Gestrandet

Delirium

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Gestrandet

Kruse war lange zur See gefahren, hatte weite Reisen unternommen und fremde Länder gesehen. Kruse hatte die See geliebt, bis sie ihm seinen einzigen Sohn genommen hatte. Das war im Herbst vor 12 Jahren. Seitdem war Kruse nicht mehr der, der er früher war. Er hatte begonnen, die See zu hassen. Er wurde krank und strandete schließlich in einem alten Häuschen vor den Toren der großen Stadt. Seine Frau hatte ihn all die Jahre gepflegt, hatte versucht, die Wunden zu heilen, die die See in seiner Seele hinterlassen hatte. Doch sie folgte ihrem Sohn nur sechs Jahre später und Kruse blieb allein zurück. Körperlich fehlte ihm nichts, doch innerlich war er leer, ganz leer.

Das kleine alte Häuschen am Wald hatte nur eine Etage, die Kruse bewohnte. Darüber lag der Dachboden, auf dem Andenken aus Zeiten verstaubten, in denen der Käpt’n die See noch geliebt hatte. Außerdem hatte das Haus einen Keller. Einen Luftschutzkeller, noch aus Zeiten des Krieges. Es gab drei Räume, dazu ein kleines Badezimmer, nur mit Waschbecken und Toilette und einen Heizungskeller. Zwei der etwas größeren Räume waren gefliest, der eine Raum wurde als Waschküche benutzt, der andere war jetzt leer. Diesen Raum musste man durchqueren, um in die Waschküche zu gelangen. Früher hatte Kruses Sohn hier sein Fahrrad untergestellt.

Den dritten Raum hatte Kruse seit 12 Jahren nicht betreten. Zwar hatte er oft die Türklinke unter seiner Hand gespürt, doch er hatte nie den Mut gehabt, sie herunterzudrücken. Hinter dieser Tür lag Pauls Zimmer. Gemeinsam hatten Vater und Sohn damals die Wände neu verputzt und isoliert, hatten Kabel verlegt und die kahlen Wände mit Tapeten und Bildern verziert.
Wenn Kruse in den Keller ging, um die Wäsche von der Leine zu nehmen, kam er an der Tür vorbei. Oft stand er minutenlang davor und zögerte, war hin und hergerissen, den Raum zu betreten oder weiterzugehen und entschied sich jedes Mal für letzteres.

Es war in der Nacht zum 24. September, als Kruse von seiner Frau träumte. Es war hell und er sah nichts weiter, als ihr Gesicht. Nicht das Gesicht der vom Leben gebeugten Frau, das er in ihren letzten gemeinsamen Jahren so oft gesehen hatte. Nein, es war das Gesicht der jungen Annemarie, das Gesicht der 20jährigen hinter der Theke der Hamburger Hafenkneipe, in der er sie als junger Matrose kennengelernt hatte. Das helle Licht aus dem Hintergrund umrahmte sie und sie lächelte, als sie zu ihm sprach: „Kalle! Hallo, Kalle! Wir haben uns lange nicht gesehen! Wie geht es dir?“ Sie schien auf eine Antwort zu warten, doch Kruses Traum ließ keine zu. „Kalle! Gut siehst du aus, wirklich! Wie geht es dem Jungen? Hat er den Schulabschluss geschafft? Er ist ja ein so netter Bursche!“ Wieder machte sie eine Pause und wieder war Kruse nicht fähig, zu sprechen. „Ich muss gehen, Kalle! Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder!“ rief Annemarie. Das strahlende Licht im Hintergrund wurde dunkler. „...grüß den Paul von mir!“ hörte Kruse ihre Stimme noch sagen, bevor ihr Gesicht im Dunkel verschwand. Er schlug die Augen auf. Minutenlang verharrte er regungslos und starrte die Decke des Zimmers an. Dann stand er langsam, aber entschlossen auf. Es war an der Zeit, sich seinem Sohn zu stellen. Er hatte Paul immer geliebt, doch mit den Jahren war ihm klargeworden, dass er ihn kaum gekannt hatte. Jetzt, in dieser Nacht, würde er in den Keller gehen und nachholen, was er all die Jahre versäumt hatte...

