Gute Grüße

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DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Kollegin R. weilt auf Dienstreise. Nach Dauermeetings öffnet sie abends aufatmend ihre Hotelzimmertür, lässt Tasche, Schuhe und gutes Benehmen fallen und sich aufs Bett.

Jedoch mit ihrem Laptop. Sie ist auf Dienstreise - sie muss ihre Mails lesen. Nach Öffnen des Posteingangs wird ihr schwarz vor Augen. So viele Mails sind heute gekommen. Puh. Ah - auch eine vom neuen Kollegen W. Aber so lang! Sie liest, srollt runter, wieder rauf, liest, schafft es bis zum Ende. Da stutzt sie. Wie verabschiedet sich Kollege W.?

Mit guten Grüßen!

R. muss lachen. Gute Grüße! Gütiger Himmel, das ist neu. Wer schreibt denn schon gute Grüße? Wie sollen sie sein, diese guten Grüße? Wieso gut? Schmecken die so? Riechen? Duften? Keine Ahnung, denkt R. Sie überlegt. Was schreiben eigentlich die anderen?

Sie ist angefixt. Jetzt aber! Sie liest alle neuen Mails - und alle alten und vergleicht. Es ist haarsträubend.

Die meisten schreiben: Mit freundlichen Grüßen. Na, was sonst, denkt R. Unfreundliche? Schlimmer endet P. Er verabschiedet sich mit "Freundliche Grüße". Vorher textet er unfreundlich. Dadurch, dass er das "mit" weglässt, werden seine Grüße bedrohlich. So als ob er einen Dolch im Gewande trüge. R. schaudert's. Das ist ihr noch nie aufgefallen.

Dann Kollegin A. Sie schreibt grundsätzlich "Liebe Grüße". Liebe Grüße! Wieso sind die lieb? Was sollen überhaupt liebe Grüße sein? Doch wohl keine LiebeSgrüße. Oder sollte A. lesbisch sein? Hm. R. grübelt. Sie weiß nichts über die sexuelle Orientierung von A.

Dann doch lieber viele Grüße. Das schreibt sie selbst immer. Ist unverfänglich. Oder? Obwohl - Kollege G. verabschiedet sich immer mit herzlichen Grüßen. R. muss zugeben, dass das besser klingt als viele. Freundlicher als freundlich und plausibler als liebe.

Plötzlich ploppt eine neue Nachricht auf. R. zuckt zusammen. Ach, vom Kollegen L. Das bin ich. Ich habe meine Nachricht mit meinem Namen unterzeichnet. Natürlich.

Aber grußlos.

Ich sehe förmlich, wie R. darüber die Stirn runzelt. Dieser Typ hat es noch nicht mal nötig, einen Gruß darunter zu setzen. Arschloch. Aber - auch eine Möglichkeit.

In der Nacht träumt R. von Grüßen. Sie umschwirren sie wie Motten das Licht. Am Morgen ist sie gerädert. Beim Frühstück bleibt ihr das Brötchen im Hals stecken, denn sie hört am Nebentisch, wie ein Mann zu einem anderen sagt: "Und bestellen Sie Ihrer Frau schöne Grüße!"

Ah - schöne Grüße! R. kriegt einen nicht enden wollenden Schreikrampf. Die hatte sie noch nicht auf ihrer Liste. Sie kann es später den Männern in den weißen Kitteln nicht erklären, wieso sie niemals mehr jemanden grüßen wird.
 
Verehrteste Doc! Sprachkritik ist meist unterhaltsam und die Gedanken anregend, so auch hier. Und sie läuft wie gewöhnlich Gefahr, sich in der eigenen Argumentation ein wenig zu verheddern. Das liegt daran, dass Sprache an sich nichts Exaktes ist, insbesondere nichts, das Verhältnisse objektiv und eindeutig wiedergibt.

