Grüße aus der Flasche

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Maribu

Mitglied
Während des Frühstücks klingelte es. Bens Mutter öffnete die Tür. "Guten Morgen!" grüßte der Mann. Er war nach drei überwundenen Etagen etwas kurzatmig. "Eine Flasche von der Post."
Sie musste lachen und beantwortete den Gruß: "Angenehm! Mein Name ist Brunkhorst."
"Das haben Sie falsch verstanden!" protestierte er, konnte aber trotzdem darüber schmunzeln.
Ben hatte sich inzwischen aus der Küche angeschlichen um zu sehen, wer an seinem Geburtstag schon so früh an der Tür war.
"Na, mein Junge!" sagte der Postbote und hielt ihm eine grüne Plastikflasche entgegen. "Du bist doch bestimmt Ben!" Er strich ihm über den Kopf."Sie passt nicht in euren Briefkasten."
Ben drehte sie hin und her und betrachtete das bunte Bild.
"Vielen Dank für Ihre Mühe!" sagte Frau Brunkhorst. "Sie mussten deswegen sechs Treppen hochsteigen."
"Ja, wir befördern ja fast alles! Die Konkurrenz ist groß!"
Er verabschiedete sich. Sie ließ zwei Euro in seine Hand übergleiten. "Danke!" sagte er und zu Ben: "Hoffentlich ist da etwas Schönes drin!"
Er zog seine Mutter am Arm in die Küche, dabei die Flasche schüttelnd. "Da sind bestimmt Münzen drin von einem gesunkenen Schiff!"
"Wollen wir nicht erst zu Ende frühstücken?"
"Nein bitte Mama, mach sie auf!"
Sie nahm sie Ben aus der Hand und drehte sie. "Es steht kein Absender drauf. Soll bestimmt eine Überraschung für dich sein." Sie öffnete den versiegelten Korken mit einem Messer und schüttete den Inhalt auf den Küchentisch. Blaues Papier, zusammengerollt und mit einem Gummiband versehen, viel zuerst heraus. Danach allerhand Kleinkram. Sie streifte das Band ab und strich den Brief glatt, der einen ebenfalls eingerollten
Hundert-Euro-Schein enthielt. Ben nahm die Flasche sofort wieder in Besitz und drehte das Bild nach vorne, um es erneut zu betrachten. "Ich lese den Brief erstmal für mich", sagte seine Mutter. "Wenn du dein Brot aufgegessen hast, lese ich ihn dir vor."
'Mein lieber Ben,
einen dicken Kuss zu deinem Geburtstag und einen herzlichen Gruß von - du wirst es nicht erraten - 'unserer' autofreien Insel. Ich hatte geschäftlich in Aurich und Norden zu tun und habe einen Urlaubstag angehängt, um einen Abstecher an den feinen Sandstrand zu machen. Ausgerechnet an diesem Tag gab es den ersten Frühjahrssturm und ich befürchtete schon, dass die Fähren den Betrieb eingestellt hätten. Der Kapitän sagte, dass man es gerade noch verantworten könne. Ich empfand es gar nicht so schlecht, es war das richtige Wetter, um nach Bernstein zu suchen.
Letztes Jahr hatten wir bei ähnlichen Wetterverhältnissen auch danach gesucht. Du hast Glück gehabt, ein größeres Stück gefunden und es als Talisman mit nach Haus genommen.
