Guten Morgen!

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Bursch

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Wie berechtigt die verbreiteten Klagen über zunehmende Aggressivität und Unberechenbarkeit im Alltag sind, erlebte ich gestern Morgen an der Kaffee- und Bäckereitheke, die Teil unseres schicken neuen Einkaufszentrums ist.
Ein älteres Herrchen, abgetragener grauer Flanellanzug, absolut friedlich wirkende graumelierte Erscheinung, kommt mir Sekunden zuvor und bestellt bei der allein bedienenden jungen Dame "eine Tasse Kaffee".
Die in freundlichem, wenn auch routiniert wirkenden Tonfall: "Darf es noch ein Croissant dazu sein?"
"Nein, nein. Ich wollte nur einen Kaffee."
"Ein belegtes Brötchen vielleicht? Wir haben da ..."
Er ließ sie gar nicht ausreden. "Nur Kaffee. Ich war noch nicht ..., ich wollte mir mal das neue Zentrum ansehen."
Während sie den Kaffee in die Tasse laufen lässt, bietet sie freundlich an: "Unsere Mohnstücke sind heute im Angebot, drei für zwei."
Er reagiert irgendwie ungehalten, sagt in seltsam verschrobener Weise gar nichts mehr. Außer: "Was macht's?"
"Vielleicht eines unserer zahlreichen Graubrote? Diesmal mit allerlei Nüssen vermischt. Wir haben da unter anderem eine Kombination ..."
Wieder unterbricht er sie unfreundlich: "Was muss ich zahlen?"
"Besonders zu empfehlen die Version mit Haselnüssen. Unser Chef ..."
Sie kommt gar nicht dazu, den Kaffee auf ein Tablett zu setzen. Das graumelierte Herrchen im Flanell greift zu einem bereit stehenden Milchkännchen und schüttet der freundlichen Bedienung den Inhalt mitten ins Gesicht. Die so fassungslos wie ich.
Ich ergreife seine Kaffeetasse und gieße den Inhalt übers graue Haar und den Flanell, dass der Übeltäter laut aufschreit. Ich gebe zu, ein gewagtes Vorgehen meinerseits. Aber ich bitt Sie - was blieb mir denn?
 
Es ist durchgehend recht lustig, Bursch, bis auf die Schlussattacke. Die Komik davor resultiert aus dem Kontrast zwischen muffeligem Alten und hypergeschäftstüchtiger Verkäuferin. Der Ich-Erzähler hat hier wie meistens die Rolle des reflektierenden Beobachters. Als aggressiv Eingeifender fällt er aus dieser Rolle, das geht zu Lasten der Glaubwürdigkeit der Geschichte. Ich würde den letzten Absatz weglassen, evtl. ersetzen, nur wodurch? Vielleicht ist ein wenig Milch vor dem Tresen verschüttet worden und als der Herr sich umdreht, rutscht er aus und fällt hin?

Ein Satz ist im Text verstümmelt: "Die (ist) so fassungslos wie ich."

Freundlichen Gruß
Arno Abendschön
 

Bursch

Mitglied
Hallo Arno A.!

Danke für den klugen Kommi und deine Zusatzhinweise. Ich darf deine treffende Bemerkung "hypergeschäftstüchtig" dick unterstreichen. Um diesen Moment ging es mir. Sagen wir mal, dem "Alten" stößt die verkäuferische Drängelei an egal welchem Ort in Neudeutschland dermaßen auf, er hat diesbezüglich die Faxen so dicke, dass er im konkreten Fall ausrastet.
Aus Autors Sicht zu Recht, Autor verdreht diese schlichte Aussage aber und stellt das Ganze als Untat dar.
Also: wer das hier wörtlich nimmt, hat's nicht verstanden.;)

Gruß von Bursch
 



 
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