Gute Vorsätze

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L

Lutz Menard

Gast
Theorie und Praxis (gute Vorsätze)

Theorie und Praxis


Ach wäre mir zum Jahresende
nunmehr beschert die Lebenswende!
Sprach ich doch jedes Jahr Silvester
zu mir:“Hör´ endlich zu, mein Bester!

Entschuldigung zählt Neujahr nicht,
allein die Tat hat noch Gewicht!
Gleich morgen stehst du auf um sieben,
um dich im Fitness-Sport zu üben.

Damit die Hose wieder paßt,
wird feiertags nicht mehr gepraßt,
und auf die Bierchen vor der Glotze
verzichtest du, dem Durst zum Trotze!

Und Montagmorgen, gleich um acht,
wirst du, bevor er aufgewacht,
dem Chef bereits die Meinung geigen
und allen Mitarbeitern zeigen:

Du bist der Größte – gleich nach ihm –
ein wahres Arbeits-Ungetüm,
das längst verdient Gehaltserhöhung
zur optimierten Dienstversehung!

Am nächsten Sonntag hast du Grund,
Kultur zu seh´n statt Fernsehschund,
und gehst mit deiner lieben Frau
in Goethes Faust – Theaterschau!

Für Mittwochabend nimmst zum Ziele
statt Skat du dir die Rollenspiele
mit Raffinessen auf dem Brett,
wo dich dein Sohn geschlagen hätt´!“

So pflege ich seit vielen Jahren
die Theorie als Scheinverfahren.
Nur in die Praxis vorzudringen,
will mir bis heute nicht gelingen!

Das Fitness-Rad trat bisher keiner,
der Bauch ist daher auch nicht kleiner,
der Chef wie immer unausstehlich,
und mein Gehalt steigt nur sehr mählich!

Fernsehn und Bier sind unzertrennlich,
nicht im Theater, vor der Glotze penn´ ich,
und Brettspiel längst entwöhnt ist schon
mein internet-besess´ner Sohn!

Jedoch versuch´ ich´s immer wieder,
und ab und zu gar schlägt sich nieder
ein Teilerfolg – wenn auch recht schlicht,
wie hier zu Neujahr dies Gedicht!
 
K

Klopfstock

Gast
zwei Köpfe - ein Gedanke....

Hallo, Lutz,

zwei Schreiber - ein Gedanke?
Wie ich sehe, haben wir beide den gleichen Titel
für unsere Gedichte gewählt.
Und doch sind sie verschieden - während ich es
eher allgemein gehalten habe, bist Du mehr ins
Detail gegangen.
Hast Du aber phantastisch hingekriegt!!!
Und wie könnte es sein - man erkennt sich darin wieder...*zwinker*...Dein Gedicht ist nicht nur
ein "Teilerfolg" - es ist ein voller Erfolg!!!

Sende Dir liebe Grüße -
und einen schönen Sonntag
 
L

Lutz Menard

Gast
Hallo Klopstock,

zunächst vielen Dank für Deine positive Bewertung! Ich muß mich aber für meine Schusseligkeit entschuldigen, mir war, obwohl ich Dein Gedicht vor einer knappen Woche gelesen und auch kommentiert habe, nicht mehr gegenwärtig, daß es den gleichen Titel wie mein späteres "Werk" hat (ja,ja, das Alter!). Es war also keinesfalls "Vorsatz"! Vielleicht sollte ich den Titel aber ändern, mir fällt dazu sicherlich etwas ein.

Herzliche Grüße
LuMen
 
K

Klopfstock

Gast
Hallo, Lutz,

so war das natürlich nicht gemeint -
ich fand das nur einfach amüsant und der Titel
paßt nun mal am besten zu den beiden Inhalten,
zu meinem und Deinem. Laß den Titel um Gotteswillen
so wie er ist - ich habe keinerlei "schlechten Vorsatz"
darin gesehen..*zwinker*...

Nochmals liebe Grüße
 

Ohrenschützer

Mitglied
Hallo Lutz,

Da ist dir ein schönes Gedicht gelungen; ich erlaube mir meine untertänigsten Kommentare:

Es ist immer wieder ein Genuss, dein Spiel mit der Sprache zu beobachten; das gefällt mir an dem Gedicht sogar besser als die Grundidee. Ausdrücke wie „die Meinung geigen“ und „sehr mählich“ kommen bei mir zwar als ungewöhnliche, aber durchaus passende und erfrischende Umschreibungen an.