Ich habe diese Flasche im Wasser entdeckt, die du jetzt vielleicht in der Hand hältst. Das Bild von der kleinen Insel, bepflanzt mit Palmen und Bananenstauden, umgeben von feinem Strand und den drei vollbärtigen tätowierten Seeräubern auf dem zerstörten gestrandeten Schiff hat sich zum Glück nicht gelöst und ist noch gut zu erkennen. Die Versiegelung des Korkens war entfernt worden. Er steckte aber noch zur Hälfte im Flaschenhals und dadurch war nicht so viel Wasser hineingelaufen. Ich habe nur fünf bunte Steine, drei Muschelschalen und einen Pfennig gefunden. Ich habe sie wieder reingelegt. Den Pfennig stecke man in dein Portemonnaie
und verliere ihn nicht! Der soll Glück bringen. Ich habe deshalb drauf gespuckt. Das haben mir deine Oma und dein Opa als ich klein war, erzählt.
Ich habe die Flasche in dem Spielzeugladen, in dem du Paul kennen gelernt hast, mit einem neuen Korken verschlossen und versiegelt und mit einem Aufkleber versehen.
Er kam gerade aus der Schule. Er hat mich wieder erkannt und gefragt, ob wir unseren Urlaub im Sommer auf der Insel verbringen. Er würde gerne wieder mit dir Federball spielen und zum Schwimmen gehen.
Vielleicht nächstes Jahr, habe ich geantwortet. In diesem Jahr wollen wir nach Mallorca. Nachdem wir letztes Jahr so viele Regentage hatten, möchten wir gerne in die Sonne.
Man soll ja nicht lügen, aber eine Notlüge ist erlaubt!
Mama wird dir diesen Brief wohl nur teilweise vorlesen. Aber sie möchte so fair sein, ihn aufzubewahren, damit du ihn demnächst selbst lesen kannst.
Ich habe dir einen Geldschein reingelegt und hoffe, dass deine Mutter dir dafür etwas kauft, was du dir von mir gewünscht hättest.
Du bist jetzt sechs Jahre alt geworden und hast schon letztes Jahr gespürt, dass deine Mama und dein Papa sich nicht mehr so gut verstanden haben. Du hast gesagt: 'Vertragt euch doch einfach wieder und nehmt euch in den Arm!'- Wenn das so einfach wäre!
Was mich besonders traurig macht, ist, dass ich dich vorläufig nicht sehen darf. Manchmal wird aus Wut und Enttäuschung etwas behauptet, was nicht stimmt. Wenn ich dir ab und zu - wenn du über die Stränge geschlagen bist - einen Klaps auf den Po gegeben habe, war das kein Schlagen, wie deine Mutter es dem Jugendamt angezeigt hat. Ich hoffe sehr, dass sie diese Behauptung zurücknimmt, damit dir eine Befragung erspart bleibt!'
Frau Brunkhorst hielt einen Moment inne und suchte nach einem Taschentuch. "Mama, du weinst ja!" rief Ben und legte seine angebissene Scheibe Brot auf den Teller zurück. "Lese mir das schon mal vor! Was ist da so traurig?"
Sie wischte sich über die Augen und antwortete gequält lächelnd: "Nichts! Ich weine doch gar nicht! Es ist nur eine Träne. Ich habe eine Wimper ins Auge bekommen."
'Ich wollte die Flaschenpost erst - wie es sich gehört - ins Meer werfen. Sie wäre von der Nordsee in die Elbe getrieben und mit der Flut nach Hamburg gespült worden. Dann hätte sie vor den Landungsbrücken gedümpelt, bis sie von jemandem aufgefischt worden wäre. Aber der Aufkleber mit deiner Adresse
hätte sich wohl längst gelöst gehabt, und sie wäre nicht am Geburtstag, sondern nie angekommen.
Nun wünsche ich dir einen glücklichen und erlebnisreichen Tag mit vielen Freunden!
Einen herzlichen Gruß auch an deine Mutter - Trotz allem!!!
Auf baldiges Wiedersehen! Dein dich liebender Papa.'
 

