Goethe und der Schüttelreim

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Zwar will ich nicht behaupten, dass Goethe Schüttelreime verfasst hätte, dafür gibt’s nun wirklich kein Beleg, doch lassen sich beim großen Meister einige Stellen finden, in denen Schüttelreime sozusagen angelegt sind, z.B. im Faust:

Es irrt der Mensch, solang er strebt.

Dieses geflügelte Wort hat mich zu einer geschüttelten Betrachtung angeregt:

Es irrt der Mensch, solang er strebt,
seit ohne Nabelstrang er lebt,
das heißt, von Kindesbeinen an
zieht Ehrgeiz ihn in einen Bann.

Als Kind hebt er das Köpfchen dann,
wenn er allein aufs Töpfchen kann.
Erfolg ist's, der ihn streben lässt
was ihn in seinem Leben stresst,

wenn Zeit er nur dem Hetzen schenkt,
weil, ach, sein Herz an Schätzen hängt.
Doch werden ihm zur Fron die Tage,
stellt er im ernsten Ton die Frage:

Beweisen nicht auf Erden Wirren,
was Goethe meint: Wir werden irren?
Statt dass wir uns im Leben streiten,
sollt die Vernunft das Streben leiten.

Der Weltgeist liegt im Dauerschlummer,
die Menschheit wird statt schlauer dummer.
Wie können gut die Saaten stehn,
wenn nur auf Macht die Staaten sehn?

Das Thema lockt, es fortzuwinden,
doch gilt’s, als Schluss ein Wort zu finden:
Streb jeder auf der wirren Erde,
dass er nicht einst zum Irren werde.
 



 
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