Gewissheit

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peaches

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Auf dem Weg zur Uni, als er sie auf der anderen Straßenseite sieht und stehenbleibt, da kommt sie wieder, die Erinnerung an die schönen Zeiten, früher, aber auch an das, was vor nun drei Monaten passierte. Manchmal hat er das Gefühl, dass sein ganzes Leben seitdem nur ein schlechter Traum ist und er irgendwann einfach aufwacht und alles ist wieder so, wie es vorher war.
Er erinnert sich daran, wie alles seinen Anfang nahm, wie das Ende seinen Anfang nahm, damals als Sophie von ihrer Studienexkursion zurückkam und er sich so sehr darauf freute sie wiederzusehen, obwohl sie doch nur eine Woche weggewesen war. Aber jeder Tag, jede Stunde kam ihm oft tausendmal länger vor, wenn sie nicht da war und er sich nicht in ihren Augen verlieren konnte. Aber an diesem Tag war alles anders, sie machte einen irgendwie bedrückten und traurigen Eindruck und als sie ihm sagte, auf der Fahrt habe sie etwas Blödes gemacht, da erwartete er schon sonstwas Schlimmes.
Obwohl sie sich gegenseitig immer absolut vertrauten und alle Freiheiten gaben und auch offen über alles sprachen, konnten auch sie sich natürlich nicht sicher sein, dass niemals etwas passiert, das den anderen nicht doch verletzt.
Als sie ihm nun sagte, dass sie auf der Fahrt an zwei Abenden mit wem anders geknutscht hat, war er schon sehr enttäuscht, aber sie schien die ganze Sache viel mehr mitzunehmen als ihn. Vielleicht lag es daran, dass sie für den anderen auch etwas empfand, also schon irgendwie Gefühle ihm Spiel waren, wie sie sagte.
An diesem Abend redeten sie gar nicht so viel über die ganze Angelegenheit, eigentlich war es so, dass sie sich ansahen und zusammen weinten und sich einfach nur festhielten und sich gegenseitig ihre Liebe versicherten. Später an diesem Abend, als sie schon nach Hause gefahren war, saß er noch lange da und versuchte sich über seine Gefühle klarzuwerden. Er war schon irgendwie verletzt, aber an seiner Liebe änderte das nichts und dann schrieb er ihr diesen langen Brief, in dem er ihr sagte, wie er sich jetzt fühlte und welche Zweifel doch an ihm nagten, Zweifel vor allem an sich selbst, aber auch Zweifel an ihr und an ihrer Beziehung. Aber er schrieb ihr auch, wieviel sie ihm bedeute und wie sehr er sie liebe und dass sie zusammen diese Krise bestimmt bewältigen würden, weil sie doch eine so intensive und tiefe, eigentlich einmalige Beziehung hätten und sie doch nicht bei der ersten Krise alles hinschmeißen könnten, was ihnen vorher so wichtig war.
Er schrieb ihr all seine Gefühle und Gedanken und als er fertig war, wußte er, dass er ihr diesen Brief nicht schicken würde, er sollte wohl besser noch mal über das Alles mit ihr reden.
Leider ergab sich diese Situation zum Reden in den nächsten drei Tagen nicht und dann fuhr sie schon wieder für zwei Wochen weg zu einem Kurzpraktikum an die Nordsee. So gab er ihr diesen Brief am Abend bevor sie fuhr und sagte ihr, dass er sehr schwere Lektüre sei, sie vielleicht auch verletzen würde und sie ihn nur lesen solle, wenn sie das auch wirklich wolle.
So nahm das Unheil seinen Anfang und heute fragt er sich oft, ob er mit diesem Brief alles kaputt machte, wo er doch nur ehrlich war und sie sich doch immer alles hatten sagen wollen und können.
