Gras unter meinen Füßen

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Costner

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Ich spüre feuchtes Gras unter meinen Füßen. Nur feuchtes Gras. Ich fühle, wie die Kälte meine Beine hinauf kriecht, ganz langsam. Ich bin barfuss und der Wind spielt mit meinem Haar. Allein stehe ich hier oben auf dem Berg, in der Wiese vor dem Abgrund, der tief wie ein Schlund das Maul aufreißt und auf mich wartet. Grob geformte Steinfelsen ragen aus dem Berg hervor, wie stumpfe Steinriesen, die den Berg so außergewöhnlich machen. Deshalb nennt man ihn auch den Beulenriesen. Der Abend ist spät, die Sonne vermischt sich mit dem orangefarbenen Himmel, verliert ihre Form einer runden Scheibe und zerfließt in alle Richtungen. Ich balle meine Füße zusammen und das Gras kitzelt mich. Still stehe ich da, unbeholfen und meine Gedanken fließen fort, hinunter in den Schlund. Gedankenfetzen, die ich verlieren möchte und mir ansonsten den Verstand rauben. Meine Hände zittern und in meinem Nacken stellen sich die Härchen auf, weil es mich fröstelt. Der Wind frischt langsam auf, die Sonne verschwindet hinter dem Horizont und der Mond am Firmament gewinnt an Ausdruck. Die Linien zeichnen sich immer klarer vom dunkler werdenden Nachthimmel ab. Obwohl er schon den ganzen Tag da gewesen war, der Mond, beginnt er erst jetzt, an Aufmerksamkeit zu gewinnen. Die Erde unter meinen Füßen ist weich, aber auch kalt. Als ich daran denken muss, dass ich wieder zurückkehren muss, ehe ich mich in der Dunkelheit verirre, schießen mir plötzlich Tränen in die Augen. Denn ich will nicht zurück. Ich will hier bleiben, allein, mit mir. Also stehe ich hier, still und verlassen, betrachte den Horizont, wünsche mir ihn mit meinem Zeigefinger leicht zu berühren, ihn zu erreichen, wo er doch so fern ist. Die Zeit vergeht und der Wind mit ihr. Mein Haar hängt mir in Strähnen ins Gesicht. Die Haarspitzen kitzeln meine Wangen, aber reglos bleibe ich stehen und bekämpfe den Willen, mich kratzen zu wollen. Die dunkelbraune Cordhose reicht mir bis über die Füße. Als ich die Hose mit beiden Händen ein wenig anhebe, muss ich erkennen, dass meine Füße ganz schmutzig von der losen Erde sind. Ständig muss ich mich fragen, wieso ich hier bin? Und obwohl ich auf der Flucht bin, glaube ich mich in Sicherheit zu wissen. Auch wenn die Angst mein ständiger Begleiter ist, so beginnt in mir das Gefühl zu wachsen, dass ich nicht um das fürchten muss, was geschehen wird.


