Haarig

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DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Es war einmal eine Mutter, die voller Sorgen ihr kleines Mädchen betrachtete. Endlich wuchsen ihm Haare, aber sie kamen senkrecht aus dem Kopf. Senkrecht! Das kleine Mädchen hatte den Kopf voller Wirbel. Die Mutter war etwas verzweifelt. Für einen Jungen wären derartige Haare ja vielleicht schön gewesen, aber für ein Mädchen....
Im Alter von zwei Jahren befand sich das Mädchen mit den Stehhaaren zum ersten Mal beim Friseur und dieser sagte nur: "Sie braucht mal einen Mann mit viel Geld, denn sie bekommt einen teuren Kopf!" Das kleine Mädchen interessierte das nicht. Unbekümmert trug es bald im Kindergarten seine frechen, abstehenden Haare zur Schau und sah aus wie ein kleiner Junge. Niemals ziepten diese Haare nach dem Waschen beim Kämmen. Das gefiel dem Mädchen.

Doch irgendwann änderte sich seine Wahrnehmung. Besonders dann, wenn die Großmutter zu Besuch war und abends ihren Knoten löste, bis ihre Haare in langen Wellen über den Rücken flossen. Ausgiebig wurden diese gebürstet. Das kleine Mädchen stand bewundernd daneben. Solche Haare müsste es auch haben! Die Großmutter strich ihrer Enkelin über den Kopf und erklärte, dass sie doch bereits kräftige Haare hätte, das würde schon, seien sie auch nicht wellig.

Das kleine Mädchen wurde älter und sah andere Mädchen mit Locken und noch schlimmer, mit langen Locken. SO wollte es auch aussehen! Aber nein, seine Haare blieben extrem glatt und wurden zwar zunehmend dicker, aber niemals zeigte sich die Andeutung einer Locke. Es ließ sich die Haare wachsen, aber das gefiel ihm auch nicht und irgendwann wurden sie wieder abgeschnitten.

Schließlich fand das Mädchen den richtigen Friseur. Er verstand es, die widerspenstigen, wirbelverseuchten, glatten Haare perfekt zu schneiden. In jeder Lebenslage glitten die Haare nun in diese zurück. Der Fluch, dass die Haare immer gleich lagen, war der Segen. Sie lagen nämlich wirklich immer gleich. Immer perfekt.

Die Klassenkameradinnen mit lockigen Haaren betrachteten nun das Mädchen mit neuen Augen. Sie schimpften nämlich immer über ihre Locken, denn die lagen nie richtig. Früher hatte das Mädchen sie beneidet, aber nun kehrten sich die Rollen um. "Wir möchten auch die Haare so geschnitten haben", verlangten die Freundinnen des Mädchens beim Friseur. "So wie sie!" Der Figaro lehnte sofort ab. "Dafür habt ihr die falschen Haare!" Zum ersten Mal war das kleine stehhaarige Mädchen von damals sehr stolz auf seine Haarpracht.

Irgendwann hatte es eine Brieffreundin und nach längerem Austausch wollte diese wissen, wie denn nun die andere aussah. Das Mädchen schickte ein Bild. Die andere war vollkommen verblüfft. "Ich dachte, du hättest Locken", schrieb sie zurück. Da waren sie wieder, die Locken, die das Mädchen so gerne gehabt hätte. Sie begann darüber zu grübeln, wieso die andere genau das gedacht hatte.

Vermutlich, weil man sich immer ein Bild vom anderen macht. Welches dann völlig falsch sein kann....und seien es nur die Haare.
 

Ofterdingen

Mitglied
Hi,

Du beginnst deinen Text mit der Eingangsformel des Märchens: "Es war einmal eine Mutter ..." und erzählst dann deine Version des hässlichen Entleins, das zum Schwan wird (oder werden könnte). Das Motiv der senkrecht wachsenden Haare hat etwas, daraus ließe sich eine Menge machen, doch ich finde, du machst zu wenig daraus, besonders dünn wird es am Ende:

"Sie begann darüber zu grübeln, wieso die andere genau das gedacht hatte.

Vermutlich, weil man sich immer ein Bild vom anderen macht. Welches dann völlig falsch sein kann....und seien es nur die Haare."

