Gier

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MelP

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Gier

Die Bässe dröhnen aus den gewaltigen Boxen, das Licht zuckt, die Luft ist rauchig und heiß, erhitzte Leiber pressen sich im Rhythmus der hypnotischen Melodie aneinander und die Gesichter wirken entrückt und ekstatisch. Meine Gier lässt sich angesichts der Nähe der Opfer kaum mehr zügeln und die Lust steigert sich ins fast Unermessliche. Ein schmerzhaft süßes Ziehen in der Magengegend schwillt mit dem Takt der Musik an und nimmt ab bis ich mich kaum noch zügeln kann. Direkt vor mir ein blonder Junge mit blasser Haut, durch die am Hals verführerisch die Hauptschlagader schimmert. Sie kontraktiert heftig angesichts der Anstrengung. Über seine Stirn zieht sich ein fein schimmernder Schweißfilm und sein Körper bewegt sich wie ferngesteuert zu den Bässen. Ich lenke meine Gedanken in seine. Ich dringe in seine trance-beruhigten Gedanken ein, die ziellos vor sich hinschwimmen. Ich lenke sie ein wenig in verschiedene Richtungen umher, wie um seinen Geist an meine Leitung zu gewöhnen. Er öffnet die Augen und sieht mich direkt an.

Ich bemerke, wie sein Bewusstsein ein wenig aus dem vernebelten Zustand auftaucht und mein Anblick in ihm Begierde weckt. Ich manipuliere seine vagen Gedanken und verstärke seine Lustempfindung. Ich nicke ihm zu und er folgt mir an die Bar. Ich steuere auf eine dunkle Ecke zu und lasse mich geschmeidig auf einen Barhocker gleiten. Bewundernd blickt er an mir herunter, nimmt meine makellose Figur unter der knappen Lederhose wahr und lässt seinen Blick eine Weile auf meinen strammen kleinen Brüsten ruhen. In Anbetracht der Nähe meines Opfers verändert sich das Aussehen meiner Pupillen, ich weiß, dass sie nun dem einer Raubkatze ähneln. Gleichzeitig gewinnen meine Fangzähne an Länge und werden spitz wie Dolche. Mein gesamter Körper ist sprungbereit und meine ohnehin schon übermenschlichen Kräfte wachsen noch weiter an. Fast willenlos geworden stellt sich der Blonde dicht neben mich und ich kann seine Lust durch meine Gedanken fast körperlich spüren, was wiederum meine Gier noch steigert. Ich kann das durch ihn pulsierende Blut spüren, kann mich seinem Duft nicht mehr entziehen und mit einer blitzartigen Bewegung schlage ich meine Fangzähne in seinen Hals. Heiß und klebrig schießt sein Blut mit Druck in meinen Mund, mein Körper steht in Flammen und schreit auf vor Verlangen nach mehr. Der Blonde hält still, seine Gedanken kommen für Sekunden zum Stillstand, sind gelähmt. Sein Blut fließt in einem beständigen, heißen Strahl in meinen Körper und spüre, wie es sich warm und wohlig in mir verteilt.

Ohne Vorwarnung reißt sich der Blonde von mir los, schreiend. Er presst seine Hand auf die Wunde an seinem Hals, dreht sich ohne einen weiteren Blick auf mich um und rennt davon. Meine Gedanken überschlagen sich. Wie konnte er sich losreißen, was hat unsere Verbindung gekappt und ihm die Möglichkeit zur Flucht geebnet? Ich blicke mich um und bemerke erleichtert, dass niemand seinen Schrei gehört oder seine überhastete Flucht registriert hat. Ich muss ihm folgen, um ihn endgültig zu erlegen. Waidwunde Beute darf nicht hinterlassen werden. Es darf keinerlei Erinnerung an mich und den Biss bestehen bleiben. Ich konzentriere mich kurz und finde schnell den Kontakt zu seinen Gedanken wieder. Er rennt. Er sucht instinktiv einen Ort, an dem viele Menschen sind. Er läuft Richtung Bahnhof. Der Bahnhof ist auch nachts voller Menschen.