wenige Stunden zuvor…
Still sitze ich am Frühstückstisch. Dieser Ort wirkt verlassen. Die Stuhllehne ist kalt, als ich mich zurücklehne. Ich spiele mit dem Teelöffel in meiner rechten Hand. Spüre das glatte, kalte Metall zwischen meinen Fingern. Vor mir auf dem Tisch steht eine Schale, die in grauen Wellenlinien durchzogen ist. Das Design ist anmutend schlicht. Eine Tasse Tee steht daneben, der noch so heiß ist, dass er dampfend in die Luft steigt. Schnell verschwindet er in der Luft und mit ihm der Gedanke, aufzustehen und einfach zu gehen. Die Stille wirkt erdrückend und das Gefühl, allein zu sein, obwohl man es nicht ist, macht mich missmutig. Catherine geht an mir vorüber, als würde sie mich gar nicht wahrnehmen. Sie hält in ihrer Hand eine Tasse Kaffee, ich beobachte sie, wie sie den Stuhl vom Frühstückstisch hervorzieht und sich behutsam auf das Polster, welches auf dem Stuhl liegt, setzt. Den Kaffee stellt sie rechts von sich ab. Dann schlägt sie die morgendliche Tageszeitung auf und betrachtet angestrengt die Schlagzeilen. Ihre Stirn wirft sie immer in Falten, wenn sie konzentriert etwas liest oder im Fernsehen verfolgt. Ich betrachte ihre zarte Haut, rosig und wohlduftend, nachdem sie direkt aus dem Bad gekommen war. Ihre Nase glänzt von der Creme, mit der sie sich immer einreibt – dort hat sie etwas trockene Haut. Dann lehne ich mich nach vorn und tauche den Löffel in die Schale ein, die vor mir steht. Schnell aber vergeht mir der Hunger. Das Schweigen scheint mir beinahe das Herz zu brechen. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Als ich den Löffel los lasse, taucht er in den zarten Joghurt ein, Kirschrot. Als sich Catherine bewegt ist meine Aufmerksamkeit schnell wieder bei ihr. Sie zieht sich die zurückgekrämpelten Ärmel wieder vor, weil sie fröstelt. Unverstanden schweift ihr Blick für einen Moment durch die Küche. Ich habe das Gefühl, dass ihr Blick durch mich hindurch fährt. Es macht mir Angst und ich setzte an, sie zu fragen, was ihr fehlt. Doch als ihre traurigen Augen dann in die meinen starren, fühle ich mich fast schwerelos. Ich getraue mich nicht zu atmen, nichts zu sagen, mich nicht zu bewegen. Es tut gut, ihren Blicken zu begegnen. Aber dieses Glück der Zufriedenheit, dass sie mich wahrnimmt, währt nicht lange, als ihr Tränen in die Augen schießen. Als stünde die Zeit einen Augenblick still, füllen sich ihre bezaubernden Augen mit Tränen, rollen die rosigen Wangen herunter. Die bedrückende Stille frisst mich auf. Dann erfüllt ein stumpfes Quietschen die Küche, sie schiebt den Stuhl vom Tisch weg und steht auf. Sie legt ihr zerbrechliches Gesicht in ihre Hände und schluchzt, als hätte sie verloren, was sie am Leben erhalten hatte. Mit Entsetzen muss ich mit ansehen, wie sie aus der Küche stürzt und verschwindet. Am liebsten würde ich ihr hinterher eilen, aber ich lasse sie mit ihrem Schmerz allein. Der Widerstand in meinem Herzen ist groß, mich gegen diese Bewegungslosigkeit zu wehren, doch die Realität fühlt sich an wie eine Rasierklinge, die mir in die Haut feine Linien schneidet, die sich mit Blut ausfüllen. Ständig stelle ich mir die Frage, was schief gelaufen ist. Ich nippe an meinem Tee, der mir heiß den Hals hinunter läuft. Seufzend raffe ich mich auf, aufzustehen und zu ihr zu gehen. Ich will sie mit ihrem Kummer nicht allein lassen. Und als ich die Türschwelle übertrete, sehe ich sie auf der Couch liegen, eingerollt wie ein Embryo, die Knie an das Kinn gezogen, die Arme um die Beine geschlungen. Wippend liegt sie auf der farblosen, grauen Couch. Sie weint und die Tragik dieses Moments brennt sich mir in mein Gedächtnis, als wäre dies der entscheidende Teil meines Lebens. Ich gehe zur ihr hin und balle meine Hände zu Fäusten, die bereits Schweißnass sind. Dann setzte ich mich ans andere Ende der Couch. Ich sehe sie an wie beim ersten Mal. Ihr langes, gelocktes braunes Haar liegt strähnig über der Lehne der Couch. Der Jogginganzug, den sie trägt, ist eng an ihre schlanke, wunderbare Figur angepasst. Etwas nervös suche ich nach den richtigen Worten.
