Und seidener Lumpen.
Das sektene Glas
Trägt die Spuren deines
rubinroten Mundes.
Auf dem Boden ein verschneites
Wäschestück von dir.
Einst zierte es deine weiche Brust.
Auf dem Nachtschrank Fliederspuren
Und zwischen bereiftem Linnen
Reste einer fast vergessenen Lust.
Dein vollendeter Körper
Atmet Traurigkeit aus und Trieb.
Er ist der Genius dieses Ortes.
 

Renee Hawk

Mitglied
Hallo Sammy,

auch dieses hier ist bestückt von vielen bildhaften und zarten Blüten einer (deiner) wundervollen Sprache.
Es trägt den Leser (mich) in einen Raum und läßt ihn teilhaben am Geschehen - wunderschönes Gefühl - Danke.

liebe Grüße
Reneè
 

La Luna

Mitglied
Weniger ist oft mehr....

Hi Sammy,

ich erkenne was für ein Bild du widerspiegeln möchtest, doch für meinen Geschmack hemmen im ersten Teil allzu viele Adjektive meine Phantasie. Mit andern Worten, du erklärst zu viel.
Ich fange am besten Mal oben an, ja?

"Da liegst du nieder..."
"Nieder" würde ich streichen, das "liegen" sagt ja schon alles.

"Rosenfarbene Trümmer, seidene Lumpen"
Eines davon würde ich nomisieren.
Vielleicht Seidenlumpen?

"Das sektene Glas" ist toll!

"rubinroter Lippenstiftmund"
Hier packst du mir etwas vor, das ich zwar zur Kenntnis nehme, aber das kein Raum für eigene Phantasie zulässt.
"Rubinmundes" ist ebenso eindeutig, da er ja Spuren am Glas hinterlässt, braucht das Wort "Lippenstift" gar nicht fallen.

"Das verschneite Wäschestück" gefällt mir auch wieder ausgezeichnet. Durch den Begriff "verschneit" kann ich mir das dünne Material vorstellen, da es ja langsam zu Boden sinkt.

"Venusisch"
Damit tue ich mich schwer. Ich verstehe, dass du das Besondere ausdrücken möchtest, aber venusisch ist allein vom Wort her so schwer und träge.
Ich würde nach einem leichteren Adjektiv suchen, das dem Leser besser über die Lippen kommt und weniger schwülstig wirkt.

Ganz stark dagegen wieder Begriffe wie "Fliederspuren" und "Reste einer fast vergessenen Lust".

Und zu guter Letzt würde ich in der vorletzten Zeile das "aus" streichen.


Hm...das ist ziemlich viel geworden, was?
Ich hoffe, ich habe dich damit nicht entmutigt. Bedenke bitte, meine Meinung ist nur eine unter vielen anderen. Vielleicht sind ja einige Tips dabei, die dir hilfreich sind. :)


Liebe Grüße
Julia
 

sammy

Mitglied
Rohfassungen und

Hallo liebe La Luna,

vielen Dank für deine Mühe.

Ich weiß sehr wohl, dass zu viele Adjektive abtöten und weniger mehr ist. In diesem Text wollte ich gerade mal mit einem etwas üppigeren Stil experimentieren. Deine Reaktion zeigt mir, dass ich vielleicht doch bei meinen Leisten bleiben sollte…;)


"Da liegst du nieder..."
"Nieder" würde ich streichen, das "liegen" sagt ja schon alles.


Ja, verdammt. In der ersten Fassung schrieb ich es ohne das „nieder“...

"Rubinmundes" ist ebenso eindeutig, da er ja Spuren am Glas hinterlässt, braucht das Wort "Lippenstift" gar nicht fallen.

Ok. Akzeptiert.

"Venusisch"
Damit tue ich mich schwer.


Das habe ich auch nachträglich „verbessert…“

Ich hoffe, ich habe dich damit nicht entmutigt. Bedenke bitte, meine Meinung ist nur eine unter vielen anderen. Vielleicht sind ja einige Tips dabei, die dir hilfreich sind.

Nein, bin gar nicht entmutigt. Freue mich sehr, dass du dich so intensiv mit meinem Text beschäftigt hast und fasse das als Kompliment auf…;)

Und – was ich daraus gelernt habe? Meine spontanen Rohfassungen sind manchmal vielleicht besser, als die Editierungen…


Liebe Grüße
Sammy
 
V

vexierbild

Gast
! ! ! ! ! ! ! ! ! !

Klasse, einfach Klasse! Du hast was drauf Sammy..mir schwindelt, wenn sich Dein Talent noch weiter entwickelt..uff, schlotter, da beschreitet einer Seelentürme und turnt auf Wörterleitern umher dass es nur so eine wahre Freude ist..
 
