Häutung

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anbas

Mitglied
Häutung

Ich habe mir meine viel zu enge Haut vom Körper gerissen. Mitten im Winter. Der Schnee kühlte die stechenden Schmerzen. Doch jetzt drohe ich zu erfrieren. Meine Haut haben die Krähen zerhackt und gefressen. Blutige Fußspuren irren durch den Schnee. Sie suchen nach verlorener Sicherheit. Doch die schützende Hülle wurde von scharfen Schnäbeln zerfetzt. Und aus kahlen Bäumen tönt nun höhnendes Gekrächzte zu mir hinüber.

In deiner Höhle brennt Feuer. Es lädt ein, sich an ihm niederzulassen. Doch mich quält die Hitze fast zu Tode. Sie beißt sich tief in meine Wunden. Ich kann nicht bleiben. Der Schnee kühlt. Erfrieren kann ein schöner Tod sein.

Du brauchst die lodernde Glut. Wie gerne hätte ich deine warme Haut auf meiner gespürt. Doch meine fraßen die Krähen. Es wird dauern, bis sie nachgewachsen ist. Erst dann kann ich mich dir nähern. Erst dann kann ich an deinem Feuer sitzen.

Jetzt aber irren blutigen Fußspuren durch den Schnee. Es ist Nacht. Der Flammenschein leuchtet weit in die Dunkelheit. Um deine Höhle herum blühen Rosen. Rosen im Winter - das ist nicht möglich, das kann nicht sein. Doch dein Feuer lässt sie erblühen.

In meinen Fieberträumen treibe ich durch glühende Lava. Meine Schmerzen schreien nach kühlender Heilung. Meine Seele sehnt sich aber nach Wärme. Doch ich bin unberührbar. Meine abgerissene Haut zerhackten und fraßen die Krähen. Es gibt kein Zurück. Es gibt nur ein Weiter.

Die Kälte lässt mich erstarren. Ich werde den Winter wohl nicht überleben. Nur ein Wunder könnte mir helfen. Die Glut deines Feuers ruft nach mir durch die Finsternis. Meine wunden Lippen zittern. Nur einen Kuss - dann könnte ich in Frieden sterben. Doch diese zerschundenen Lippen können nicht küssen.

Folge nicht meinen blutigen Spuren! Sie führen in die dunkle Kälte! Eisstürme verwehen jede Fährte. Du könntest dich verirren. Du brauchst die Wärme. Du brauchst das Feuer. Verlasse es nicht! Du sollst leben! Solange du lebst, kann ich mich nach dir sehnen. - In meinen Träumen folgst du mir trotz aller Gefahren. Dort bist du meine Retterin.

Sei meine Retterin! Ich flehe dich an! Grabe mir eine Höhle in den Schnee. Grabe sie so, dass ich dein Feuer sehen kann. Bette mich auf weiche Daunen und bedecke meinen wunden Körper mit Rosenblättern. Verwische die blutverirrten Spuren, damit die Krähen mich nicht finden können. Und dann warte auf mich. Warte, bis meine Haut nachgewachsen ist.
 
Hallo anbas,

ich bin bewegt und ergriffen von deinem Text! Erst dachte ich, so etwas Blutiges kann ich gar nicht weiterlesen. Aber, ich wollte/musste wissen, was das Ganze zu bedeuten hat. Du hast es geschafft, mich als Leser mitzureißen, mitleiden zu lassen. Diese Geschichte ist derart tiefgründig. Klasse!

Lieber Gruß,
Estrella
 

anbas

Mitglied
Häutung

Ich habe mir meine viel zu enge Haut vom Körper gerissen. Mitten im Winter. Der Schnee kühlte die stechenden Schmerzen. Doch jetzt drohe ich zu erfrieren. Meine Haut haben die Krähen zerhackt und gefressen. Blutige Fußspuren irren durch den Schnee. Sie suchen nach verlorener Sicherheit. Doch die schützende Hülle wurde von scharfen Schnäbeln zerfetzt. Und aus kahlen Bäumen tönt nun höhnendes Gekrächzte zu mir hinüber.

In deiner Höhle brennt Feuer. Es lädt ein, sich an ihm niederzulassen. Doch mich quält die Hitze fast zu Tode. Sie beißt sich tief in meine Wunden. Ich kann nicht bleiben. Der Schnee kühlt. Erfrieren kann ein schöner Tod sein.

Du brauchst die lodernde Glut. Wie gerne hätte ich deine warme Haut auf meiner gespürt. Doch meine fraßen die Krähen. Es wird dauern, bis sie nachgewachsen ist. Erst dann kann ich mich dir nähern. Erst dann kann ich an deinem Feuer sitzen.

