Glashaus

Nyxon

Mitglied
GLASHAUS

Und wieder sitze ich vor dem Laptop und weiß nicht weiter. Eine Woche ist es nun her, seit sie den Brief besitzt. Diesen Brief mit all seinen Wahrheiten und Selbsterkenntnissen. Ich habe ihn ihr zukommen lassen, in der Hoffnung, meine Seele durch eine Beichte zu erleichtern und ihr ohne Umschweife erklären zu können, was mich plagt.
Ich dachte, ich könnte in ein paar Tagen mit einer Antwort rechnen. Zumindest eine Reaktion – egal ob positiv oder negativ – hatte ich erwartet. Doch es kam nichts und ich habe wenig Hoffnung, dass noch etwas kommen wird. Mittlerweile kann ich mich selbst nicht mehr verstehen. Warum nur habe ich ihr diesen Brief geschrieben und ihn dann zu ihr gebracht? Warum habe ich nicht vor dem Hausbriefkasten gesagt, dass es genug ist und bin sofort wieder umgekehrt? Ich kann es mir nicht mehr erklären.
Es sieht mittlerweile so hirnrissig in meinen Augen aus. Ich habe sonst nie so etwas gemacht. Ich war immer schüchtern und habe ein Mädchen, das mir gefiel nie direkt angesprochen, geschweige denn meine Masken fallengelassen. Ich habe mich mit diesem Brief endlich frei gemacht. Das kann und will ich nicht leugnen. Aber ich komme mir seit diesem Tag so nackt und ungeschützt vor.
Mein Schutzpanzer, den ich über Jahre aufgebaut habe, ist plötzlich ganz dünn und ich habe Angst, dass man die ganzen Sachen, die ich im Brief gesagt habe, gegen mich verwenden könnte. Es waren schlimme Sachen. Ich habe mich völlig geöffnet diesem Mädchen gegenüber, das ich seit acht Jahren das erste Mal wieder gesehen habe. Acht Jahre! Und ich lasse mir nichts besseres einfallen, als einen Brief zu schreiben. Drei Seiten lang. Vollgepackt mit allen möglichen Sachen, die mich in diesem Augenblick bewegt haben. Er hat Ähnlichkeit mit diesem Text. Ich schreibe, was mich bewegt. Nur dieses Mal ist es anders.
Ich schreibe nicht über Liebe und Einsamkeit. Ich beichte nicht, was mir seit Jahren auf der Seele liegt. In diesem Text verurteile ich mich wieder einmal selbst dafür, dass ich mich in ein Glashaus manövriert habe. Ich sitze mitten drin und kann nicht mehr heraus.
Draußen steht dieses wunderschöne Mädchen. Sie ist groß geworden und hat eine faszinierende Ausstrahlung auf mich. Ich kann nicht leugnen, dass ich vielleicht sogar leichte Verliebtheit verspüre. Aber gleichzeitig habe ich auch Angst.
Dieses Mädchen steht vor dem Glashaus, in dem ich gerade sitze. Sie kennt mich und sie kennt auch das Glashaus. Das ist nämlich aus meinem Schutzpanzer geworden. Früher mächtig – alles abhaltend. Heute – eine Ummantelung aus feinstem Glas. Ein einziger Stein genügt und dieses Glas bricht entzwei und ich bin daraufhin vollkommen ohne Schutz. Meine Seele liegt offen und ich werde untergehen in dieser gewaltvollen Welt, die keine Gnade kennt.
Ich befürchte, dass dieses Mädchen in jedem Augenblick einen Stein aufnehmen kann und ihn auf das Glashaus schleudert. Vielleicht nicht mit Absicht. Sie ist sich den Folgen vielleicht gar nicht bewusst. War ich auch nicht, als ich den Brief verfasste. Aber es passierte. Und auch kann dieser Stein geworfen werden. Ohne Absicht. Ein Reflex. Ein Experiment. Sie denkt nicht über ihre Handlung nach und wirft den Stein auf das Glashaus.
Und das Glas ist so fein, dass es sofort zerbrechen wird. Scheibe für Scheibe wird daraufhin in tausend kleine Splitter zerspringen und das gesamte Glashaus über mir einstürzen. Ich werde vielleicht nicht sterben bei diesem Einsturz. Aber ich werde Wunden davontragen, die nie wieder verheilen werden. Ein Leben lang werde ich sie tragen. Jeder wird sie sehen können und mich verspotten.
Schaut! Diesem Idioten ist ein Glashaus auf den Kopf gestürzt. Selbst schuld! Warum geht er auch in eins hinein, wenn er doch weiß, dass jemand einen Stein werfen könnte.
Und ich habe nur eine Bitte an euch: Werft den Stein nicht auf mein Glashaus.
 
Steinewerfer

Lieber Nyxon,

sei dir gewiss es ist nicht meine Absicht Steine auf deine Schutzhülle zu werfen, ich finde deinen Text sehr schön.
Er drückt sehr viel Gefühl aus und glaube mir ich kann mich sehr gut in deine Lage hineinversetzen.
Auch ich habe solche Briefe geschrieben und dann tagelang gehofft und gebangt. Aus meinem letzten Versuch ist eine sehr tiefe wundervolle Freundschagft erwachsen, die eher eine Beziehung zwischen Geschwistern ist.

Aber wer solch einen Brief gegen dich verwendet, der war's nicht wert!
Es fordert nämlich sehr viel Mut sich so zu öffnen.
Ich wünsche dir weiterhin Glück und geh aus deinem Glashaus, dann treffen dich die Steien nicht, auch wenn der Anfang sehr schwer ist, aber mit dem Brief hast du bereits den ersten Schritt getan.

Liebe Grüsse
Christina
 



 
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