„Oh Catherine, ich wünschte ich könnte dir helfen, dir nahe sein in deiner Trauer. Ich wünschte, ich könnte dir helfen. Es tut mir so Leid“, flüstere ich ihr zu, um sie nicht zu erschrecken. Unschuldig liegt sie da wie ein kleines Kind, dem man die Realität der Welt ganz langsam, ganz Vorsichtig beibringen muss, ohne sie dabei zu überwältigen. Die Ereignisse dieser Welt sind meist niederschmetternd, hart, kalt und unberechenbar. Aber die Hoffnung wird immer über den Schmerz und die Tragik gewinnen. Das liegt in der Natur des Menschen, denn die Hoffnung wird nie versiegen.
„Ach David“, flüstert sie zurück und schluchzt weinend, während sie sich in ihren Tränen zu verlieren scheint. Dann flüstert sie noch etwas Unverständliches. Es ist nur sehr kurz, aber ich weiß nicht, was sie mir sagen wollte. Es ist der Anmut ihrer Schönheit, die wunderschönen Linien ihres Körpers, die mich anziehen, die wohl klingende, vertraute Stimme, dass ehemalige Lächeln in ihrem freundlichen Gesicht. Catherine war das Beste, was mir jemals passieren konnte. Doch dann - ich weiß in manchen Momenten, dass man mit seiner Trauer allein sein will – kehre ich bedacht in die Küche zurück. Ich nippe ein letztes Mal an meinem Tee, er ist fast kalt. Dann räume ich das Geschirr weg und gehe in den Garten, durch die Hintertür die wenigen Holztreppen herunter. Die Sonne scheint und die Wärme scheint mich zu streicheln. Es ist lange her, dass ich die Sonne genießen konnte. Irgendwie fühlt man sich an der frischen Luft frei, als würden alle Sorgen mit der Luft dahingehen, irgendwo versiegen, wo sie keine Bedeutung mehr erlangen. Dann spüre ich die Kälte in meinen Beinen und als ich an mir herunterblicke, erkenne ich, dass ich Barfuss bin. Ich balle meine Füße und die Zähen bohren sich sanft in die lockere Erde des Gartens. Als die Tür ins Schloss fällt, wache ich aus meinem Tagtraum auf und sehe über die linke Schulter. Catherine läuft durch den Vorgarten, mit einer schwarzen Brille und Handtasche auf die Straße. Sie läuft um den Wagen herum und steigt ein. Es dauert nicht lange, da springt der Motor an und sie fährt die Straße hinunter.

Es ist später Nachmittag. Der Himmel strahlt stahlblau, Wolkenfetzen ziehen über die Stadt hinweg. Stimmengewirr umgibt mich, dass um die Ecken der Fassade zu schleichen scheint. Menschenmassen bahnen sich ihren Weg über den Gehsteig, wie eine Stromschnelle in einem gewaltigen Fluss streifen sie mich und schlüpfen an mir vorüber. Ich spüre ihre Nervosität, die suchenden Augenblicke der zahllosen, fremden Gesichter. Sie sehen aus wie umherirrende Masken, auf der Suche nach ihrem Ziel, dass so bedeutungslos wie eine verlorene Quittung im Rinnsal des Randsteins, der vom Gullydeckel verschluckt wird, erscheint. Ich stehe still da, auf dem breit gezogenen Gehsteig, zwischen Häuserschluchten und Blechlawinen, die wie rollende Geister auf dem dampfenden Asphalt herumspuken, hupen und langsam vorbeifahren. Ein kurzes Gewitter hatte die Atmosphäre ein wenig abgekühlt, aus der Kanalisation steigt dampfender Gestank auf – das ist normal in einer Großstadt.
