HERZkirschROT

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HERZkirschROT

farbige
schattenspiele


Es ist absolut still. Das einzig hörbare ist das leise, gurgelnde Plätschern des kleinen Baches neben mir.
Wenn ich mich aufsetzte kann ich durch das hohe Schilf den kleinen, blauen See erkennen.
Hinter mir steht eine alte Mauer aus schon brüchig gewordenem Stein, die ihren langen immergleichen Schatten auf die Wiese wirft in der ich liege.
Lasse ich meinen Blick weiter schweifen, sehe ich den großen Kirschbaum. Der treuste, verschwiegenste Freund aus meiner Kindheit! Als kleines Mädchen verstand ich die Sprache seiner säuselnden grünen Blätter.

Im Frühjahr, wenn er in voller Blüten stand, gab es nichts schöner als unter seinen dichten Astwerk zu liegen und in das Kirschweiß seiner majestätisch hohen Krone auf zu blicken und träumend sich in diesem Blütenweiß zu verlieren. Einszuwerden mit dem duftenden Weiß und dem durchschimmernden Himmelsblau!

Dann! Herzkirschen! Besonders große, saftige Früchte. Unzählige rote wohlschmeckende Herzen. Geschenke von ihm für mich! Unendliche Liebesbeweise!

Jetzt hat der Baum selbst im Sommer fast keine Blätter mehr, ist alt geworden und er wird sicher bald Platz machen, für das kleine, zarte Bäumchen, das direkt neben seinem Stamm schnell in die Höhe wächst.

Langsam drehe ich mich auf den Rücken, spüre das kühle Gras in meinem Nacken und Erde unter meinen Händen. Meinen Gedanken schweifen ohne bestimmtes Ziel umher, ich lasse die Stimmen in mir sprechen, wie sie wollen, folge dabei dem Weg der Wolken und träume.
Auf einmal sehe ich im Augenwinkel eine Bewegung. Ein Schatten huscht an mir vorbei, fliegt in geschwungenen Bewegungen direkt über mich hinweg und setzt sich schließlich auf eine blaue Blume nahe an meiner rechten Hand.
Kurz hebe ich meinen von Träumen schwer gewordenen Kopf und sehe einen großen, gelben Schmetterling.
Er hat sich ganz oben auf die Spitze der Blüte gesetzt und schaukelt mit der Blume leicht im Wind.
Durch seine Bewegungen entsteht ein seltsames verzauberndes Spiel aus Licht und Schatten auf der Blüte.
Ich betrachte ihn, eine Weile, wie er still und friedlich dort sitzt, und beginne, über ihn nachzudenken.
Ich frage mich, ob er wohl weiß, das er in einem Jahr nicht mehr hier sein wird, dass er nur diesen Sommer
hat, um von Blüte zu Blüte zu fliegen. Wahrscheinlich nicht. Doch weiß ich denn, ob ich in einem Jahr wieder inmitten dieser Blumenwiese liegen kann?
Und wer würde mich vermissen? Der Schmetterling, der hier auf einer anderen, wahrscheinlich ebenso schönen Blume sitzt, würde mit Sicherheit nicht wissen, dass ich jemals hier gewesen bin.
 
D

Daktari

Gast
summ summ summ

Hi, Glasperle!

Schöner Text. Ich kann so richtig die Bienen summen hören, rieche den Duft der Blüten.
Bur einen Schönheitsfehler hat der Text - der Schatten der Mauer kann nicht immer gleich sein. Geht niente.

Ciao
Tim
 
Re: summ summ summ

hi tim,

"Bur einen Schönheitsfehler hat der Text - der Schatten der Mauer kann nicht immer gleich sein. Geht niente."

wenn man es recht bedenkt - hast du recht!

thanx
 

Traveller

Mitglied
fettkursiv

Erklär mal, was soll der Fett- und Kursivdruck.

Ich finde dies störend.

Im Grunde sind es zwei Geschichten. Die Eine hat mit der Anderen nichts zu tun.
 
Y

yaira

Gast
Hallo glasperlenspielerin,
mir gefallen die erinnerungen an die Kindheit des lyrischen Ichs sehr gut. allerdings finde ich das extreme hervorheben der farben eher störend.
In der Geschichte spielst du durch den Schmetterling und den Kirschbaum stark auf die Vergänglichkeit an. Ich bewundere es, dass du dies schaffst ohne irgendwelche düsteren Bilder heraufzubeschwören.
Allerdings zerstören diese philosophisch angehauchten Fragen am Ende diese Leichtigkeit.

yaira
 
Re: fettkursiv

hi traveller,
fettgedruckt sind alle farb-wörter, damit sie sofort ins auge springen
das gestern und jetzt, getrennt durch die schrifttypen. habe kursiv gewählt, weil ich damit den text noch "leichter" wirken lassen wollte
du bist nicht der erste, der meine art der optischen umsetzung von texten hinterfragt, dabei nehme ich mich schon schon sehr zurück

thanx für deine anmerkungen
 
Ursprünglich veröffentlicht von yaira
allerdings finde ich das extreme hervorheben der farben eher störend. ...
Allerdings zerstören diese philosophisch angehauchten Fragen am Ende diese Leichtigkeit.

hi yaira,

vielleicht sind meine vorstellung von graphischer umsetzung meiner texte entweder gewöhungsbedürftig oder ich bin da "auf dem falschen dampfer", wenn der leser sie als so störend empfindet

diesen "schatten" am schluss möchte ich aber nicht missen

thanx
 

Traveller

Mitglied
Freiheit

Lasse dem Leser doch die Freiheit, dort seine Betonung zu lesen, wo es ihn selber hinführt.
Du willst mit Deiner Art, die Menschen dort hin führen, was Dir wichtig erscheint. Aber damit nimmst Du den Lesern die Freiheit.
Das ist so ähnlich, als wenn ein Maler unter ein modernes Bild einen Titel schreibt, der die Sichtweise festlegt. Damit verliert der Betrachter die Freiheit seiner eigenn Fantasie.

