Gesellschaft

Sophia-kf

Mitglied
Flatterhaft

„Ihr geht heute Abend feiern?“ Sie lächelte schief und blickte zur Seite. Ihre Wangen fingen an zu brennen. Wieso hatte sie davon nichts mitbekommen? Hatte man sie absichtlich ausgeschlossen? Hatte man sich hinter ihrem Rücken darüber lustig gemacht, sie im Unwissen zu lassen? „Wurde ganz spontan entschlossen. Die üblichen Leute gehen in die üblichen Kneipen!“, hörte sie ihre Freundin beiläufig sagen. Die üblichen Leute? Gehörte sie etwa nicht zu den „üblichen Leuten“? Was machte sie anders? Wieso schwamm sie nicht mit dem Strom? „Ach so. Na dann. Ich wünsch euch einen tollen Abend! Ich muss jetzt wirklich los!“ Sie rang sich mit größter Mühe ein Lächeln ab, unterdrückte die aufsteigenden Tränen und winkte ihrer Freundin zum Abschied. Hastig verließ sie den Marktplatz und sprang in die nächste S-Bahn. Kaum hatte sie sich auf einen freien Platz niedergelassen, kamen auch schon die Tränen. Da die Bahn in ihrem Teil fast leer war, konnte sie sich ihnen ungestört hingeben. Sie lösten die Verkrampfung in ihrem Magen und ließen ihre Hände aufhören zu zittern. Die vertraute Unsicherheit machte sich in ihr breit. Wieso immer sie? Was hatten denn alle gegen sie? War sie ihnen nicht hübsch genug? Hatte sie sich nicht immer die größte Mühe gegeben, sich anzupassen? Und doch war es schon wieder sie, die ausgegrenzt wurde. Die nicht wichtig genug war, um gefragt zu werden. Die anscheinend nicht „cool“ genug war, um mit um die Häuser zu ziehen. Durch den Tränenschleier blickte sie aus dem Fenster, sah Leute die Straße entlang laufen. Die waren alle normal. Die wurden bestimmt von allen wertgeschätzt. Die mussten nicht einen Tiefschlag nach dem anderen einstecken. Wieso konnte sie nicht so jemand sein? Irgendwann hörte sie auf zu weinen. Sie fühlte sich so klein und verletzlich wie schon so viele male zuvor. Doch irgendwann mischte sich Wut darunter, die bald Überhand nahm. Was bildeten sich diese blasierten Affen überhaupt ein? Hatten sie das Recht, zu entscheiden wer etwas wert war und wer nicht? Was sollte sie denn noch tun, um akzeptiert zu werden? Um von allen gemocht und bewundert zu werden? Sie konnte doch nichts für ihr geringes Selbstbewusstsein! Sie versuchte doch schon alles Mögliche um es zu stärken oder es wenigstens zu überspielen. Aber das interessierte ihre vermeintlichen „Freunde“ doch nicht! Für die waren andere Sachen wichtig. Sachen wie Aussehen, Partys, ihre Facebook-Likes und ihre Pseudo-Weisheiten. Ihr wurde schlecht bei dem Gedanken an deren Oberflächlichkeit und Ignoranz. So wollte sie nicht sein! Nein, sie war anders. Und das würde sie nutzen. Sie würde den langen Nächten am Wochenenden, dem gemeinsamen Abhängen und dem Konkurrenzdenken abschwören. Die Welt war doch so viel mehr als nur die Gier nach Anerkennung, in Form von Likes auf seinem Profibild. Auf der Welt gab es echte Probleme wie Hunger, Krieg und Tod. Was waren da schon ihre Probleme? Sie würde sich neue Freunde mit anderen Wertvorstellungen suchen, sich richtig in ihr Studium stürzen und sich vielleicht sogar ehrenamtlich engagieren! Ihre Ernährung umstellen, sich mehr bewegen und sich gesund halten. All diese Gedanken verliehen ihr neuen Mut. Nie wieder ein schlechtes Gefühl, wenn