Als ich mich umsehe, durch die fremden Menschen meine Blicke bahne, erkenne ich sie wieder auf der anderen Straßenseite. Ich schlüpfe zwischen den schmalen Lücken hindurch, die mir die Menschen lassen, um an den Straßenrand zu gelangen. Als ich dort angelange, beobachte ich sie und als in einem stillen Augenblick unserer Zeit ihr Blick über die Straße fliegt und auf die andere Menschenmenge auf der anderen Seite trifft, glaube ich, dass sie mich erkennt. Und als ich die Hand hebe, um ihr zuzuwinken, verlieren sich ihre Blicke wieder und begrüßen einen anderen Mann – einen Mann, den ich nicht kenne.
Etwas steigt mir in die Kehle, ich muss schwer schlucken. Auf einmal fühlt sich alles so kalt an und es fröstelt mich. Ich reibe mir die Oberarme. Ein Zettel in dem schmalen Rinnsal des Straßenrands erregt meine Aufmerksamkeit. Kurz bevor er von der Kanalisation verschluckt wird, greife ich danach und breite ihn auf meiner Handfläche Vorsichtig aus, bevor er zerreißt. Das Papier ist von Wasser getränkt, verletzlich wirkt die Struktur. Die Schrift ist verschwommen, aber noch leserlich. Ich muss mich anstrengen, um herauszufinden, was darauf steht. „Die Liebe ist dein Ziel, welches immer dein Anfang sein wird.“
Die Worte auf dem Zettel fließen wie Gedanken in meinen Kopf. Der Zettel erinnert mich an einen Glückskeks, den ich und meine Frau immer in einem Restaurant bekommen hatten. Als der Zettel aus meiner Hand gleitet, verschwindet er in der dunklen Kanalisation. Er geht verloren wie das Blatt im Herbst. Es nagt wie eine schwere Erkenntnis an mir, die ich nicht wahrhaben will. Da sitzt sie, auf der anderen Straßenseite, so unerreichbar, unnahbar, so das ich ihren Duft nicht riechen, ihre Stimme nicht hören kann. Ihr Leben erscheint mir wie eine Blume, die aufgeht, wenn die Sonne scheint und die schläft, wenn der Mond das Firmament und seine Sterne beleuchtet. Nur ich stehe da, am Straßenrand auf der anderen Seite in einem Leben, dass ich selbst nicht wieder erkenne. Ich muss zusehen, wie sie verlegen lächelt und ihre Wangen dabei immer rosig angelaufen waren, als ich mit ihr aus war. Wie ihre Blicke händeringend nach etwas standhaftem suchten, um nicht allzu nervös zu werden. Sie nippt an ihrem Glas, ich nehme an, dass es der beliebte Apfelsaft ist, den sie immer genossen hat. Aber jetzt genießt sie ihn nicht mehr mit mir. Verwegen fließen meine kläglichen Gedanken durch den alltäglichen Verkehr. Und als ich an mir heruntersehe und meine Füße betrachte, muss ich erkennen, dass ich Barfuss hier stehe, auf dem rauen Asphalt, der an meinen Fußsohlen scheuert. Dieser Augenblick ist tragisch, da ich nicht weiß, wie das passieren konnte. Es ist mir peinlich und es dauert nicht lange, bis ich irgendwo in der Menge verschwinde wie jemand, der nicht existiert hat.
