Haiku

2,50 Stern(e) 2 Bewertungen
F

flumi

Gast
Hei thaukelt,

sorry, aber das ist kein Haiku, sondern ein ganz "normales" Gedicht, im wesentlichen aus zwei Gründen:

1. Ein Haiku hat keine Überschrift.
2. In der dritten Zeile fehlt eine Silbe.

Außerdem: Ohne Überschrift ist die erste Zeile kaum zu verstehen! Trotzdem: Den Gedanken finde ich gut!
Rat: Überarbeiten!

Immer hübsch ruhig
flumi
 

egofrau

Mitglied
dass ein heiku keine überschrift hat, lasse ich noch gelten, aber dass eine silbe fehlt? die regeln gelten für heiku in der originalsprache, die ja einen ganz anderen rhytmus hat. ich bin der meinung, man sollte sich ruhig auch einmal ein wenig ausserhalb dieser regel bewegen dürfen, wenn ansonsten der sinn vergewaltigt würde. also überarbeiten, ja. ich finde die idee sehr gut :) wie gesagt, dies ist meine meinung :)

in diesem sinne
liebe grüße
ego
 
F

flumi

Gast
Hei egofrau,

ich will Dir ja keinerlei Meinung absprechen. Nur, was Du hinsichtlich der Silbenzahl sagst, das ist halt schlichtweg falsch, mausefalsch! Natürlich sind auch vier Silben in der dritten Zeile möglich, aber dann ist es eben kein Haiku! Das ist nun kein Beinbruch, lediglich eine andere Gedichtform. Ich würde Dir empfehlen, mal in die Literatur zu schauen. Oder die Deutsche Haiku-Gesellschaft anzusprechen. Apropos Regeln: Selbstverständlich kannst Du in vielerlei Hinsicht nach Deinen eigenen Regeln leben. So zum Beispiel sagen, ein Apfel heißt bei mir Schnuckeputz. Vielleicht kommst Du damit im Supermarkt noch einigermaßen klar. Wenn Du allerdings in ein Stadtbad gehen willst und vor verschlossenen Türen stehst, weil Mittag für Dich Mitternacht ist, dann ist es Dein eigenes Pech!

Immer hübsch ruhig
flumi
 

egofrau

Mitglied
heiku oder nicht

hi flumi,

sicher hast du recht aus deiner sicht gesehen. nach dem motto dicht daneben ist auch vorbei.... ich wollte damit lediglich zum ausdruck bringen, dass es meiner meinung nach einfach nicht so wichtig ist, sich an strenge regeln zu halten, sondern sich seinem empfinden nach auszudrücken. die äussere form spielt dabei für mich eine nur eine untergeordnete rolle. ob das ganze dann nach unflexiblen regeln ein heiku ist oder nicht... wichtig ist für mich dass es dem sinn nach eines ist. und obenstehender text ist für mich ein - wenn auch nicht vollkommenes - haiku

in diesem sinne

johanna
 
F

flumi

Gast
Hei egofrau,

sorry, so einfach ist es nun wirklich nicht! Und vor allem sollte man nicht einem, der gewissermaßen noch am Anfang steht, mit solchen Aussagen unter die Arme greifen wollen, bei allem Verständnis! Es gibt genügend „freie“ Gedichtformen. Bei bestimmten Formen aber muß ich mich an feste Regeln halten, kann also nicht nach eigenem Gusto verfahren. Dazu gehören neben dem Haiku zum Beispiel Tanka und Sonett. Hier kommt es nicht nur auf den „Inhalt“ an, sondern auch die äußere Form muß stimmen, wenn es das sein soll, was man schreiben wollte. Etwas gelockerter ist in diesem Zusammenhang der Limerick zu sehen. Auch hier wieder ein Beispiel aus der Praxis: Spülwasser ist noch längst keine Suppe, nur weil es vom Inhalt her einer entspricht! Freilich, ob Egofrau oder nicht, das ist hier ohne jede Bedeutung! Das nur vorsorglich.