Ich springe vom Barhocker auf und bemerke eine nie da gewesene Schwäche in meinen Oberschenkeln. Ich kann den Sprung kaum abfedern. Auch meine übrigen Gliedmaßen fühlen sich an wie ausgehöhlt. Die Musik dröhnt schmerzhaft in meinen Ohren und Übelkeit schnürt mir den Hals zu. Ich stolpere durch die Menschenmenge zum Ausgang. Lasse mich draußen rücklings gegen eine Mauer sinken und lausche in meinen Körper hinein. Ich spüre, wie das Blut des Blonden sich in mir ausbreitet, wie es mich schwächt, wie es einen Muskel nach dem anderen entkräftet und mir zu Kopf steigt. Meine Gedanken werden langsamer. Ich kann den Kontakt mit dem Blonden kaum aufrecht erhalten. Ich glaube zu sehen, dass er schon die Lichter des Bahnhofs vor sich hat. Mein sonst so brillantes Sehvermögen verschleiert sich und ich habe Mühe, die Augen geöffnet zu halten. Das fremde Blut rast wie eine Feuersbrunst durch mich hindurch. Schmerzen und Krämpfe beginnen mich zu schütteln. Ich schleppe mich mit letzter Kraft um die nächste Hausecke, damit niemand meinen Zustand bemerkt. Der Blonde ist inzwischen am Bahnhof angekommen. Der mentale Draht zu ihm wird schwächer, ich muss die letzten Kraftreserven aufwenden, um ihm folgen zu können. Er beginnt das erstemal seit dem Biss klare Gedanken zu formulieren. Er nimmt an, schwere Halluzinationen durch den Genuss der neuen In-Droge aus Chile erlebt zu haben. Er greift erneut an seinen Hals, kann dort aber keine Wunde ertasten. Meine Bisswunden sind schon immer innerhalb weniger Minuten verheilt. Panik überfällt meinen schmerzgeschüttelten Körper. Ich hatte nichts von der neuen Droge gehört. Ich hatte nichts in seinem Blut geschmeckt. Der letzte Gedankenfetzen, den ich von dem Blonden auffange lautet: „Wow, was für ein Trip!“
 
Hallo MelP,

stilistisch ist es mir ein wenig zu pathetisch. Aber die Idee mit der Droge gefällt mir. Die Frage ist, warum gerade diese Wirkung? Warum wird er/sie geschwächt?

Bis bald,
Michael
 

MelP

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Droge

Hallo Michael,
ich dachte mir, dass jede Substanz, die ein Vampir (außer Blut natürlich) zu sich nimmt, ihm grundsätzlich nicht bekommt. Und eine Droge ihm nicht nur einfach nicht bekommt, sondern ihn bzw. sie regelrecht vergiftet.
Den Schreibstil habe ich bewußt so gewählt um auzuprobieren, wie ich mit Sprache umgehen kann. Ein bisschen mit den Worten spielen eben...:)
Vielen Dank für Deinen Kommentar, liebe Grüße
Mel
 
Hallo Mel,

vielleicht wäre eine Alternative zur Schwächung eine Idee, wie du die Story ausbauen bzw. der Geschichte noch eine überraschende Wendung geben könntest.

Wäre eine Idee!

Bis bald,
Michael
 
Hallo MelP,

ich habe jetzt weitergelesen. Eine sehr menschliche Geschichte. Hier der altmodische Vampir mit seinem unterdrückten bösen Wesen, dort die in der Kindheit misshandelte Prostituierte, die drogensüchtig ist. Das ganze aus Sicht einer Frau geschrieben, sehr intensiv, wäre vielleicht eine Inspiration wert.

Bis bald,
Michael
 

MelP

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Buch

Hi, hört sich spannend an, muss unbedingt mal dran denken, es zu bestellen. Gibt immer so viel zu lesen...
Liebe Grüße
Mel
 

Gorgonski

Mitglied
Hallo MelP,

Als kritisches Auge möchte ich Deine Story bewerten. Die Idee im Großen und Ganzen ist gut. Nach zwei Drittel wußte ich worauf es hinausläuft (vielleicht Leseroutine). Was ein Kollege als pathetisch bezeichnete, würde ich als ausbesserungsfähig sehen bzw. sind es nur einzelne kleine Worte, die eine große Wirkung haben. Kurz vor der Mitte verwendest Du zweimal "Fangzähne", m.E. einmal zu viel (vom Lesegefühl her, da es ein relativ seltenes Wort ist). Beim zweitenmal würde ich nur Zähne oder etwas anderes nehmen (Hauer wäre zu krass). Dann kommt innerhalb von drei (?) Sätzen zweimal "schwächt"- auch einmal zuviel. "Gliedmaßen...wie ausgehöhlt"- finde ich auch umbennenswert.
Schön finde ich "waidwunde Beute"!
Fragwürdig die Flucht des Opfers. Warum rennt er zum Bahnhof? Warum sucht er keine Hilfe in der Disko?
Das Ende ist ansprechend geschrieben, finde ich also gut.
Auf weitere Untaten, *g*!
 



 
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