Geschriebene Sprache sollte ohne derartiges auskommen. Wenn es gut geschrieben ist, braucht es solche "Mätzchen" nicht.
 
Re: Freiheit

hi traveller,

wieso nehme ich dem leser "die freiheit", wenn ich farbwörter fett drucke? stell dir vor ich könnte hier rot -rot drucken usw. (was ich übrigens als oprimale umsetzung des textes ansehen würde) und pics und gifs einsetzen!
übrigens haben nicht bilder auch (fast) immer einen titel?
du sprichst von "mätzchen" - vielleicht hätten einige der berühmten schriftsteller zu diesen "mätzchen" gegriffen, nur sie hatten die möglichkeit dazu NICHT.
könnte doch sein, oder?

so long
 

Traveller

Mitglied
Mätzchen

"u sprichst von "mätzchen" - vielleicht hätten einige der berühmten schriftsteller zu diesen "mätzchen" gegriffen, nur sie hatten die möglichkeit dazu NICHT."


Die hatten dies nicht nötig !

Aber, wenn Du derartiges toll findest, solltest Du es hier unter "Experimentelles" posten.

Ich bin privat wie beruflich einen langen Weg durch den Kulturbetrieb gewandert und habe auch viel ausprobiert.
Der Begriff "Mätzchen" stammt nicht von mir, sondern von Literatur- und Theaterkritikern. Denn eine gute Inszenierung lebte von der Sprache und sobald ein schlechter Regisseur am Werk war, versuchte er seine Schwächen mit "Mätzchen" auszufüllen. Aber der Kritiker und das Publikum sehen das sofort!

Mir unvergessen bleibt eine Aufführung von "Wer hat Angst vor Virgina Woolf" von Edward Albee, damals mit Charles Regnier, Barbara Rütting, Gunnar Möller und Brigitte Rau. Zu der Aufführung kam der Bühnenwagen mit den Requisiten nicht an. Dieser war im Schnee stecken geblieben. Die Aufführung wurde nun mit ganz wenigen ausgeliehenen Möbeln des Gastspielortes durchgeführt. Nichts lenkte ab. Die Schauspieler mussten allein mit der Sprache überzeugen. Es war eine der besten Aufführungen, die ich je sah.
 
Re: Mätzchen

hi,

dein beispiel "hinkt" ein wenig -
schauspieler geben mit ihrer stimme "dem wort" ausdruck.
das beste, was ich je erlebt habe, war im puschkin-museum die rezitation von puschkins "evgenin onegin".
ist das lautlesen - rezitieren nicht auch schon eine art "mätzchen"?

thanx
 

think twice

Mitglied
Hallo glasperlenspielerin,

Ich muss Traveller recht geben, wenn du auf besondere Hervorhebungen in deinem Text besteht, dann passt er eher in den Bereich "Experimentelles", was nun keine Abwertung sein soll, aber eine Kurzgeschichte kommt in der Regel doch ohne besondere Hervorhebungen aus. Und nur um das mal anzumerken, mir hätte der Text auch so ausgereicht.

Liebe Grüße
think twice
 
Re: ist das lautlesen - rezitieren nicht auch schon eine art

hi,
sicherlich habe ich dich verstanden
nur ich glaube sehr wohl, dass "literatur" sich im zeitalter der virtuellen welten verändern wird und muss -
sowohl was die inhalte betrifft als auch die art der umsetzung

thanx
so long
 

Traveller

Mitglied
noch ein Hinweis

Als das Farbfernsehen in unsere Welt kam, hatte die gesamte Veranstaltungsszene eine Krise. Alles hing vor der Klotze und kaum einer besuchte noch öffentliche Veranstaltungen.
Mit dem PC, Internet, anderen Medien gab es kaum mehr eine Veränderung in der Veranstaltungsszene. Nur DVD lenkt noch ein wenig ab.
Aber die Menschen kehren immer wieder zum "Greifbaren" zurück, was mit Liebe von Menschen gemacht wird!
 
Re: noch ein Hinweis

Ursprünglich veröffentlicht von Traveller
Aber die Menschen kehren immer wieder zum "Greifbaren" zurück, was mit Liebe von Menschen gemacht wird!
hi,

naja ein stummfilm wurde auch mit liebe gemacht - oder die jäger und sammler haben mit insbrunst ihre höhlenbilder gemalt.

so long
 

stargazer

Mitglied
Hallo Traveller,
ich bin schon der Ansicht, dass sog. Beiwerk auch den Inhalt mitprägt bzw. diesen formt. Sprache, die aus sich allein existiert, ist kaum vorstellbar, so braucht man einen Mund, der spricht, also etwas Greifbares, ein Blatt Papier, einen Untergrund, auf dem was geschrieben steht usw..Was ist also DAS Wesentliche? Das Wort an sich? Ich glaube, dieses gibt es nicht einfach, wir brauchen für die Wahrnehmung Ohren oder Augen...Es gehört einfach alles zusammen, ohne bestimmte Reize ist ebenfalls kein Denkprozess vorstellbar.
 



 
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