Immer hübsch ruhig
flumi
 

egofrau

Mitglied
hei flumi ;-)

nein, so einfach ist es wirklich nicht.... auch für mich nicht, denn ich habe auch noch kein haiku geschrieben, dass sich diesen regeln anpasst :) wenn ich hier meine meinung zum ausdruck bringe, so ist das einerseits mein gutes recht, andererseits gibt es dem schreiber o.g. textes auch die möglichkeit, selbst zu entscheiden, ob er haiku schreiben möchte oder kann oder nicht. regeln, die man anwenden kann, kennt er ja nun ;-) so viel toleranz muss sein. egofrau oder nicht*g*

kleiner tip: http://www.haiku-plus.de/haiku.html

ob haiku oder nicht: die entscheidung treffe ich hier nicht, möchte aber von dir, thaukelt, hier bald mehr lesen! laß einfach zunächst die schubladen zu und nenne text, was du schreibst, bis du dir sicher bist ;-D lernen kannst du hier viel! bin auch noch nicht so lange dabei, trotzdem: herzlich willkommen in der leselupe :)

liebe grüße

johanna
 

m.marxgoe

Mitglied
Warum Verriß?

Hallo thaukelt,

glücklicherweise sind die Leselupe-Mitglieder (manchmal) hart, aber doch meistens fair in ihren Urteilen. Aus diesem Grund sehe ich es als sehr positiv an, daß Du endlich den Mut (?) hattest, hier etwas zu veröffentlichen. Ein kleiner Formfehler kann natürlich nicht die einzige Grundlage eines Verrisses sein, das erkennen die Leselupe-Mitglieder sofort, und dementsprechend ist die Beurteilung ausgefallen.
Ich selbst bin kein großer Lyrikkenner aber lernwillig. Die Aussage Deines Haikus ist vielversprechend und fast schon zu "tiefsinnig" für einen "Opener". Ich bin gespannt, was noch alles von Dir hier zu lesen sein wird. Zur Not pack noch mehr von Deinem alten Material aus. Besser fände ich es allerdings, wenn Du Neues schreiben würdest oder das Alte noch einmal überarbeiten würdest. Es darf auch ruhig mal Prosa sein ;-).

Viele Grüße und bis bald, Michael.
 

thaukelt

Mitglied
Hallo allerseits,

erst einmal vielen Dank für die zahlreichen Reaktionen. So viel Brimborium um so
wenig Zeilen? Das hat der Text eigentlich gar nicht verdient.;)

Ich antworte einfach mal der Reihe nach:

@flumi:

Du hast mich mit voller Breitseite erwischt. Die Form stimmt nicht.

Ich habe gestern mal in meinem alten
Zettelkasten gekramt und das "Original" gefunden:

Dreck in deiner Hand.
Erstmals formst Du deine Welt
und nicht sie dich, Kind.


Ich kann nur spekulieren, warum ich das Gedichtlein irgendwann geändert habe.
Wahrscheinlich war mir das "Kind" am Ende einfach nicht deutlich genug, da es
in dieser Anredeform nicht unbedingt Kind im wörtlichen Sinn bedeuten muss.
Weiter unten vermutest Du, ich würde noch am Anfang stehen. Eigentlich ist
das Gegenteil der Fall. ich stehe eher am Ende meiner "Dichterkarriere". Ich
bin seit einigen Jahren sehr unproduktiv, nachdem ich über 10 Jahre sehr viele
Gedichte geschrieben habe. Ich denke auch, dass ich in Metrik und formellen
Aspekten nicht ganz unerfahren bin - ich habe zu dem Thema sogar (freiwillig!)
eine Hausarbeit verfasst (was meine Kommilitonen recht merkwürdig fanden) ;)

Als ich angefangen habe, mich mit Gedichten und den Gedichtformen zu
beschäftigen, war ich natürlich sehr bedacht darauf, die Form zu wahren - ganz
gleich, wie sehr der Inhalt darunter leidet. Ein wenig war es auch Teil der
Herausforderung: Ein Sonnet soll ja nicht nur im Versmass strukturiert werden,
sondern auch inhaltlich. Man muss sich also mit einem Gedanken näher
auseinandersetzen, wenn man ihn in ein derart strenges Korsett schnüren möchte.

Du schreibst an Egofrau, dass ein Haiku mit einer Silbe zuwenig kein Haiku ist.
Das ist Prinzipiell richtig - aber wenn man derart streng an den Definitionen
klebt, müsste man auch sagen, dass viele von Rilkes "Sonette an Orpheus" keine
Sonette sind.