In den folgenden zwei Wochen schrieben sie sich Briefe hin und her und etwa jeden zweiten Tag telefonierten und redeten sie miteinander, sie waren ehrlich und offen zueinander, beide hatten sie sich wehgetan, aber gehörte das nicht vielleicht dazu? Er hatte ein gutes Gefühl, er glaubte an ihre Liebe und ihre Beziehung, wollte mit ihr zusammen durch diese schwere Zeit gehen, zusammen um ihre Liebe kämpfen, aber sie wollte das wohl nicht, sie wollte nicht darum kämpfen.
Als sie wieder kam, sagte sie ihm, dass sie das Gefühl habe etwas Neues erleben zu müssen und Angst habe etwas zu verpassen, sie müsse sich noch austoben und deshalb wolle sie, dass sie sich eine Auszeit nähmen.
Sie sei sich auch ihrer Gefühle im Moment nicht so sicher, für wen sie überhaupt was empfinde, sie liebe ihn noch immer, aber da sei auch dieses Gefühl für den anderen, dieses Interesse ihn näher kennenlernen zu wollen und sie sei halt noch so jung mit ihren 20 Jahren und wolle nicht irgendwann bereuen, eine Chance nicht genutzt und etwas verpaßt zu haben. Sie sei sich sicher, dass sie sich nicht verlieren würden, dafür würde sie einfach viel zu viel für ihn empfinden und sie würden ganz sicher wieder zusammen kommen, nur das wann sei eben offen. Sie wäre auch in der Zeit der Auszeit immer für ihn da, wenn er jemanden zum Reden brauche und ihre Freundschaft würde wohl ewig halten, ganz gleich was auch passiert.
Er wußte, es würde schwer für ihn werden, aber er würde auf sie warten, weil sie seine große Liebe war und irgendwie verstand er sie auch; sie war halt schon noch sehr jung, immerhin acht Jahre jünger als er und sie waren auch schon über zwei Jahre zusammen, dieses Gefühl des was Verpassens und Nachholenmüssens konnte er schon verstehen, aber leichter wurde es für ihn deshalb nicht.
Und dann, nur zwei Wochen nachdem sie sich auf die Auszeit geeinigt hatten, hatte sie ihm gesagt, es sei endgültig aus und er solle nicht auf sie warten und sie wolle ihm keine falschen Hoffnungen machen, aber sie könne sich einfach nicht mehr vorstellen, mit ihm noch mal eine Beziehung zu führen. Sie wäre jetzt mit dem Anderen zusammen und das sei das Beste und einzig Richtige für sie, er sei der Richtige für sie. Aber als Freund, als Menschen wolle sie ihn nicht verlieren, weil diese besondere Ebene des Sichverstehens, diese Wellenlänge, die sie immer gehabt hatten, würde es so wohl nur selten im Leben geben.
Und seit diesem Tag liegt sein Leben in Scherben und ständig fragt er sich, was er nur falsch gemacht hat. Vor allem, was ist in diesen zwei Wochen passiert, dass sich ihre Meinung so geändert hat, was hat er in diesen zwei Wochen nur falsch gemacht? Warum sind ihre Gefühle in so kurzer Zeit so endgültig und unwiderruflich verschwunden, wie können so starke Gefühle so schnell verschwinden?
Seit diesem Tag haben sie sich nicht mehr gesehen, sie haben noch ein paar Mal telefoniert und er hat ihr ein paar SMS und Briefe geschickt, aber ihm ist klar, dass er lange brauchen wird, um in ihr nur noch eine gute Freundin zu sehen, dafür sind seine Gefühle einfach noch viel zu intensiv und er ist sich nicht sicher, ob seine Liebe überhaupt jemals vergehen wird. Zuletzt sagte sie ihm, er solle ihr keine Liebesbriefe oder ähnliches mehr schicken, weil es dadurch nur schwerer für sie beide werde und er müsse einsehen, dass das mit ihnen aus und vorbei sei und sie hätte nun eine neue Beziehung und sie sei so glücklich wie nie zuvor. Sie empfinde einfach nichts mehr für ihn und es sei besser, wenn sie erst mal etwas mehr Abstand halten würden.