Es ist, als wäre ein Atemzug vergangen, aber es fühlt sich an wie ein ewiges Jahr, welches kein Ende finden will. Ein fürchterliches Gefühl, wenn die Lasten eines ganzen Jahres auf dir liegen und nicht einmal der Neubeginn eines neuen Jahres helfen kann, einen neuen Weg einzuschlagen. Ich balle meine Füße und die feuchte Erde kriecht zwischen meine Zehen. Es ist kalt und ich friere. Doch weit um mich herum ist nichts, nichts, das für mich existiert. Gras unter meinen Füßen. Der Wind frischt auf und er spielt mit dem Laub in dem stämmigen Baum, der nicht weit von hier auf einer Anhöhe steht. Ein Rascheln erfüllt die Umgebung, die dunkel und undurchschaubar ist. Die Sonne ist lange untergegangen und ich stehe hier, allein auf dem Berg, kurz vor der Kluft, die sich zwischen Leben und Tod aufweitet. Aber ich frage mich, wo ich bin und warum ich existiere? Wieso bin ich hier? Es muss einen Grund geben, auf den ich nicht komme. Ständig versuchen diese Fragen in meinem Kopf mich zu verschlingen. Aber ich kann nicht, ich kann keine Antwort finden. Zu fern scheint jegliche Realität, die mich fühlen lässt, was wirklich existiert und was nicht. Catherine ist soweit weg und sie fehlt mir. Sie ist dort unten, wo einst wir waren. David und Catherine. Und ich stehe hier auf dem Steinriesen, der mir die Stille des Lebens schenkt, die Sanftmütigkeit einer Umarmung und die Erkenntnis, weit weg aller Antworten zu sein, deren Fragen mir wie unheimliche Geister durch den Kopf spuken.
Plötzlich erfüllt mich eine Gewissheit, nicht allein zu sein. Es ist das seltene Gefühl, dass ich nur bei Catherine hatte. Es geschah nur dann, wenn sie meiner Anwesenheit beiwohnte – das unheimliche Kribbeln in meinen Fingern. Eine Gänsehaut überfliegt meinen Körper, es ist so, als erliege ich einer Wahrheit, die nur Catherine sein kann. Erschrocken drehe ich mich um, aber da ist niemand. Die Suche nach ihr scheint sinnlos, die tief ist die Dunkelheit, die den Berg beherrscht. Es ist gefährlich, einen Schritt zu wagen, der nicht sicher sein kann. Früher wusste ich immer, Catherine ist in der Nähe, wenn meine Finger zu kribbeln begannen. Ich wusste es einfach und suchte sie in der Menge.
Ein Lichtstrahl durchbricht die angebrochene Nacht. Er muss von einer Taschenlampe stammen. Entsetzt stockt mir der Atem und ich halte still. Was jetzt geschieht, davon hätte ich nicht zu träumen gewagt. Meine Knie beginnen zu zittern und das Kribbeln in meinen Fingern nimmt an Stärke zu.
Der wackelige Lichtstrahl der Taschenlampe streift kurz mein Gesicht, dann geht er zu Boden und zwei Füße, die durch das feuchte Gras waten, folgen ihm. Die Silhouette, die sich ihren Weg wie ein Geist durch die Dunkelheit bahnt, nimmt langsam an Form an und als sie nur noch wenige Schritte von mir entfernt ist, erkenne ich das Gesicht in ihren schemenhaften Zügen. Es scheint zu leuchten, die Augen funkeln im Schein der Taschenlampe und die blutroten Lippen bestätigen die Annahme, dass es Catherine ist. Erstaunt beobachte ich sie, wie sie nur einen Schritt weit von mir entfernt an mir vorübergeht, als würde ich nicht hier stehen. Ich glaube gesehen zu haben, dass sie Tränen in den Augen hat. Ich frage mich, ob es Tränen der Trauer sind oder warum der Schmerz so tief in ihr sitzen muss, dass sie Tränen in den Augen trägt und sich in die ungewisse Dunkelheit fortstiehlt. Es macht mir Angst und ich folge ihr auf kurzer Distanz. Für einen Augenblick glaube ich ihre Wärme zu spüren, ihren frischen Atem und den Duft frisch gewaschener Haare. Das ist Catherine und ein Lächeln erfüllt mein Herz, das sich so sehr nach ihrer Nähe sehnt. Als sie stehen bleibt, bleibe auch ich stehen. Ihre Hände zittern und mit ihr der Lichtstrahl, der in die Ferne eintaucht, als wäre er den natürlichen Dingen des Lebens in allem überlegen. Ihr Brustkorb senkt sich langsam und hebt sich wieder. Ihr lockiges Haar liegt offen auf ihren Schultern. Sie starrt in die Dunkelheit, die nichts zeigt. Dann kullern die Tränen über ihre rosigen Wangen und sie schluchzt verzweifelt. Ich will sie in den Arm nehmen und sie festhalten, für immer. Ich trete zu ihr vor und sie schreckt augenblicklich zurück, als hätte sie einen Geist gesehen. Ich erkenne ihre Gänsehaut auf den Armen, die Furcht in ihrem Blick. Kurz darauf Unverständnis und Hoffnung. Ihre Augen leuchten so strahlend wie der morgendliche Himmel, wenn die Sonne aufgeht. Ich vermisse diesen Blick mit jedem Tag mehr.