Ich konzentriere mich jetzt mal auf die Schlussformel "Freundliche Grüße", da ich sie regelmäßig selbst bewusst verwende. Sie ist nur eines von vielen Beispielen für den Wegfall der Präposition in der deutschen Gegenwartssprache. So sagen wir auch: Wir fahren Ostern nach München. Das bedeutet ja nicht, dass die Feiertage nach München transportiert werden. Ostern ist eben nicht Objekt, sondern dem Sinn nach adverbiale Bestimmung. Gemeint ist und sofort verstanden wird: über Ostern. Kein Mensch würde an dieser verkürzten Formulierung irgendetwas "Bedrohliches" finden. Warum dann aber an "Freundliche Grüße"? Es spiegelt nur die allen Kultursprachen im Lauf der Zeit innewohnende Tendenz zur Verknappung wider. Das Chinesische ist uns insoweit schon weit voraus.

Mir fällt auf, dass du deine Kommentare hier in der LL mit "DS" beendest. Konsequenterweise müsste es dann wohl heißen: von DS?

In der Tat kann man den Verstand verlieren, wenn man einzelne Formulierungen auf die Goldwaage legt. Insofern finde ich den Schluss deines Textes auch konsequent.

Nebenbei: Bei "scrollen" fehlt ein "c".

Nicht ohne ausdrücklich freundliche Grüße
von (!) Arno Abendschön
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Arno,

bin absolut in Eile, von daher reicht es weder für eine Verbesserung des Tippfehlers noch ausreichende Grüße. Wird nachgeholt!
DS :)
 
A

Alberta

Gast
Liebe...ähm...unbekannte...ähm...@DocSchneider: Geschmunzelt, aber nun vollends verunsichert, wen ich nun wie begrüßen soll.

Für den Anfang hätte ich folgende Variation anzubieten:

[blue]Frau R. weilt auf Dienstreise. Nach Dauermeetings öffnet sie abends aufatmend ihre Hotelzimmertür, lässt Tasche, Schuhe und gutes Benehmen fallen und fläzt sich in Unterwäsche, samt kleinem Snack und Laptop aufs Bett.[/blue]







Ich hatte mal einen Chef, der begann jedes Telefongespräch mit:"Hallo, Frau S.,grüße Sie...!" Das fand ich völlig schräg. Aber lustig.

Also beende ich das hier mit:
Hallo, @DocSchneider,liebe Schreibkollegin: Grüße Dich!;)
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Kollegin R. weilt auf Dienstreise. Nach Dauermeetings öffnet sie abends aufatmend ihre Hotelzimmertür, lässt Tasche, Schuhe und gutes Benehmen fallen und sich aufs Bett.

Jedoch mit ihrem Laptop. Sie ist auf Dienstreise - sie muss ihre Mails lesen. Nach Öffnen des Posteingangs wird ihr schwarz vor Augen. So viele Mails sind heute gekommen. Puh. Ah - auch eine vom neuen Kollegen W. Aber so lang! Sie liest, scrollt runter, wieder rauf, liest, schafft es bis zum Ende. Da stutzt sie. Wie verabschiedet sich Kollege W.?

Mit guten Grüßen!

R. muss lachen. Gute Grüße! Gütiger Himmel, das ist neu. Wer schreibt denn schon gute Grüße? Wie sollen sie sein, diese guten Grüße? Wieso gut? Schmecken die so? Riechen? Duften? Keine Ahnung, denkt R. Sie überlegt. Was schreiben eigentlich die anderen?

Sie ist angefixt. Jetzt aber! Sie liest alle neuen Mails - und alle alten und vergleicht. Es ist haarsträubend.

Die meisten schreiben: Mit freundlichen Grüßen. Na, was sonst, denkt R. Unfreundliche? Schlimmer endet P. Er verabschiedet sich mit "Freundliche Grüße". Vorher textet er unfreundlich. Dadurch, dass er das "mit" weglässt, werden seine Grüße bedrohlich. So als ob er einen Dolch im Gewande trüge. R. schaudert's. Das ist ihr noch nie aufgefallen.

Dann Kollegin A. Sie schreibt grundsätzlich "Liebe Grüße". Liebe Grüße! Wieso sind die lieb? Was sollen überhaupt liebe Grüße sein? Doch wohl keine LiebeSgrüße. Oder sollte A. lesbisch sein? Hm. R. grübelt. Sie weiß nichts über die sexuelle Orientierung von A.