Ich hab nur wenige ernst zu nehmende, nicht-beckmesserische Verbesserungsvorschläge (was für das Gedicht spricht). Zeile 1 in Strophe 2 hat mich doch erstaunt – solche Holprigkeiten sind sonst nicht dein Stil. Da wird sich doch ein Weg finden lassen, es anders auszudrücken. Ähm, vielleicht:
Ein Vorwand zählt zu Neujahr nicht
Die Ausflucht gilt zu Neujahr nicht


Ähnliches gilt für Zeile 1 der vorletzten Strophe (hoppla, ist das eine Symmetrie?); plötzlich zwei fünfhebige Zeilen – falls man das Wort „Fernsehen“ dieser Regel unterwirft. Also, damit tu ich mir so schwer, dass ich keinen wirklichen Verbesserungsvorschlag anbringen kann, der den Sinn einigermaßen erhält. Ach ja, und weiter vorne würde ich „passt“ und „geprasst“ noch mit Doppel-S versehen.

Ich hoffe, mein Kommentar ist dir willkommen, und sende schöne Grüße

PS. Dass man Titel nachträglich nicht ändern kann, ist wirklich ein schweres LL-Manko.

PPS. @Klopfstock: Hat mich gefreut, dass du ein paar meiner Anregungen als sinnvoll erachtet hast; ich persönlich schätze es sehr, wenn neben den (willkommenen) Schulterklopfern auch ein paar konstruktiv-kritische Kommentare kommen, und dachte mir, du schätzt das vielleicht auch...
 
L

Lutz Menard

Gast
Hallo "Ohrenschützer",

Du hast einen der wenigen, wirklich konstruktiven Kommentarbeiträge geleistet, herzlichen Dank! Du hat Recht mit der "Unebenheit" in Zeile 1 der 2. Strophe, man muß schon die Betonung etwas vergewaltigen und auf "re..." legen, wenn die Metrik (Jambus) stimmen soll. Wenn mir nicht noch etwas Anderes einfällt, werde ich die Stelle entsprechend Deinen Vorschlägen abändern.
Bei der vorletzten Strophe gerate ich in ein echtes Dilemma. Die beiden ersten Zeilen sollten neunsilbig sein, die erste ist es wohl auch, wenn ich "Fernseh´n" zweisilbig nehme. Das Problem ist die zweite Zeile, die elf Silben enthält und für die ich trotz vielen Bemühens keine andere Version finden kann, wenn ich den "Knalleffekt", die Gegenüberstellung der Gegensätze Theater - Glotze, nicht kaputt machen will. Beim lauten Lesen scheint es mir gar nicht - oder kaum - aufzufallen, der Fehler läßt sich aber nicht leugnen. Ich nehme mir da die dichterische Freiheit!
Aber vielleicht fällt Dir noch eine zwei Silben kürzere Lösung ein?

Herzliche Grüße
LuMen
 

Ohrenschützer

Mitglied
Ein Versuch

Hallo Lutz,

Danke für die freundlichen Worte! Ich hab diese ernsthafte, konstruktive Auseinandersetzung mit einem Text von mir durch Zefira und Kadra erfahren und wollte dieses schöne Gefühl weitergeben; freut mich, wenn dies gelungen ist.

Wenn es eine einfache Lösung für deine vorletzte Strophe gäbe, hättest du sie wahrscheinlich schneller und besser als ich. Aber vielleicht kann ich dir einen unausgereiften Denkanstoß geben:
Es mildert Bier die Glotzen-Töne
Dort nick ich ein, nicht vor der Bühne


Sonst müsste man es vielleicht auf vier Zeilen portionieren, dann geht es bestimmt leichter von der Hand. Das „Verdichten“ im eigentlichen Sinn ist nicht zuletzt auch oft mein größtes Problem...

Schönen Gruß
 

Lisa1

Mitglied
Hallo Lutz,
Theorie und Praxis - einfach Klasse -
Eine Freude, diese guten Vorsätze zu lesen
Liebe Grüße von Lisa,
die sie ständig immer wieder über Bord wirft
 



 
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