Gewissensbisse

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Ilona B

Mitglied
Gewissensbisse

Noch 3 Minuten bis zur Abfahrt der Linie 18. Sarah flitzte die Stufen zur U-Bahnstation hinunter. Geschafft! Mit einem Seufzer der Erleichterung sank sie in den stoffüberzogenen Plastiksessel, allerdings nicht ohne vorher den Sitz zu kontrollieren. Erst letzte Woche hatte sie in einer undefinierbaren Substanz gesessen und dieses Erlebnis schrie nicht nach Wiederholung. Sarah quetschte die Einkaufstaschen zwischen ihre Beine. Das Ekelgefühl, das durch die Vereinigung von schweißnassen Beinen mit Plastiktüten verursacht wurde, ignorierte sie. Schräg gegenüber saß eine junge Frau. Ihr Baby schrie lautstark, vielleicht weil ihm die Hitze gehörig zusetzte. Sarahs Blick wanderte durch den Wagen. Oh nein. Eine ältere Frau wankte gebeugt den Gang herunter und bettelte offensichtlich die Fahrgäste an.
Eigentlich clever. Man musste sich anhören was sie zu sagen hatte und fühlte sich mehr als üblich genötigt etwas herauszurücken. Ich gebe Nichts! – Wir spenden nun wirklich genug. Drei Daueraufträge, jeweils Einen für die Dritte Welt, die Kirche und den Umweltschutz. Von den aktuellen Katastrophen nicht zu reden.
Die Bettlerin war bereits zwei Bänke entfernt und wandte sich an einen Anzugträger.
„Bitte, bitte – Du geben Geld. – Bitte schön!“
„Nein, möchte ich nicht!“ Dieser Satz kam klar und deutlich aus seinem Mund und kein strafender Blitz traf ihn. Keine Horde von empörten Mitfahrenden fiel über ihn her. Die Frau zeigte ebenfalls keine Reaktion. Sie lächelte weiterhin unverbindlich und mit einem „Danke und guterr Tag!“ wandte sie sich an den nächsten Fahrgast.
Sie darf das Geld sowieso nicht für sich behalten. Irgendeine Verbrecherbande schickt diese armen Leute auf die Straße und kassiert abends ab.
Sarah sah der Frau ins Gesicht. Diese nickte eifrig mit dem Kopf und lächelte. Die Augen jedoch blickten starr und leblos an Sarah vorbei.
„Bitte, bitte – Du geben Geld. – Bitte schön!“
Sarah atmete tief ein. „Natürlich, einen Moment!“ Sie holte ihr Portemonnaie heraus und reichte der Alten zwei Euro.
Wenigstens kann sich kein Komplize an meiner Handtasche vergreifen, denn die Fluchtmöglichkeiten hier sind ja sehr begrenzt.
So wie es aussah war Sarah eine der Wenigen die Etwas gaben.
Na was soll‘s. Uns geht es doch wirklich gut, da kann ich die paar Euros verschmerzen. - Aber wenn jetzt noch Einer kommt, der kriegt Nichts.
 
U

USch

Gast
Hallo Ilona B,
gut beobachtete und geschriebene Szene, wie sie in den öffentlichen Verkehrsmitteln vorkommt und irgendwie auch nervt, wenn´s überhand nimmt. Und dann der Vorsatz, nächstes Mal nichts zu geben. Wer kennt das nicht. Ob das beim nächsten Mal klappt?
LG USch
 

Ilona B

Mitglied
Hallo Uwe,
vielen Dank für Deine Bewertung und Deinen Kommentar.
Ich denke ich werde das nächste Mal wieder was geben. Zum Glück fahre ich nicht so oft Straßenbahn. Ich gebe nämlich lieber einem Straßenmusiker oder einem Obdachlosen für seine Zeitschrift etwas, da habe ich ein besseres Gefühl.
Herzliche Grüße Ilona
 

poetix

Mitglied
Hallo Ilona B.,
deine Geschichte erzählt eine fest umrissene kleine Episode. Für meinen Geschmack ist es ein bisschen schade, dass du hauptsächlich die äußeren Ereignisse beschreibst, die schließlich zwischen Nichtwollen und Doch-Geben liegen. Welche Gedanken sind es, die hier den Umschwung bringen? Vielleicht willst du ja dem Leser überlassen, das herauszufinden. Trotzdem wäre es ein interessantes Thema gewesen.
Viele Grüße
poetix
 