Dann doch lieber viele Grüße. Das schreibt sie selbst immer. Ist unverfänglich. Oder? Obwohl - Kollege G. verabschiedet sich immer mit herzlichen Grüßen. R. muss zugeben, dass das besser klingt als viele. Freundlicher als freundlich und plausibler als liebe.

Plötzlich ploppt eine neue Nachricht auf. R. zuckt zusammen. Ach, vom Kollegen L. Das bin ich. Ich habe meine Nachricht mit meinem Namen unterzeichnet. Natürlich.

Aber grußlos.

Ich sehe förmlich, wie R. darüber die Stirn runzelt. Dieser Typ hat es noch nicht mal nötig, einen Gruß darunter zu setzen. Arschloch. Aber - auch eine Möglichkeit.

In der Nacht träumt R. von Grüßen. Sie umschwirren sie wie Motten das Licht. Am Morgen ist sie gerädert. Beim Frühstück bleibt ihr das Brötchen im Hals stecken, denn sie hört am Nebentisch, wie ein Mann zu einem anderen sagt: "Und bestellen Sie Ihrer Frau schöne Grüße!"

Ah - schöne Grüße! R. kriegt einen nicht enden wollenden Schreikrampf. Die hatte sie noch nicht auf ihrer Liste. Sie kann es später den Männern in den weißen Kitteln nicht erklären, wieso sie niemals mehr jemanden grüßen wird.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
So, Fehler verbessert.

Hallo Arno,

ganz recht, so sollte der Text auch aufgefasst werden: als schräge Sprachkritik. Um über Alltägliches nachzudenken. Du hast die freundlichen Grüße ohne "mit" gut analysiert und gleich verwandte Beispiele gefunden.

Nun lässt sich mein persönliches Verhalten mit dem Unterzeichnen nicht eins zu eins auf den Text übertragen, denn schließlich überhöht die Satire die Wirklichkeit. "DS" ist einfach praktisch und schneller geschrieben als der DocSchneider, bei dessen Erfindung mich wohl der Teufel ritt.
:)


Hallo Alberta,

Kollegin R. nimmt keinen Snack mit aufs Bett, das gibt Krümel und bis auf die Unterwäsche auszuziehen ist ihr zu umständlich. So kann sie sich eher fallen lassen.

Die Formel "Grüß Dich!" finde ich schrecklich. In einem früheren Leben schrieb ich darüber schon mal eine Satire.
Aber letztendlich führte das nur dazu, dass niemand mehr wusste, wie er mich begrüßen soll.

Das war nicht Sinn der Sache - oder doch?!?

Nein, denn Satire legt nur die Finger in Spalten und wühlt ein bisschen.

Vielen Dank für Eure Kommentare und die Bewertung!

Natürlich verbunden mit vielen Grüßen - oder andere, könnt Ihr Euch aussuchen - von (dieses Mal!:))

DS
 

reborn

Mitglied
Ach, dass ist mir so aus der Seele gesprochen bzw. geschrieben.
Wunderbar.
Ich ärgere mich, dass ich nicht schon längst meine Gedanken dazu niedergeschrieben habe. Arrrgh
Ich hätte noch 2 Seiten mehr geschrieben.;-)
Bin nicht bei Facebook, aber Daumen hoch.
 

molly

Mitglied
Hallo Doc,

ich bin auch nicht beie FB. Deine Gesschichte habe ich sehr gerne gelesen.
So sende ich dir jetzt "Beste Sonntagsgrüße". Erzähl das aber bitte nicht Deiner Kollegin, nicht dass sie einen Rückfall erleidet.

Hochachtungsvoll (wann hast Du das zum letzten Mal gelesen?)

molly
 

Marker

Mitglied
Grussformeln sind letzten Endes so oede wie die Frage "Wie geht's?" - formelhaft, abgedroschen, nichtssagend, worthuelsenhaft leer. Dieses dein Textlein hast Du fein und unterhaltsam hergerichtet, liebe Doc, ich hatte meinen Spass daran.

Mit schoenen Fuessen,
Marker ;-)
 



 
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