Gott und Teufel

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Alter Ego

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„Siehst du die Menschen?“, fragte Gott, mit einem liebevollen Lächeln. „Sie leben, sterben, lieben und hassen. Ihre mannigfaltigen Charaktere, ihr ganz persönliches Aussehen und auch die Seele, die jedem Mensch zu Eigen ist, siehst du das?“
Der Teufel zog eine Grimasse. „Ja, ja die Menschen. Müssen wir uns jetzt wirklich darüber unterhalten? Du weißt doch, dass wir bei diesem Thema immer anfangen zu streiten. Warum spielen wir nicht wieder eine Partie Schach um das Schicksal eines dieser, unserer Geschöpfe?“ Er kratzte sich nachdenklich an seinem Bart, bevor er hinzufügte. „Aber ohne zu reden. Wir müssen uns nur auf einen Menschen einigen, der, sollte ich gewinnen in die Hölle, oder falls du dir wieder den Sieg erschummelst in den Himmel kommt.“ Während er die letzten Worte sprach, erschien ein zugleich herausfordernder, als auch verbitterter Ausdruck auf seinem höllischen Antlitz.
Gott überlegte einen Moment, ehe er abwinkte. „Ich habe jetzt keine Lust auf Schach. Ich will auch nicht mit dir streiten, aber es gibt da etwas was mich gehörig an den Menschen stört. Versteh mich nicht falsch. Sie sind faszinierende Wesen, doch eine Sache geht mir gewaltig gegen den Strich. “
„Ach was!“, rief der Teufel spöttisch. „Dich, den netten und gütigen, allseits beliebten Gott stört etwas an den Menschen?“
Gott sprach weiter, als hätte er die Worte des Teufels nicht gehört. „Es gibt da jemanden, der nennt sich Gottes Stellvertreter auf Erden. Unglaublich so etwas. Er verlangt von den Menschen nach meinen Vorschriften zu leben. Wozu haben wir ihnen einen freien Willen gegeben, wenn sie nun nach meinen vermeintlichen Vorschriften leben? Ich halte auch nichts von dieser ständigen Verehrung und den Gebeten. Glauben die denn tatsächlich, ich würde jedes einzelne Gebet erhören und ihnen nach Gutdünken ihre Wünsche erfüllen?“ Gott blickte ins Gesicht seines Gegenübers und sprach nicht mehr weiter, obwohl ihm noch allerhand auf der Zunge lag.
Des Teufels Augen blitzten zornig. Gott hätte sich nicht gewundert, wenn Funken aus den pechschwarzen Augenhöhlen gesprüht hätten, doch der Teufel riss sich zusammen und ließ es nicht so weit kommen. Sobald er sich wieder halbwegs beruhigt hatte und sprechen konnte, ohne Gefahr laufen zu müssen, heiße Flammen aus dem Mund zu speien, sagte er mit leiser, fast brechender Stimme: „Du störst dich an ihrer Liebe zu dir? Kannst du dir auch nur im Entferntesten vorstellen wie verletzend derlei Worte für mich sind? Möglicherweise bin ich eifersüchtig auf dich. Schon mal daran gedacht? Wir haben die Menschen gemeinsam erschaffen, so wie auch den gesamten Planeten, also könnte man meinen sie würden uns gleichermaßen lieben, nicht wahr?“ Seine Stimme klang nun beinahe weinerlich. „Wenn sie mich schon nicht so lieben wie dich, weshalb müssen sie mich denn gleich hassen?“.
Aufmunternd tätschelte Gott dem Teufel die Schulter. „Weißt du was? Warum tauschen wir nicht für eine Zeit lang die Plätze. Du übernimmst den Himmel und ich werde derweil in der Hölle für Ordnung sorgen. Was meinst du dazu?“
Es wäre untertrieben, den Ausdruck auf des Teufels Gesicht perplex zu nennen. Mit weit aufgerissenen, völlig überraschten Augen starrte er Gott an. Gott blickte zurück, sein Mund zu einem freundlichen, ehrlichen Lächeln geformt. Der Teufel kam zu dem Entschluss, dass der Vorschlag, so verrückt er auch klingen mochte, durchaus ernst gemeint war.
„Einverstanden.“, antwortete der Teufel erfüllt von Dankbarkeit.
 



 
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