Kruse schlüpfte in seine ausgetretenen Hausschuhe, zog den Morgenmantel über den Pyjama und verließ das Schlafzimmer mit einem seltsamen Gefühl. Auf dem Weg in den Keller dachte er über die Zeit nach, in der er die Gelegenheit gehabt hätte, Paul kennenzulernen. Fast ein Vierteljahrhundert! Doch er hatte diese Zeit nie genutzt, hatte die See immer mehr geliebt, als seine Familie, bis seine stille, klare Geliebte ihm seinen Sohn genommen hatte. Auch seine Frau, die gutherzige und immer so fröhliche Annemarie hatte eine Geliebte gehabt: die Kunst. Kaum war Paul alt genug, um länger allein klarzukommen, hatte sie sich dem Theater gewidmet, war auf Tourneen in ganz Deutschland gegangen und hatte Paul sich selbst überlassen. Doch der Junge war immer gut klargekommen, er hatte gute Noten geschrieben, hatte das Haus in Ordnung gehalten und sich um den kleinen Garten gekümmert... Kruse bereute nicht zum ersten Mal, nicht mehr Zeit mit Paul verbracht zu haben.
Als Kruse vor der Tür angekommen war, fühlte er sich, als stünde er an der Schwelle in eine andere Welt. Wieder zögerte er, wie schon so oft zuvor, doch diesmal drückte er die Klinke herunter.

Abgestandene Luft und der Geruch von Staub schlug ihm entgegen, als Kruse die Tür aufstieß. Vorsichtig ertastete er den Lichtschalter neben dem Türrahmen. Die alte Glühbirne flackerte kurz auf, dann erhellte der Raum sich. Er war leer.
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hmm,

abgesehen davon, daß sich mir der Inhalt der mehr als spärlichen und obendrein von völlig unnötigen Beschreibungen unterbrochenen Handlung einfach nicht erschließen wollte, möchte ich dich einfach mal fragen, ob Du mal gezählt hast, wie oft das Hilfsverb "hatte" in deinem Text auftaucht.
Mein Vorschlag: Entschlacken, Handlung rein bringen, stilistisch verbessern und somit eine G e s c h i c h t e draus machen, die den Leser auch bei der Stange hält.

Gruß Ralph
 

Delirium

Mitglied
abgesehen davon, daß sich mir der Inhalt der mehr als spärlichen und obendrein von völlig unnötigen Beschreibungen unterbrochenen Handlung einfach nicht erschließen wollte, möchte ich dich einfach mal fragen, ob Du mal gezählt hast, wie oft das Hilfsverb "hatte" in deinem Text auftaucht.

Nein, habe ich nicht.

Mein Vorschlag: Entschlacken, Handlung rein bringen, stilistisch verbessern und somit eine G e s c h i c h t e draus machen, die den Leser auch bei der Stange hält.

Bei einer Seite den Leser bei der Stange halten? Ich glaube, die meisten halten das auch so irgendwie durch.

Del
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
"Bei einer Seite den Leser bei der Stange halten? Ich glaube, die meisten halten das auch so irgendwie durch."

Tja - was soll ich dazu sagen? So betrachtet muß ich dir wohl Recht geben.

Gruß Ralph
 

Andrea

Mitglied
5 von 10

Egal wie lang ein Text ist, ein Leser sollte sich darin wohlfühlen..

Es stimmt, das "hatte" ist etwas häufig, und auch sonst wirken die Satzstrukturen bisweilen recht monoton auf mich, aber das paßt irgendwie zur Stimmung. Was mir nicht so recht gefällt, sind der erste und der vierte Absatz.

Im ersten Absatz wird vieles gesagt, was schlicht unnötig ist, etwa daß sich Kruse verändert hat. Wenn da erst steht, daß er das Meer liebte, und dann, daß er es haßt, dürfte klar sein, daß er sich verändert hat. Also lieber: Damals hatte Kruse begonnen, die See zu hassen. Aus einem anderen Grund sticht mir: "[...]hatte versucht, die Wunden zu heilen, die die See in seiner Seele hinterlassen hatte." ins Auge - es klingt recht pathetisch, fast kitschig, und paßt nicht richtig zu der Stimmung.

Im vierten Absatz würde ich den Traum radikal kürzen. Ist es wirklich wichtig, welche Fragen seine Frau stellt? Reicht es nicht, wenn du schreibst, daß er von ihr träumt und sich beim Aufwachen nicht einmal so recht mehr daran erinnern kann, nur daß sie ihm Grüße an ihren Sohn aufgetragen hat, ist ihm noch im Gedächtnis geblieben? (Überhaupt - wieso fragt sie nach ihm? Sie ist nach ihm gestorben, weiß also, daß er tot ist.. gut, es ist ein Traum von einer Toten, aber vielleicht wäre es sinniger, wenn sie vor Paul gestorben wäre. Dann könnte man sich auf den Wunden-heilen-Satz sparen...)

Nun ja, alles in allem ist der Text ganz nett.
 



 
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