Gedichtformen sind Schablonen, die einem helfen, ein Gedicht zu strukturieren.
Ich finde nicht, dass man ihnen sklavisch folgen muss. Mein Gedicht hätte man
auch "Gedicht nach Art eines Haikus" nennen können. Das klingt aber für
mich zu sehr nach Küchenrezept.

@egofrau

Ich wollte mit dem Haiku gar keine Schublade öffnen Das Ding war mal ein Haiku
und ist jetzt - nach strengen Regeln - vielleicht keiner mehr. Übrigens Danke
für das herzliche Willkommen.

@m.marxgoe

Hmm...wir kennen uns nicht zufällig. ;)

Gruß
Thaukelt
 
F

flumi

Gast
Hei egofrau,

schon vor ein paar Tagen habe ich nicht ohne Grund zu Dir gesagt, daß Du natürlich meinen kannst, was Du willst. Das ist Dein gutes Recht. Nur wird dadurch das, was Du von Dir gibst, nicht richtiger. Ich glaube Dir gerne, daß Du noch kein Haiku geschrieben hast, das den Regeln entspricht. Ist Dir eigentlich klar, was Du damit ausdrückst? Hast Du schon einmal zum Beispiel ein Auto gesehen, das (zur standesgemäßen Fortbewegung) keine Räder – das entspräche im vorliegenden Fall den Regeln –, sondern Flügel hat? So „Dinger“ gibt es wirklich! Nur nennt man sie dann Flugzeuge.

Nicht nur falsch, sondern zusätzlich sogar vom Grundsatz her noch unverantwortlich ist das, was Du da weiterhin feststellst. Gewissermaßen nach dem Motto „Friß oder stirb“! Vergleichbar etwa einem Schulkind, dem gesagt wird, das Wort „daß“ könne man mit ß, s oder ss schreiben. Es solle sich raussuchen, was ihm am besten gefalle. Ich hoffe nur, daß Du keine Lehrerin bist. Ehrlich gesagt, wundern würde es mich allerdings nicht! (Ohne freilich diesem Berufsstand, dem eine äußerst gewichtige Rolle in der Gesellschaft zukommt, insgesamt auch nur das geringste nachsagen zu wollen.)

Immer hübsch ruhig
flumi
 

thaukelt

Mitglied
Hallo flumi,

ich denke Du irrst. Du machst aus einer deskriptiven Lehre eine normative. Gedichtformen sind mit der Grammatik vergleichbar. Die Regeln werden gefunden, aber nicht erfunden - geschweige denn vorgeschrieben. Niemand hat sich je hingesetzt und gesagt, ich erfinde jetzt das Sonett und das hat für alle Zeiten so und so auszusehen.

So wie die Sprache in Bewegung ist und grammatikalische Formen sich verändern können, so können sich auch Gedichtformen weiterentwickeln.

Eine Gedichtform ist kein Auto, dass nicht mehr funktioniert, wenn es nicht nach einem bestimmten Bauplan aufgebaut ist. Du siehst mir das alles zu technokratisch.

Gruß
Stefan

PS: Ich habe eben zwei neue Texte in "Poesie der Liebe" (wie schwülstig ;) ) gepostet.
 

thaukelt

Mitglied
Re: Warum Verriß?

Hallo Michael!

Es darf auch ruhig mal Prosa sein ;-).

Ehrlich gesagt, bin ich nicht so der Typ für Prosa. Ich weiss auch nicht, ob Prosa im Internet so gut aufgehoben ist. An die Prosa-Foren bei leselupe.de habe ich mich z.B. noch gar nicht herangetastet. Mit Kurzprosa kann ich selten etwas anfangen und längere Texte lese ich ungern am Bildschirm.

Deshalb habe ich ja auch ganz bewusst einen ganz kurzen Text als "Opener" gewählt. Spannend fände ich, mal von Dir etwas lyrisches zu lesen.

Gruß
Stefan
 
F

flumi

Gast
Hei thaukelt,

ob kurz oder lang, jeder gute Text verdient es, darüber zu sprechen! Dabei ist es eigentlich auch gleichgültig, ob der Autor am Anfang oder am Ende seiner „Schreiblaufbahn“ steht.