die Freundin in der Disco von mehr Typen angetanzt wird als man selbst! Nie wieder einen Stich im Herzen fühlen, wenn man „vergessen“ wurde zu einer Party eingeladen zu werden. Nur noch positive Gedanken und die Erfüllung in der eigenen Entwicklung und im Helfen anderer Leute zu finden. Ja, das würde ein echter Neuanfang werden. Als die S-Bahn schließlich an ihrer Haltestelle hielt, stieg sie guten Mutes und mit einem Plan im Hinterkopf aus. Fast schon beschwingt lief sie zu ihrer Wohnung und ließ sich dort angekommen zufrieden aufs Sofa fallen. Ihr Ellbogen traf auf etwas Hartes. Ihr Smartphone! Das hatte sie heute Morgen in der ganzen Hektik daheim vergessen. Der Vormittag in der Uni war wirklich unerträglich gewesen ohne ihre Status-Updates und ihre liebsten Shoppingseiten. Auf so was war sie in Zukunft zum Glück nicht mehr angewiesen! Doch die eingegangenen Nachrichten konnte sie sich ja noch kurz ansehen. Zwei Nachrichten von Sandra und eine von Stefan. „Hey Süße, kommst du heut Abend mit einen drauf machen? Meine neuen Schuhe eintanzen!“, frägt Sandra sie. „Heut Abend saufen?“, liest sie in Stefans Nachricht. Sie wurde gar nicht vergessen! Man hatte an sie gedacht! Sie Dummerchen hatte doch nur ihr Handy zu Hause vergessen! In all der Aufruhr hatte sie das komplett vergessen! Ein hysterisches Lachen entfuhr ihr. All ihre Probleme lösten sich auf einmal in Luft auf. Was sie sich schon wieder alles eingeredet hatte! Wie sie sich in diese Sache hineingesteigert hatte! Sie hatte in ihrem Wahn sogar ihre Freunde schlecht geredet! Und waren die nicht immer für sie da gewesen und hatten ihr in allem ein gutes Gefühl gegeben? Sie musste grinsend den Kopf über sich selbst schütteln und tippte mit schnellen Fingern ihre Zusage ein: „Natürlich bin ich dabei! Hab ich schon jemals zu einer Party nein gesagt? ;)“ Ihr Leben hatte wieder einen Sinn! Einen Richtigen! Nicht so Einen erzwungenen und schön geredeten wie noch vor fünf Minuten! Euphorisiert tanzte sie ins Bad, duschte ausgiebig und hübschte sich sorgfältig für den Abend auf. Nachdem sie sich in ihr kleines Schwarzes geworfen hatte, das ihr immer einen kostengünstigen Abend garantierte, posierte sie noch etwas vor dem Spiegel. Sie sah verdammt gut aus! Die Jungs würden sich heute Nacht die Hälse verdrehen! Aber sie würde cool und unnahbar bleiben, schließlich konnte sie nicht jeder haben. Sie versorgte ihre Online-Freunde noch kurz mit dem neuesten Status-Update über das heutige Nachtleben plus einem Foto von sich in ihrem Ausgehoutfit. Das wird mal wieder eine hammermäßige Nacht! Sie zündete sich eine Zigarette an und verschwand in die Nacht.
 

Vagant

Mitglied
Hallo Sophia, ich unterstelle dir nun einfach mal, dass du den letzten Absatz mit einem Augenzwinkern geschrieben hast. Wenn ja ( was heißt wenn? sicher hast du), dann ist es dadurch wieder schön rund geworden. Eine Geschichte über einen Haufen Selbstzweifel, nur wegen eines vergessenen Handys wäre ansonsten auch ein bisschen platt. Mir hat dies so schon ganz gefallen und ich bin gespannt auf das Nächste von dir. Vielleicht einen etwas munteren Plot, vielleicht dem Protagonisten etwas mehr Profil geben. Schreiben könntest du das.
Vagant.
 



 
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