Maribu

Mitglied
Während des Frühstücks klingelte es. Bens Mutter öffnete die Tür. "Guten Morgen!" grüßte der Mann. Er war nach drei überwundenen Etagen etwas kurzatmig. "Eine Flasche von der Post."
Sie musste lachen und beantwortete den Gruß: "Angenehm! Mein Name ist Brunkhorst."
"Das haben Sie falsch verstanden!" protestierte er, konnte aber trotzdem darüber schmunzeln.
Ben hatte sich inzwischen aus der Küche angeschlichen um zu sehen, wer an seinem Geburtstag schon so früh an der Tür war.
"Na, mein Junge!" sagte der Postbote und hielt ihm eine grüne Plastikflasche entgegen. "Du bist doch bestimmt Ben!" Er strich ihm über den Kopf."Sie passt nicht in euren Briefkasten."
Ben drehte sie hin und her und betrachtete das bunte Bild.
"Vielen Dank für Ihre Mühe!" sagte Frau Brunkhorst. "Sie mussten deswegen sechs Treppen hochsteigen."
"Ja, wir befördern ja fast alles! Die Konkurrenz ist groß!"
Er verabschiedete sich. Sie ließ zwei Euro in seine Hand übergleiten. "Danke!" sagte er und zu Ben: "Hoffentlich ist da etwas Schönes drin!"
Er zog seine Mutter am Arm in die Küche, dabei die Flasche schüttelnd. "Da sind bestimmt Münzen drin von einem gesunkenen Schiff!"
"Wollen wir nicht erst zu Ende frühstücken?"
"Nein bitte Mama, mach sie auf!"
Sie nahm sie Ben aus der Hand und drehte sie. "Es steht kein Absender drauf. Soll bestimmt eine Überraschung für dich sein." Sie öffnete den versiegelten Korken mit einem Messer und schüttete den Inhalt auf den Küchentisch. Blaues Papier, zusammengerollt und mit einem Gummiband versehen, fiel zuerst heraus. Danach allerhand Kleinkram. Sie streifte das Band ab und strich den Brief glatt, der einen ebenfalls eingerollten
Hundert-Euro-Schein enthielt. Ben nahm die Flasche sofort wieder in Besitz und drehte das Bild nach vorne, um es erneut zu betrachten. "Ich lese den Brief erstmal für mich", sagte seine Mutter. "Wenn du dein Brot aufgegessen hast, lese ich ihn dir vor."
'Mein lieber Ben,
einen dicken Kuss zu deinem Geburtstag und einen herzlichen Gruß von - du wirst es nicht erraten - 'unserer' autofreien Insel. Ich hatte geschäftlich in Aurich und Norden zu tun und habe einen Urlaubstag angehängt, um einen Abstecher an den feinen Sandstrand zu machen. Ausgerechnet an diesem Tag gab es den ersten Frühjahrssturm und ich befürchtete schon, dass die Fähren den Betrieb eingestellt hätten. Der Kapitän sagte, dass man es gerade noch verantworten könne. Ich empfand es gar nicht so schlecht, es war das richtige Wetter, um nach Bernstein zu suchen.
Letztes Jahr hatten wir bei ähnlichen Wetterverhältnissen auch danach gesucht. Du hast Glück gehabt, ein größeres Stück gefunden und es als Talisman mit nach Haus genommen.
Ich habe diese Flasche im Wasser entdeckt, die du jetzt vielleicht in der Hand hältst. Das Bild von der kleinen Insel, bepflanzt mit Palmen und Bananenstauden, umgeben von feinem Strand und den drei vollbärtigen tätowierten Seeräubern auf dem zerstörten gestrandeten Schiff hat sich zum Glück nicht gelöst und ist noch gut zu erkennen. Die Versiegelung des Korkens war entfernt worden. Er steckte aber noch zur Hälfte im Flaschenhals und dadurch war nicht so viel Wasser hineingelaufen. Ich habe nur fünf bunte Steine, drei Muschelschalen und einen Pfennig gefunden. Ich habe sie wieder reingelegt. Den Pfennig stecke man in dein Portemonnaie