„Ich Liebe dich, David“, flüstert sie mit bebenden Lippen. Ich sehe sie an und sehe durch sie hindurch.
„Ich Liebe dich auch, Catherine“, sage ich zu ihr mit zitternder Stimme, als wäre ich in meinem Mut gebrochen, sie mit meinen starken Armen zu empfangen und festzuhalten. Dann dreht sie sich um, orientiert sich mit dem Strahl der Taschenlampe und läuft los. Ich sehe ihr nach, bis sie die Dunkelheit wieder verschluckt. Die Angst befällt mich wie die nüchterne Erkenntnis, dass ich nichts dagegen tun kann, dass sie geht. Ich spüre die Dunkelheit auf meiner Haut, wie sie mich anzieht. Die Kälte verliert für mich an Bedeutungslosigkeit. Jetzt ist mir klar, dass ich mich nur von Catherine verabschiedet habe, ihr werde ich erst wieder begegnen, wenn auch sie diesen Weg gefunden hat – dorthin, wo auch ich jetzt bin. Ich fühle mich leicht wie eine Feder, erleichtert und doch betrübt, weil ich weiß, dass mir ein weiter Weg bevorstehen wird, ehe ich zu der Person zurückkehren kann, durch die ich leben und fühlen konnte. Ich hatte zuerst Angst vor dem Tod, aber die Lehre des Lebens hat mich gelernt, keine Angst vor dem Unbekannten zu haben, weil nichts Unbekanntes existieren kann, so lange wir existieren. Jeder Schritt war ein Schritt zu dem Ziel, dass für mich vorherbestimmt war. Es war ein weiter Weg, den ich gehen musste, aber ich weiß, dass der Weg jener war, der den Ursprung meines Lebens bedeutete, zu dem ich geboren wurde, ihn zu beschreiten. Der Tod ist keine große Unbekannte, er ist die Existenz unseres Lebens, nicht mehr als ein Augenblick in unserem Leben, nicht weniger als ein Bruchteil der Zeit, die wir zu leben hier sind.

Catherine setzte sich an den Küchentisch und lehnte sich in den handgemachten Stuhl aus Holz, der knarrte, wenn sie sich kraftlos darin aalte. Die ersten Sonnenstrahlen eines neuen Tages brachen durch die Fensterscheibe der Küche und brachten das Leben zurück ins Haus. Als sie dann auf den Zeitungsausschnitt auf dem Küchentisch blickte, schossen ihr die Tränen zurück in die Augen. „David, die Sehnsucht in Catherines´ Herzen wird immer in ihrem Herzen lodern, wie eine Flamme, die zu brennen ein Leben lang Bedeutung schenkt.“ Die Todesanzeige war die einzige Erinnerung an David, die in der Küche noch zu leben schien. Sie atmete David ein, sie lebte David. Catherine war nicht allein. Als es an der Haustüre klingelte, rieb sie sich mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht und die Traurigkeit, die ihre Augen verblassen ließen. Sie öffnete frohen Mutes die Haustüre und sah ihn unverwandt an.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
also,

eine stärkere gliederung würde diesem verworrenen werk sehr gut tun.
auch heißt es hoch gekrempelt, nicht gekrämpelt. weil es nämlich von Krempe kommt, nicht von Krampe.
lg
 



 
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