In diesem Moment sieht sie ihn auch und sie scheint sich ehrlich zu freuen, ihn zu sehen, denn sie winkt ihm zu und tritt sogleich auf die Straße, um zu ihm herüber zukommen. Er sieht das Auto kommen und weiß sofort, dass es schon zu spät ist. Erst als sie das Quietschen der Bremsen hört schaut sie nach links und die Angst läßt sie stehenbleiben, unfähig sich noch zu bewegen. Er rennt los, es sind ja nur ein paar Schritte und stößt sie im letzten Augenblick zur Seite, bevor das Auto heranrutscht und ihn erfasst. Er wird hoch durch die Luft geschleudert und in dem Moment, in dem er auf der Bordsteinkante aufschlägt weiß er, dass es zu Ende ist. Als sie sich über ihn beugt lassen die Angst und Besorgnis, vor allem aber all die anderen Gefühle, die aus ihren Augen sprechen, sein Herz noch einmal schneller schlagen.
Er spürt seine Kräfte schwinden und doch, er muss es ihr einfach sagen. "Sophie, es tut mir leid, ich habe bestimmt viel falsch gemacht und wenn ich dich irgendwie verletzt habe, dass habe ich wirklich nie gewollt. Bitte verzeih mir, aber du bist der Mensch meines Lebens, meine große Liebe und ich, ich liebe dich! Bitte vergiß das niemals, okay? Vergiß mich nicht!"
Und er sieht den Schmerz in ihren Augen als sie leise flüstert: "Ich weiß, ich liebe dich doch auch noch immer und ich werde dich nie vergessen!"
Als es schwarz um ihn wird, weiß er, dass er nicht umsonst gelebt und geliebt hat und diese Gewissheit zaubert ein letztes Lächeln auf sein Gesicht...
 

Daijin

Mitglied
Ist schon irgendwie erschreckend, wie Du in dem ersten Teil Deiner Geschichte Erlebnisse schilderst, die ich beinahe genauso erlebt habe.
Da das alles sehr persönlich klingt (mit Ausnahme des letzten Absatzes), enthalte ich mich einer Aussage über Stil und Ausdruck.
 

Zefira

Mitglied
Tja, ihr Lieben....

... wo kämen wir da hin, wenn Texte wegen ihres persönlichen Bezugs hier nicht kritisiert werden dürften/sollten?
(fiel mir bei Dajins Signatur so ein - bitte jetzt NICHT als Anraunzer verstehen... :D )

Lieber peaches, Dein text besteht ja zum Großteil aus Rückblende - und dieser ganze Teil liest sich wie eine Grammatikübung im Plusquamperfekt. Im Klartext, es wimmelt von "war gewesen".

Eine solche Massierung von Hilfsverben, die ja keine Handlungsträger im eigentlichen Sinn sind, befrachtet den Text unnötig und nimmt Leben heraus. Ich würde vorschlagen, erzähle das Vergangene im Imperfekt. Der Leser sortiert sich die beiden Zeitebenen schon. Evtl. könnte man den "gegenwärtigen" Teil - also das, was nicht Rückblende ist - sogar im Präsens erzählen (den Unfall), das bietet sich an bei so viel Dramatik.

lG, Zefira
 

peaches

Mitglied
@ Daijin
Normalerweise würde ich sagen, schön, dass du dich so in meiner Geschichte wiederfindest, aber in diesem Fall tuts mir dann doch leid.
Trotzdem sollte man sich mit Kritik nicht zurückhalten, schließlich sind doch alle Texte hier irgendwie persönlich, egal ob wirklich erlebt oder erfunden.

@ Zefira
Hab den Text jetzt von den Zeitebenen her abgeändert und festgestellt, dass du wohl Recht hast, klingt flüssiger und nicht so nach Grammatikübung. ;)

Liebe Grüße,
Thorsten
 



 
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