Ich bin nun wirklich kein Regelfanatiker. Aber es gibt halt etliche Gedichtformen – und ich wiederhole mich hier –, da sind trotz allen Flusses auch in der Lyrik bestimmte allgemein geltende Richtlinien (die sich natürlich durchaus im Laufe der Zeit ändern können) einzuhalten. Dazu gehört eben der Klassiker Haiku. Ich jedenfalls würde es mir nicht anmaßen, beispielsweise zu sagen, mein Haiku hat vier Zeilen und 25 Silben, nur weil es mir so besser gefällt oder die Aussagekraft in meinen Augen größer ist. Wo willst Du hier die Grenze ziehen, bis wohin was noch richtig ist? Mit der gleichen Berechtigung könnte dann ein Haiku auch zwei Seiten lang sein. Und es stimmt einfach nicht zu sagen, daß ein regelgerechtes Haiku zu wenig Spielraum für eine „vernünftige“ Aussage läßt. Denn das ist ja gerade die Kunst, genau der Punkt, der das Schreiben von Haiku weitaus schwieriger macht, als es zunächst scheint. Es macht richtig Arbeit und kostet Zeit. Freilich gilt das nicht nur für Haiku, sondern ganz allgemein. Von Goethe stammt, sofern ich mich recht erinnere, der Ausspruch: „Ich muß Dir heute einen langen Brief schreiben, weil ich nur wenig Zeit habe …“

Du sprichst von „nach Art eines Haiku“. Das ist zwar gängig und hat nicht wenige Befürworter. Dies bezieht sich aber nicht auf die Form, sondern allein darauf, daß teilweise die Meinung besteht, daß man Haiku nur in der den Japanern eigenen Bildersprache abfassen könne. Aber darum geht es hier ja nicht. Und wenn Du auf die eine oder andere Freiheit (vielleicht sind es auch nur „Ausrutscher“) von Rilke und dergleichen hinweist, so zieht das ebenfalls nicht. Denn zum einen waren das auch nur Menschen, zum anderen konnte sich ein Rilke sicher ein bißchen mehr erlauben als wir beide zusammen (ohne Dir nahetreten zu wollen), gleich ob Haiku, Sonett oder was immer.

Ich meine, dem Schreiben von Gedichten, ob Lyrik oder nicht, sind – und das ist gut so – genug Freiheiten gelassen. Man muß sie nur nutzen. Auch in ihrem Fluß. Man sollte aber nicht unbedingt alles zum „Abschuß“ freigeben. Und vor allem sollte man nicht sagen, man hätte ein Dieses oder Jenes geschrieben, wenn es den dafür noch geltenden Regeln überhaupt nicht mehr entspricht. Mir erscheint es doch etwas paradox, beim Text Freiheit von allen Beschränkungen anzustreben, bei der Bezeichnung bzw. Klassifizierung aber „auf dem Mist von gestern“, auf antiquierten Bezeichnungen zu bestehen. Mag doch einer einen Dreizeiler mit dreißig Silben und zwei Überschriften schreiben! Nichts spricht dagegen. Nur ein Haiku ist es nun mal nicht. Mir ist auch nicht klar, was einem daran liegen kann, es unbedingt so zu nennen! Oder was das mit Technokratie zu tun haben soll! Vor allem, wenn sowieso jeder was anderes darunter versteht. Etwas unverantwortlich finde ich allerdings, jemandem (hinter dem man nicht den Experten vermutet) verschiedene „Gedichtformen“ (als Beispiel) zu präsentieren, etwa mit der Bemerkung: Nimm, was Dir am besten zusagt, es ist doch auf jeden Fall ein Soundso!

Immer hübsch ruhig
flumi
 

thaukelt

Mitglied
Hallo Flumi,

ich habe nichts gegen einen strengen Formalismus. Und wenn Du sagst "Wer ein Haiku schreiben möchte, soll gefälligst ein Haiku schreiben." dann hast Du nicht ganz unrecht.

Nur sollte man Lyrik nicht wie Mathematik betreiben. Wenn die letzte Silbe eines Haikus ganz nach oben rutscht und das Gedicht eröffnet, anstatt es zu beenden, so bleibt doch noch immer die Intention erhalten, einen Haiku zu schreiben.

