Gratwanderung in Alexandria, Va.

Drickes

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GRATWANDERUNG IN ALEXANDRIA, VA.

An launischem Samstag inmitten der Nacht
das Pensum der Woche zum Abschluss gebracht.
Beim Regengeprassel auf zitternde Scheiben
die Bleibe bot Schutz vor des Hurricane’s Treiben.

Verfassung und Laune nicht grade zum besten
ich sättigte mich von vergammelten Resten
McRib mit French fries, gab Jack Daniel’s drauf
und nahm die Gestürme gelassen in Kauf.

Im Action TV hatte Charles Bronson der Frau
zur Strafe fürs Fremdgehn den Lover erschlagen,
da wurde mir flau, vor den Augen so grau,
und ätzende Säure entstieg meinem Magen.

Der wankenden Schritte zum Restroom hinüber
entsann sich mein Hirn erst im Morgengraun wieder.
Die milchigen Schleier der Ohnmacht entschwanden,
doch bin ich noch nicht auf den Beinen gestanden.

Verängstigt von fauligen Todesgerüchen
begann ich auf Knien bis zur Bettcouch zu kriechen,
aus galligen Pfützen, gedärmigem Dreck
und schwärzlichem Blut des Gekröses hinweg.

Die Nebel umgaben mich gütlich. Ich schlief,
bis Reverend Graham zur Sunday mass rief.
„Fuck off, Bill! Verschwinde! Mir fehlt das Int´resse
an deiner verlogenen Seelenfangmesse.“

Ich kratzte verkrusteten Schleim von den Lippen,
begann etwas Coke mit dem Whiskey zu nippen
und paffte fürs Abreagieren und so
zum besseren Feeling vom Marlboro-Stroh.

Versuche zu stehen missglückten erneut.
Mein Schutzengel meinte: „Das braucht seine Zeit.
Schlaf weiter bis morgen, beweg dich von hier
alsdann mal behutsam hinaus vor die Tür.“

Und Cherub verschwand. Ich befahl meine Glieder
am Montag zu Safeway, fuhr Nachschub hinüber
und machte natürlich auf halbem Weg schlapp.
Da sprach er die nächste Belehrung herab:

„Man muss dich ja ständig vor Leichtsinn beschützen.
Bleib bloß nicht am Lenkrad bedenkenlos sitzen!
Begib dich vom Highway das restliche Stück
zur Flat aus Gescheitheit im Taxi zurück!“

Ich ließ den Burgunder in Kisten vom Wagen
direkt an den Rand meiner Schlafstätte tragen,
trank täglich fünf Gläser mit Dotter vom Ei
und fühlte mich keineswegs unwohl dabei.

Mir kam es auf weitere Nahrung nicht an,
worauf sukzessive mein Körper begann,
im schändlich zum Magen gestörten Vertrauen
die Speckschicht von Hüfte bis Bauch abzubauen.

Im Spiegel betrachtend mein Leichengesicht
gefielen mir Blässe und Falten zwar nicht;
warum aber mit dem Schicksal noch hadern
bei Rückkehr von Blut in die saftlosen Adern.

Ein Vierteljahr später sprach mich in der Bar
am Fisherman’s Wharf, wo doch Stammgast ich war,
der Barkeeper an, mit Erstaunen im Blick:
„Du kommst, wie mir scheint, wohl vom Jenseits zurück.“

Ich ließ die Vermutung im Trubel versinken,
um schweigend vom Fass ein paar Bierchen zu trinken.
 



 
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