und verliere ihn nicht! Der soll Glück bringen. Ich habe deshalb drauf gespuckt. Das haben mir deine Oma und dein Opa als ich klein war, erzählt.
Ich habe die Flasche in dem Spielzeugladen, in dem du Paul kennen gelernt hast, mit einem neuen Korken verschlossen und versiegelt und mit einem Aufkleber versehen.
Er kam gerade aus der Schule. Er hat mich wieder erkannt und gefragt, ob wir unseren Urlaub im Sommer auf der Insel verbringen. Er würde gerne wieder mit dir Federball spielen und zum Schwimmen gehen.
Vielleicht nächstes Jahr, habe ich geantwortet. In diesem Jahr wollen wir nach Mallorca. Nachdem wir letztes Jahr so viele Regentage hatten, möchten wir gerne in die Sonne.
Man soll ja nicht lügen, aber eine Notlüge ist erlaubt!
Mama wird dir diesen Brief wohl nur teilweise vorlesen. Aber sie möchte so fair sein, ihn aufzubewahren, damit du ihn demnächst selbst lesen kannst.
Ich habe dir einen Geldschein reingelegt und hoffe, dass deine Mutter dir dafür etwas kauft, was du dir von mir gewünscht hättest.
Du bist jetzt sechs Jahre alt geworden und hast schon letztes Jahr gespürt, dass deine Mama und dein Papa sich nicht mehr so gut verstanden haben. Du hast gesagt: 'Vertragt euch doch einfach wieder und nehmt euch in den Arm!'- Wenn das so einfach wäre!
Was mich besonders traurig macht, ist, dass ich dich vorläufig nicht sehen darf. Manchmal wird aus Wut und Enttäuschung etwas behauptet, was nicht stimmt. Wenn ich dir ab und zu - wenn du über die Stränge geschlagen bist - einen Klaps auf den Po gegeben habe, war das kein Schlagen, wie deine Mutter es dem Jugendamt angezeigt hat. Ich hoffe sehr, dass sie diese Behauptung zurücknimmt, damit dir eine Befragung erspart bleibt!'
Frau Brunkhorst hielt einen Moment inne und suchte nach einem Taschentuch. "Mama, du weinst ja!" rief Ben und legte seine angebissene Scheibe Brot auf den Teller zurück. "Lese mir das schon mal vor! Was ist da so traurig?"
Sie wischte sich über die Augen und antwortete gequält lächelnd: "Nichts! Ich weine doch gar nicht! Es ist nur eine Träne. Ich habe eine Wimper ins Auge bekommen."
'Ich wollte die Flaschenpost erst - wie es sich gehört - ins Meer werfen. Sie wäre von der Nordsee in die Elbe getrieben und mit der Flut nach Hamburg gespült worden. Dann hätte sie vor den Landungsbrücken gedümpelt, bis sie von jemandem aufgefischt worden wäre. Aber der Aufkleber mit deiner Adresse
hätte sich wohl längst gelöst gehabt, und sie wäre nicht am Geburtstag, sondern nie angekommen.
Nun wünsche ich dir einen glücklichen und erlebnisreichen Tag mit vielen Freunden!
Einen herzlichen Gruß auch an deine Mutter - Trotz allem!!!
Auf baldiges Wiedersehen! Dein dich liebender Papa.'
 