Jetzt aber irren meine blutigen Fußspuren durch den Schnee. Es ist Nacht. Der Flammenschein leuchtet weit in die Dunkelheit. Um deine Höhle herum blühen Rosen. Rosen im Winter - das ist nicht möglich, das kann nicht sein. Doch dein Feuer lässt sie erblühen.

In meinen Fieberträumen treibe ich durch glühende Lava. Meine Schmerzen schreien nach kühlender Heilung. Meine Seele sehnt sich aber nach Wärme. Doch ich bin unberührbar. Meine abgerissene Haut zerhackten und fraßen die Krähen. Es gibt kein Zurück. Es gibt nur ein Weiter.

Die Kälte lässt mich erstarren. Ich werde den Winter wohl nicht überleben. Nur ein Wunder könnte mir helfen. Die Glut deines Feuers ruft nach mir durch die Finsternis. Meine wunden Lippen zittern. Nur einen Kuss - dann könnte ich in Frieden sterben. Doch diese zerschundenen Lippen können nicht küssen.

Folge nicht meinen blutigen Spuren! Sie führen in die dunkle Kälte! Eisstürme verwehen jede Fährte. Du könntest dich verirren. Du brauchst die Wärme. Du brauchst das Feuer. Verlasse es nicht! Du sollst leben! Solange du lebst, kann ich mich nach dir sehnen. - In meinen Träumen folgst du mir trotz aller Gefahren. Dort bist du meine Retterin.

Sei meine Retterin! Ich flehe dich an! Grabe mir eine Höhle in den Schnee. Grabe sie so, dass ich dein Feuer sehen kann. Bette mich auf weiche Daunen und bedecke meinen wunden Körper mit Rosenblättern. Verwische die blutverirrten Spuren, damit die Krähen mich nicht finden können. Und dann warte auf mich. Warte, bis meine Haut nachgewachsen ist.
 

anbas

Mitglied
Liebe Estrella,

ich danke Dir für diese Rückmeldung und freue mich, dass Dich der Text "gefesselt" hat.

Zunächst war ich mir unsicher, ob ich ihn so einstellen soll. Zumindest kann er auch so gelesen werden, dass da ein wehleidiger Typ seine persönliche Betreuerin sucht. Mit der Lesart hätte ich auch kein Problem, es wäre allerdings nicht so von mir gemeint und gewollt gewesen.

Liebe Grüße

Andreas
 
Hallo Andreas,

du schreibst:

Zumindest kann er auch so gelesen werden, dass da ein wehleidiger Typ seine persönliche Betreuerin sucht.

So ist es nicht einen Moment bei mir angekommen. Aber interessant, welche unterschiedlichen Interpretaionsarten es gibt.

Lieber Gruß,
Estrella
 

Ralf Langer

Mitglied
hallo anbas,
deine zweifel möchte ich gerne zestreuen.
es ist ein gelungener text, mit einer durchgängig fast
"lyrischen" sprache.
ich lese es beinahe wie eine ode.
auch die wiederholungen mit der von raben gefressenen haut, das wiederholte auftauchen des feuers verstärken bei mir diesen eindruck und die daraus resultierende lesart.

ein text irgendwo zwischen lyrik und prosa.
mir gefällts
ralf
 
S

suzah

Gast
hallo anbass,
ein sehr guter text, es ist schon alles gesagt worden, ich muss es nicht wiederholen, nur noch die wertung abgeben.

liebe grüße suzah
 

anbas

Mitglied
Hallo und liebe Grüße aus der Versenkung, in der ich ein wenig verschwunden bin!

Vielen Dank für Eure Rückmeldungen. Ja, in einem anderen Forum hat es tatsächlich die oben erwähnte Interpretation gegeben, die mich etwas verunsichert hat. Schön, dass es hier andere Stimmen gibt.

Gruß

Andreas
 

Rhea_Gift

Mitglied
Wow, das ist toll - bekannte Bilder, aber verdammt gut umgesetzt und miteinander verwunden, spricht mich enorm an - hatte beim Lesen ein trauriges Ende befürchtet - toll, dass es auch noch hoffnungsvoll endet, mit nachwachsender Haut - ein Text nach meinem Herzen!!
Mehr als gelungen!

Ostergrüße, Rhea
 

Rhea_Gift

Mitglied
PS: wehleidig ist er überhaupt nicht! Wer sagt, dass Erstarrte kein Feuer brauchen, lügt. Die Haut lässt er ja nachwachsen, nicht sie. Hättest du gesagt, flicke mich wieder zusammen - dann käme der Eindruck vielleicht auf. Aber am Feuer selbst wieder zusammenwachsen - das liegt einfach in der Natur der Sache!
In der Kälte kann man zwar aufrecht weitertaumeln - für wirkliche Heilung - ist schon Feuer nötig... ;)

LG, Rhea
 



 
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