Gestrandet...

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Ironic

Mitglied
Gestrandet...

Regungslos lag er da. Sein riesiger Bauch wirkte kalt und aufgedunsen. Er musste schon eine ganze Weile so dort liegen, denn der fette Körper presste seine Formen allmählich immer tiefer in die Stelle auf der er sich befand. Er drohte ganz und gar mit seiner trostlosen Umgebung zu verschmelzen.

Es dämmerte. Um ihn herum war es düster und ruhig. Nur ein gleichmäßiges betäubendes Rauschen ganz in der Nähe erfüllte leise die Umgebung. Das Geräusch hatte inzwischen nichts besonderes mehr an sich. Nichts von der Magie war nun mehr zu spüren, die ihn immer in seinen Bann gezogen hatte. Nur ein dumpfes, leeres Rauschen, das die einsame Stille noch erdrückender werden lies. Die Luft, die ihn umgab, verbreitete einen süßlichen Duft der Verwesung, der wie ein dichter Nebel langsam und gleichmäßig aus seinen Körperöffnungen strömte. Sein Rachen war halb geöffnet, sodass zudem eine klebrige Flüssigkeit ein Schlupfloch durch die Mundwinkel fand und nun geduldig sein Kinn herunter tropfte.


Plötzlich klirrte es. Durch eine überhastete Bewegung hatte er die Bierflasche auf dem Tisch umgestoßen, deren Inhalt mit einem großen Schluck seinen runden Bauch überschwemmte und sich zielgerichtet einen Weg in die Aushöhlungen bahnte, die sein Hintern in die Couch gedrückt hatte. Fluchend richtete er sich auf und wischte sich die Spucke aus dem Gesicht. Müde und verwirrt starrte er auf den Fernseher, der nur noch weiß und schwarz vor sich hin flimmerte. Er spürte einen stechenden Schmerz in seinem Kopf und griff hastig nach der Fernbedienung um sich von dem nervenden Geräusch zu entledigen, das den Raum erfüllte.
Nach erneutem Fluchen drückte er auf den verhassten roten Knopf. Nun war es still.

Jetzt spürte er die faulige Luft in seiner Kehle, die ihn jedes Mal aufs Neue erdrückte. Nach einem kurzen Griff in seine Trainingshose nahm er seine letzte Zigarette aus der Schachtel. Dann er trat müde und gleichgültig hinaus auf den Balkon.
 
G

Guest

Gast
Hallo,

packende Aufnahme einer wahrscheinlich zerdehnten permanenten Alltagssituation. Macht nachdenklich Dein Text. Du hast die Figur hervorragend in den Schauplatz passend eingefügt und das Dilemma einer kraft- u. mutlosen Person in einer ebensolchen Gesellschaft dargestellt. Nicht schlecht!

Gruß,
GUIDO
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
ja,

eine ausgezeichnete momentaufnahme. zu schade, daß sich solche leute nicht einmal dem psychologen öffnen. der schluß deiner geschichte deutet nicht darauf hin, daß der mann hinunterspringt, und er hätte gewiß auch nicht den mut. er könnte höchstenst das gleichgewicht verlieren, aber das wünsch ich nicht. lg
 

Ironic

Mitglied
Danke für eure Antworten...

@Guido
Ja, super, genau das wollte ich damit erreichen...nachdenklich machen...das mancher sich evt. selbst ein bisschen ertappt fühlt...aber wenn du dennoch irgendwelche Verbesserungsvorschläge hast (oder ihr anderen, die das lesen), würde ich mich darüber auf jedenfall freuen...bin schließlich erst ein Kurzgeschichten-Anfänger...

@flammarion
hm, dem Psychologen....vielleicht sollte ich dort ja auch gelegentlich mal vorbei schauen...;-) Der offene Schluss war beabsichtigt, damit sich jeder sein eigenes Urteil bildet...aber falls du der Meinung bist, dass er definitiv nicht springt, fänd ichs schön, wenn du mal eine Anregung für einen Schlussteil hättest, wo die Möglichkeit mehr in Frage kommt...

Liebe Grüße,
Ironic
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
och,

ich denk ja gar nicht dran. es gefällt mir, daß er nicht springt. wer weiß - vielleicht bekommt sein leben ja noch eine großartige wende. lg
 



 
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