Goldene Zeit

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Goldene Zeit

Mein Blick hängt
an der goldenen Taschenuhr
die mir geblieben ist
er verweilt an dem hektisch
wie ein Dieb auf der Flucht
eilenden Sekundenzeiger
Sie verkündet
golden die Zeit
Ich schaue von ihr
hinauf auf den Hinterhof
der wie von
Gefängnismauern gesäumt
im Elend erstickt
Überlaufende Mülltonnen
vor brüchigem Mauerwerk
und schrottreifen Autos
Ein Kunstwerk der Armut
grau in grau fließen die Farben
Ich suche vergeblich
das Gelb oder Rot einer Blüte
und finde nichts
Geblieben ist mir
das goldene Zifferblatt meiner Uhr
doch ich vermag nicht zu erkennen
die goldene Zeit
ist sie für immer Vergangenheit
 
S

Sandra

Gast
Lieber Walter,


was schreibst du denn für traurige Sachen?
Für mich ist dein Gedicht eine Erzählung über das Alter. Viele alte Menschen empfinden so und der Wehmut spricht aus deinen Zeilen.

Ein, zwei Dinge habe ich zu bemerken:
Goldene Zeit

Mein Blick hängt
an der goldenen Taschenuhr
[blue]er verweilt(an dem)[/blue] [strike]den[/strike] langsam
im gleichmäßige[blue](n)[/blue] Takt
wie ein Dieb auf der Flucht
(eine Formulierung würde ich hier streichen. Entweder als Beschreibung: im gleichmäßigen Takt oder wie ein Dieb auf der Flucht. Mir gefällt Letztere besser, allerdings hast du dann einen Wiederspruch in dem Ausdruck "langsam und schleichend" und "der Dieb auf der Flucht", das Bild ist etwas unstimmig)
Ich verdeutliche es hier einmal an einem Beispiel:

Mein Blick hängt
an der goldenen Taschenuhr
er verweilt an dem unruhigen
wie ein Dieb auf der Flucht
eilenden Sekundenzeiger
Sie verkündet
golden die Zeit
Ich schaue von ihr
hinauf auf den Hinterhof
der wie von
Gefängnismauern gesäumt
im Elend erstickt
Überlaufende Mülltonnen
vor brüchigem Mauerwerk
und schrottreifen Autos
Ein Kunstwerk der Armut
[blue](Ganz starkes Bild!!![/blue]
grau in grau fließen die Farben
Ich suche vergeblich
das Gelb oder Rot einer Blüte
und finde nichts
Geblieben ist mir
das goldene Zifferblatt meiner Uhr
doch ich weiß nicht zu sagen
die goldene Zeit
ist sie Vergangenheit

Hier hake ich nochmals an den drei letzten Zeilen.
Doch ich weiß nicht zu sagen
die goldene Zeit
ist sie Vergangenheit
Vorschlag:
Doch ich vermag sie nicht zu lesen (erkennen?)
die goldene Zeit
Ist sie Vergangenheit?

Falls dies jedoch die Aussage zu sehr verändert, würde ich lediglich ein Fragezeichen hinter Vergangenheit setzen.

Ich hoffe, ich habe deine Interpretation richtig gedeutet. Bitte sei mir nicht böse, wenn ich ein wenig mit deinen Zeilen gearbeitet habe, aber mir bereitet es ein großes Vergnügen, mich in deinen Zeilen zu verkriechen ;). Die starke Aussage deines Textes berührt mich sehr.

LG
Sandra
 
Hallo Sandra,

du machst mir ja richtig Arbeit :) aber ich werde deine Anregungen überdenken und einarbeiten. Ich denke, dass es, so wie du es vorschlägst, auch schlüssiger ist. Ich habe mich gefreut, dass du dich so mit dem Text auseinander setzt. Ich wollte aber nicht über das Alter schreiben, sondern darüber, dass viele Menschen immer ärmer werden und die goldene Taschenuhr steht für bessere Zeiten und sie ist das einzige, was geblieben ist. Kommt vielleicht nicht so rüber, muss ich noch mal daran arbeiten. Aber schau du mal, wie es jetzt geworden, mit deinen Vorschlägen.

LG Walter
 
S

Sandra

Gast
Lieber Walter,

Im Alter werden Menschen oft einsam und auch arm. Die Rente reicht hinten und vorne nicht, von daher ist das Bild des alten und armen Menschen nicht so weit voneinander entfernt. Somit hast du für mich trotzdem ausgedrückt, was zu sagen war. Ich kenne diese goldene Taschenuhr noch von meinem Opa, vielleicht dachte ich deshalb direkt an einen alten Menschen. So hat halt jeder seine Assoziationen ;)
Dein Text gefällt mir sehr gut. Vorher auch schon ;), nun ist er für mich klarer formuliert, ich hoffe, du bist immer noch eins mit deinem Text, das ist wichtiger als alles andere. Ich beschäftige mich gerne mit deinen Gedichten, sie haben Tiefe und die gilt es zu ergründen. Das mache ich furchtbar gerne.

Nur noch eine Frage: Ist dein letzter Satz eine Frage, dann würde ich das Fragezeichen noch hinter setzen.

LG
Sandra
 
Hallo Sandra,

schön...so nette, aufbauende Worte von dir zu bekommen...schmeichelt sehr....:) Es ist sicher mehr eine Frage, nur wollte ich keine Frage- oder andere Satzzeichen verwenden um Spielraum zu lassen.
Muss ich noch mal überlegen was richtiger (besser) ist.

LG
Walter
 
hallo walter. vom stimmungsbild wieder mal sehr gelungen.
und was besonders auffällt, ist ein ganz ungwohnter aber interessanter text von dir.
was hälst du von meinem Vorschlag unten? das liest sich für mich flüssiger. ich stolperte über die ersten zeilen beim lesen. obwohl die bilder und vergleiche wirklich toll sind.

Mein Blick hängt
an der goldenen Taschenuhr
die mir geblieben ist
er verweilt an dem hektisch
eilenden Sekundenzeiger
als sei er,
wie ein Dieb auf der Flucht
heike
 

strolch

Mitglied
hallo sandra und heike,

darf ich mal fragen,: wie kommt ihr bei diesem text auf alter???

ich hatte beim Lesen einen jüngeren vor augen und walter schreibt doch gar nichts von alter.

ja sandra, deine kleinen veränderungsvorschläge, seh ich auch so.


lg brigitte
 
Hallo Heike,

erst einmal Sorry, dass ich jetzt erst antworte, aber bei dem Wetter bin ich fast nur im Garten oder "auf Arbeit," wie man so sagt. Ich habe mir deinen Vorschlag lange überlegt, nur meine ich, dass der Sinn dann anders ist. Ich lese es dann so, dass mein Blick der Dieb auf der Flucht ist und das ist ja nicht gemeint. Schau noch mal drüber.

LG Walter
 
S

Sandra

Gast
Liebe Brigitte,

die goldene Taschenuhr brachte mich darauf, dass es sich um einen älteren Menschen handelt. Auch der Titel: goldene Zeiten, ein Satz, den gerne ältere Menschen verwenden, wenn sie von der Vergangenheit sprechen. Zudem ist es häufig und auch leider so, dass Alter mit Armut einher geht. Muss natürlich nicht so sein.


LG
Sandra
 



 
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