Fearn Feorag

Mitglied
Es ist ein sehr schöner, emotionaler Text, der mir gut gefallen hat. Was ich zu bemängeln habe, ist zwar nicht viel, aber vielleicht würde es das Lesen etwas vereinfachen. Ich persönlich würde es begrüßen, wenn du den Text des Briefes etwas hervorheben könntest, damit sichtbar wird, dass er etwas "besonderes" in dem ganzen Text ist.

Grüße, Tamara
 

Maribu

Mitglied
Hallo Tamara,

vielen Dank für die positive Bewertung!
Ich habe den Text direkt von meinem Manuskript auf "leselupe"
eingegeben. Hier hatte ich den Brieftext kursiv gestaltet, sah aber beim Eintippen keine Möglichkeit. - Vielleicht geht das nur über das "System"?

Freundliche Grüße und schönes Wochenende
Maribu
 

Maribu

Mitglied
Während des Frühstücks klingelte es. Bens Mutter öffnete die Tür. "Guten Morgen!" grüßte der Mann. Er war nach drei überwundenen Etagen etwas kurzatmig. "Eine Flasche von der Post."
Sie musste lachen und beantwortete den Gruß: "Angenehm! Mein Name ist Brunkhorst."
"Das haben Sie falsch verstanden!" protestierte er, konnte aber trotzdem darüber schmunzeln.
Ben hatte sich inzwischen aus der Küche angeschlichen um zu sehen, wer an seinem Geburtstag schon so früh an der Tür war.
"Na, mein Junge!" sagte der Postbote und hielt ihm eine grüne Plastikflasche entgegen. "Du bist doch bestimmt Ben!" Er strich ihm über den Kopf."Sie passt nicht in euren Briefkasten."
Ben drehte sie hin und her und betrachtete das bunte Bild.
"Vielen Dank für Ihre Mühe!" sagte Frau Brunkhorst. "Sie mussten deswegen sechs Treppen hochsteigen."
"Ja, wir befördern ja fast alles! Die Konkurrenz ist groß!"
Er verabschiedete sich. Sie ließ zwei Euro in seine Hand übergleiten. "Danke!" sagte er und zu Ben: "Hoffentlich ist da etwas Schönes drin!"
Er zog seine Mutter am Arm in die Küche, dabei die Flasche schüttelnd. "Da sind bestimmt Münzen drin von einem gesunkenen Schiff!"
"Wollen wir nicht erst zu Ende frühstücken?"
"Nein bitte Mama, mach sie auf!"
Sie nahm sie Ben aus der Hand und drehte sie. "Es steht kein Absender drauf. Soll bestimmt eine Überraschung für dich sein." Sie öffnete den versiegelten Korken mit einem Messer und schüttete den Inhalt auf den Küchentisch. Blaues Papier, zusammengerollt und mit einem Gummiband versehen, fiel zuerst heraus. Danach allerhand Kleinkram. Sie streifte das Band ab und strich den Brief glatt, der einen ebenfalls eingerollten
Hundert-Euro-Schein enthielt. Ben nahm die Flasche sofort wieder in Besitz und drehte das Bild nach vorne, um es erneut zu betrachten. "Ich lese den Brief erstmal für mich", sagte seine Mutter. "Wenn du dein Brot aufgegessen hast, lese ich ihn dir vor."