Ilona B

Mitglied
Hallo poetix,
vielen Dank für die Beschäftigung mit meiner Geschichte und der Bewertung. :)
Du hast wohl Recht. So richtig eindeutig kommt es nicht rüber warum Sarah nun doch etwas spendet. Eigentlich will sie nicht, aber da es ihr so viel besser geht als der Bettlerin hat sie ein schlechtes Gewissen und gibt trotzdem ein paar Euros. Ich stelle den Text bei Gelegenheit um oder ergänze ihn. Mal sehen was mir einfällt.
Herzliche Grüße Ilona
 

Ilona B

Mitglied
Gewissensbisse

Noch 3 Minuten bis zur Abfahrt der Linie 18. Sarah flitzte die Stufen zur U-Bahnstation hinunter. Geschafft! Mit einem Seufzer der Erleichterung sank sie in den stoffüberzogenen Plastiksessel, allerdings nicht ohne vorher den Sitz zu kontrollieren. Erst letzte Woche hatte sie in einer undefinierbaren Substanz gesessen und dieses Erlebnis schrie nicht nach Wiederholung. Sarah quetschte die Einkaufstaschen zwischen ihre Beine. Das Ekelgefühl, das durch die Vereinigung von schweißnassen Beinen mit Plastiktüten verursacht wurde, ignorierte sie. Schräg gegenüber saß eine junge Frau. Ihr Baby schrie lautstark, vielleicht weil ihm die Hitze gehörig zusetzte. Sarahs Blick wanderte durch den Wagen. Oh nein. Eine ältere Frau wankte gebeugt den Gang herunter und bettelte offensichtlich die Fahrgäste an.
Eigentlich clever. Man musste sich anhören was sie zu sagen hatte und fühlte sich mehr als üblich genötigt etwas herauszurücken. Ich gebe Nichts! – Wir spenden nun wirklich genug. Drei Daueraufträge, jeweils Einen für die Dritte Welt, die Kirche und den Umweltschutz. Von den aktuellen Katastrophen nicht zu reden.
Die Bettlerin war bereits zwei Bänke entfernt und wandte sich an einen Anzugträger.
„Bitte, bitte – du geben Geld. – Bitte schön!“
„Nein, möchte ich nicht!“ Dieser Satz kam klar und deutlich aus seinem Mund und kein strafender Blitz traf ihn. Keine Horde von empörten Mitfahrenden fiel über ihn her. Die Frau zeigte ebenfalls keine Reaktion. Sie lächelte weiterhin unverbindlich, und mit einem „Danke und guterr Tag!“ wandte sie sich an den nächsten Fahrgast.
Sie darf das Geld sowieso nicht für sich behalten. Irgendeine Verbrecherbande schickt diese armen Leute auf die Straße, und kassiert abends ab.
Sarah sah der Frau ins Gesicht. Diese nickte eifrig mit dem Kopf und lächelte. Die Augen jedoch blickten starr und leblos an ihr vorbei.
„Bitte, bitte – du geben Geld. – Bitte schön!“
Sarah atmete tief ein. Mitleid regte sich in ihrer Brust und kroch langsam die Luftröhre nach oben. Stell dich nicht so an. Uns geht es doch nun wirklich gut. Und schon hörte sie sich sagen: „Natürlich, einen Moment!“
Sarah holte ihr Portemonnaie heraus und reichte der Alten zwei Euro.
Wenigstens kann sich kein Komplize an meiner Handtasche vergreifen, denn die Fluchtmöglichkeiten hier, sind ja sehr begrenzt.
So wie es aussah, war Sarah eine der Wenigen die Etwas gaben. Resignierend lehnte sich Sahra zurück.
Aber wenn jetzt noch Einer kommt, der kriegt Nichts.
 



 
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