S

Stoffel

Gast
Guten Abend,

wie La Luna schon bemerkte, so ich auch während des lesens, das "Rubinmundes" ausreicht. Es passt von der Sprache her auch nicht zu "sektenes" . Ich stelle mir zu all dem anderen eher (roten) Wein vor.(kann mich auch irren-nur mein Gefühl dazu)

"Da liegst Du..."
"inmitten..."
hört sich auch besser an, als plump: "zwischen".(?)

Mit "Rosenfarbenen" habe ich auch so meine Probleme. Neben roten,gelben,rosanen,weissen, gibts nun auch schon schwarze Rosen.

"Venusische" hört sich für mich - männlich - an.

"benutzte Linnen", da dachte ich eher an die "Reste"

Entschuldige, wenn ich da so viele Fragen habe.
Aber ehrlich gesagt, gefällt mir der Text überhaupt nicht.

Nicht böse sein ;-)

Stoffel
 
S

Stoffel

Gast
Hi Sammy,

sehr selten schreibe ich "so lange Kommentare":)
Magst Du nur Lob haben, ok? Kein Problem. Andermal dann eventuell?

Schönen Tag
Stoffel
 

sammy

Mitglied
Stoffel

Hi Stoffel,

um Gottes Willen! Nein! Ich habe mich sehr über deinen konstruktiven Kommentar gefreut, aber weil er eben so „lang” geworden ist, wollte ich mir Zeit nehmen, um darauf einzugehen. Sorry, wenn es so gewirkt hat, als ob ich dich übergangen habe. Also, meine Antwort darauf kommt noch.;)

Lieben Gruß
Sammy
 

Suzie

Mitglied
hallo sammy
es wirkt wie irgendwie ein bisschen wie eines dieser barocken Gedichte, sehr ästhetisch und sinnlich, aber auch ein wenig überladen. Mir gefällt es gut, du hast Worte erschaffen, die eine tolle Atmosphäre entfalten... es ist wie eine bezaubernde Blume, die einen schweren Duft verströmt *lol* (besser kann ich's nicht ausdrücken, aber ich glaube, du verstehst schon ;) )
liebe Grüße
 

sammy

Mitglied
Hilfreiche Anmerkungen

Hi Stoffel,

hier nun die Antwort auf deine Kritik:

Rubinmund: Stimmt. Das werde ich gleich ändern.
Sekt: Es gibt auch roten Sekt, z.b. Krimsekt, aber auch andere Sorten.
Inmitten vs zwischen: Ja, „inmitten“ klingt besser.
„Rosenfarben’. Stimmt. Es gibt wirklich x Rosenfarben. Werde auch das ändern.
„Venusisch“: Warum hört sich das denn männlich an? Das verstehe ich nicht.
„Benutzte Linnen“: Hmmm…ja, hast Recht.

Hey, bin gar nicht böse, wenn der Text dir nicht gefällt. Ist doch letzten Endes
Geschmackssache. Bin auf jeden Fall dankbar für deine hilfreichen Anmerkungen.

Liebe Grüße
Sammy
 

sammy

Mitglied
Barock-üppig

Hallo Suzie,

ja, ich verstehe sehr gut, was du meinst. Und weil es so süßlich schwer ist, ist es nicht jedermanns Sache. Das erinnert mich an einen Biologielehrer von mir, der einmal sagte, dass Gardenien stinken. Nun, ich finde Gardenien duften einmalig schön, aber eben so üppig und voll, dass manchen davon schwindlig wird. Na ja, und so ist auch die Frau, die ich in Genius Loci beschreibe. Barock-üppig, überbordend, überfließend. Sie nimmt von einem Raum Besitz, so wie sie auch von Menschen Besitz nimmt. Schön, wenn ich das ein wenig vermitteln konnte.

Liebe Grüße
Sammy
 

sammy

Mitglied
Vexierbild

Hallo Vexierbild,

um ein Haar hätte ich dich vergessen und das, obwohl du mir so einen wundervollen Kommentar geschrieben hast! Danke, danke, danke!!!:)

Liebe Grüße
Sammy
 
S

Stoffel

Gast
und ich dachte schon, Du willst nur Streicheeinheiten.;-)
Ok, dann vergiss den Kommentar unter Deinem anderen Gedicht.
Salut
Stoffel
 

sammy

Mitglied
Streicheleinheiten...

ist gut. Ja, die will ich so oder so, aber ich will und brauch auch Kritik. Je härter, desto besser...;)
 



 
Oben Unten