'Mein lieber Ben,
einen dicken Kuss zu deinem Geburtstag und einen herzlichen Gruß von - du wirst es nicht erraten - 'unserer' autofreien Insel. Ich hatte geschäftlich in Aurich und Norden zu tun und habe einen Urlaubstag angehängt, um einen Abstecher an den feinen Sandstrand zu machen. Ausgerechnet an diesem Tag gab es den ersten Frühjahrssturm und ich befürchtete schon, dass die Fähren den Betrieb eingestellt hätten. Der Kapitän sagte, dass man es gerade noch verantworten könne. Ich empfand es gar nicht so schlecht, es war das richtige Wetter, um nach Bernstein zu suchen.
Letztes Jahr hatten wir bei ähnlichen Wetterverhältnissen auch danach gesucht. Du hast Glück gehabt, ein größeres Stück gefunden und es als Talisman mit nach Haus genommen.
Ich habe diese Flasche im Wasser entdeckt, die du jetzt vielleicht in der Hand hältst. Das Bild von der kleinen Insel, bepflanzt mit Palmen und Bananenstauden, umgeben von feinem Strand und den drei vollbärtigen tätowierten Seeräubern auf dem zerstörten gestrandeten Schiff hat sich zum Glück nicht gelöst und ist noch gut zu erkennen. Die Versiegelung des Korkens war entfernt worden. Er steckte aber noch zur Hälfte im Flaschenhals und dadurch war nicht so viel Wasser hineingelaufen. Ich habe nur fünf bunte Steine, drei Muschelschalen und einen Pfennig gefunden. Ich habe sie wieder reingelegt. Den Pfennig stecke man in dein Portemonnaie
und verliere ihn nicht! Der soll Glück bringen. Ich habe deshalb drauf gespuckt. Das haben mir deine Oma und dein Opa als ich klein war, erzählt.
Ich habe die Flasche in dem Spielzeugladen, in dem du Paul kennen gelernt hast, mit einem neuen Korken verschlossen und versiegelt und mit einem Aufkleber versehen.
Er kam gerade aus der Schule. Er hat mich wieder erkannt und gefragt, ob wir unseren Urlaub im Sommer auf der Insel verbringen. Er würde gerne wieder mit dir Federball spielen und zum Schwimmen gehen.
Vielleicht nächstes Jahr, habe ich geantwortet. In diesem Jahr wollen wir nach Mallorca. Nachdem wir letztes Jahr so viele Regentage hatten, möchten wir gerne in die Sonne.
Man soll ja nicht lügen, aber eine Notlüge ist erlaubt!
Mama wird dir diesen Brief wohl nur teilweise vorlesen. Aber sie möchte so fair sein, ihn aufzubewahren, damit du ihn demnächst selbst lesen kannst.
Ich habe dir einen Geldschein reingelegt und hoffe, dass deine Mutter dir dafür etwas kauft, was du dir von mir gewünscht hättest.
Du bist jetzt sechs Jahre alt geworden und hast schon letztes Jahr gespürt, dass deine Mama und dein Papa sich nicht mehr so gut verstanden haben. Du hast gesagt: 'Vertragt euch doch einfach wieder und nehmt euch in den Arm!'- Wenn das so einfach wäre!
Was mich besonders traurig macht, ist, dass ich dich vorläufig nicht sehen darf. Manchmal wird aus Wut und Enttäuschung etwas behauptet, was nicht stimmt. Wenn ich dir ab und zu - wenn du über die Stränge geschlagen bist - einen Klaps auf den Po gegeben habe, war das kein Schlagen, wie deine Mutter es dem Jugendamt angezeigt hat. Ich hoffe sehr, dass sie diese Behauptung zurücknimmt, damit dir eine Befragung erspart bleibt!'

Frau Brunkhorst hielt einen Moment inne und suchte nach einem Taschentuch. "Mama, du weinst ja!" rief Ben und legte seine angebissene Scheibe Brot auf den Teller zurück. "Lese mir das schon mal vor! Was ist da so traurig?"
Sie wischte sich über die Augen und antwortete gequält lächelnd: "Nichts! Ich weine doch gar nicht! Es ist nur eine Träne. Ich habe eine Wimper ins Auge bekommen."

'Ich wollte die Flaschenpost erst - wie es sich gehört - ins Meer werfen. Sie wäre von der Nordsee in die Elbe getrieben und mit der Flut nach Hamburg gespült worden. Dann hätte sie vor den Landungsbrücken gedümpelt, bis sie von jemandem aufgefischt worden wäre. Aber der Aufkleber mit deiner Adresse
hätte sich wohl längst gelöst gehabt, und sie wäre nicht am Geburtstag, sondern nie angekommen.
Nun wünsche ich dir einen glücklichen und erlebnisreichen Tag mit vielen Freunden!
Einen herzlichen Gruß auch an deine Mutter - Trotz allem!!!
Auf baldiges Wiedersehen! Dein dich liebender Papa.'
 

raineru

Mitglied
hallo

gut und sehr gefühlvoll gemacht.
(Kursiv geht mit dem "K" links oben und vorher die Stelle markieren.)

rainer
 



 
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