Das ist eine Plattitüde, die den Leser langweilt. Vermutlich wäre fast jeder andere Schluss besser.

An einer Stelle habe ich Verständnisprobleme:

"Niemals ziepten diese Haare nach dem Waschen beim Kämmen."

Ich schlug im Duden nach und erfuhr, "ziepen" sei ein norddeutsches Wort und bedeute "einen Pfeifton von sich geben" oder "zupfend ziehen". Gaben die Haare also beim Kämmen keinen Pfeifton von sich, nachdem sie gewaschen waren, oder wie soll ich das verstehen?

"ihr kleines Mädchen ... Endlich wuchsen ihm Haare"

Unglücklicher- und hässlicherweise hat das Wort "Mädchen" im Deutschen keinen femininen Artikel. An deiner Stelle würde ich jedoch trotz allem vermeiden, "ihm" zu benutzen, wenn von einem offensichtlich weiblichen Wesen die Rede ist. Es gibt da andere, bessere Möglichkeiten. Beispielsweise kannst du dem Mädchen einen Namen geben und dann tritt da eine Claudia, Ulrike - oder wie immer du sie nennst - als SIE auf.

Grüße aus München,

Ofterdingen
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Ofterdingen,
"ziepen" meint "zupfend ziehen", ganz recht, das heißt, dass die Haare nach dem Waschen nicht mühsam wie bei Locken entwirrt werden mussten, sondern sich leicht kämmen ließen und eben nicht ziepten, also weh taten.
Der Schluss ist mir wichtig, denn das Bildnisverbot wird ständig umgangen. Ich müsste ihn noch ausgestalten, mal sehen, wie.
Nein, das Mädchen bleibt nur ein Mädchen ohne Namen.
Vielen Dank für die Beschäftigung mit dem Text und viele Grüße ins schöne München!
Doc
 
S

Steky

Gast
Eigentlich gar keine schlechte Story, aber man könnte sie durchaus noch ein bisschen verbessern, spannender machen (eventuell mit Dialogen oder mehreren Personen).

Was mir aufgefallen ist, bei einem Satz schreibst du:" SO wollte sie nicht aussehen..." Wenn man ein Wort besonders akzentuieren, also hervorheben möchte, dann setzt man dieses meist ins Kursive; das ist ästhetischer. Ich finde, diese Geschichte wurde schlechter bewertet als sie ist. Ich werde versuchen, dass auszumerzen. LG Steky
 
K

kal

Gast
hallo doc,
aus den augen einer frau kann ich das kreuz mit dem aussehen nur zustimmen.
und auch die schlußfolgerung gut nachvollziehen.

dennoch muss ich mich ofterdingen seinem kommentar anschließen. an dem ende könnte man wirklich noch was machen.


ach, bevor ich es vergesse: ziepen!
so kenne ich das wort auch ... noch aus kindertagen :)


lg und gute nacht
kal
 

John Wein

Mitglied
es sind oft Kleinigkeiten, die eine Geschichte besser zum Klingen bringen:
z.B. ein Mädchen-haha!-( es ihm, sein) würde ich zwischendurch anders ausdrücken, die Kleine, Tochter(Töchterlein), Fratz, Püppchen, Teenie vielleicht hat sie auch einen Namen

oder Haare, da würde ich öfter mal wechseln: Frisur, Schopf, Borste, Zottel, Fell usw.
stehhaarige warum nicht stachelige oder borstige?

der letzte Satz klingt wie eine Moral
Ich vermute, und weiter: wenn….. dann… usw. kann man diesen Satz leicht weiter ausschmücken und die Geschichte nicht so abrupt wie ich meine, beenden.

übrigens,
ziepen klingt nicht nur gut, sondern ist auch ein durchaus weitverbreiteter und gebräuchlicher Ausdruck

liebe Grüße, JW
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
John Wein, das Mädchen hatte ja keine Frisur, die Haare waren zu glatt, sie hingen einfach runter, wenn sie länger waren, dann wurden sie wieder gekürzt - aber alles war unbefriedigend. Bis eben der richtige Friseur kam!

Tja, das Ende. Bis jetzt fehlt mir noch die Erleuchtung. Oder ich gehe mal zum Friseur! ;-)
 



 
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