Die Form soll nicht Selbstzweck sein, sondern dem Dichter helfen, seine Gedanken zu strukturieren. Eigentlich ist es mir egal, ob ich die Form exeakt getroffen habe. Ich habe die Schablone benutzt, um etwas zu erschaffen. Ob ich dabei ein wenig über die Malen-nach-Zahlen-Ränder hinaus gepinselt habe, interessiert mich einen (sorry) Scheissdreck.

Nicht ich diene der Form, die Form dient mir. Punkt.

Gruß
Stefan
 
F

flumi

Gast
Hei Stefan,

da gehst Du ja mit dem Formalismus fast noch einen Schritt weiter als ich! Freilich, ich verstehe, was Du sagen willst. Was die Form an sich betrifft, so gibt es zweifellos nicht nur Schwarz und Weiß. Das ist völlig okay und sollte vom Grundsatz her eigentlich keinen stören. Hat indes jemand über die Ränder mehr oder weniger weit hinaus gepinselt (wie Du es bezeichnest), dann sollte er nicht so tun, als ob er sie exakt getroffen hätte. Wohin das führt, merkst Du spätestens dann, wenn Du Dich zum Beispiel an einem Haiku-Wettbewerb beteiligst! In diesem Fall dienen Aussagen wie „Die Form soll nicht Selbstzweck sein“ höchstens der Selbstbefriedigung. Veröffentlichst Du ein Gedicht, das alles andere ist als das, was es vorgibt zu sein, dann machst Du Dich lächerlich. Aber das muß ja nicht unbedingt stören. Schließlich: Den Vergleich zwischen Lyrik und Mathematik kann ich schon nicht mehr hören.

Immer hübsch ruhig
flumi
 

thaukelt

Mitglied
Hallo Flumi,

anscheinend ist es nicht die schlechteste Strategie, sich hier in die Gefahr der Lächerlichkeit zu begeben. So wird man wenigstens beachtet. ;-)

Gruß
Stefan
 

thaukelt

Mitglied
Hallo Flumi,

ich habe gerade beim durchforsten meiner alten Gedichte eines gefunden, das zu unserer Diskussion passt:

Toll, was Menschen alles wissen
über guten deutschen Stil,
so ist´s gut und so beschissen -
hier zu wenig, da zu viel.

Drum las ich bei den alten Meistern,
wie man schön und edel schreibt,
und fing an Verse hin zu kleistern,
Verse, deutsch und wohlbeleibt.

Ich baute Sätze gleich den Domen,
kathedrahlengroß und schwer,
voll mit Relativpronomen,
tiefgeschachteltes Geplärr.

Halt, hör ich den ersten Meister,
wie er mich zur Ordnung ruft,
meinen schönsten Satz zerreißt er,
weil die Metrik gar nicht groovt.

Viel zu viele Stolpersteine,
viel zu vieles das sich reibt,
und viel zu viel unreine Reime,
so wie der eben, ...doch - der bleibt!

Dann geht er mir an meine Sätze
und streicht mir jedes Adjektiv,
das Beiwort sei die schlimmste Krätze,
meint er, provinziellster Mief.

Knete deine Sätze, sagt er,
quetsch alles, was nicht muß, heraus,
Bete, weine, petzte! klagt er,
und fletscht dabei die Zähne kraus.

Ich frage ihn, was dann noch bleibe,
wenn man sein Werk so hart massiert,
und les mein Werk in seiner Schreibe
und fühl mich dann doch arg kastriert.

Nun, was Menschen alles wissen
über guten deutschen Stil,
scheint mir doch oft sehr verbissen,
Was ist Form ohne Sexappeal?

Ho! ruf ich den zweiten Meister,
einen wahren Lyrikgott,
auf meinen ersten Lehrer scheißt er
und sitzt auch sonst oft auf dem Pott.

Dichten ist ein Ding des Bauches,
aus dem Bauche kommt das Wort,
er meint, für wahre Lyrik braucht es
nur den einzig wahren Ort.

Ich glaub, der schreibt nicht für die Masse,
sein ganzes Euvre riecht schon so,
doch seine Dichtung, die hat Klasse,
nur wird der Platz knapp überm Klo.

Sogleich erzähl ich dem Poeten,
was der erste mich gelehrt,
erzähl vom Satz- und Versekneten -
Kneten? - fragt er - Nicht verkehrt!

Doch dichten wir nicht zur Erbauung,
Erbauung ist so lebensarm.
Wahres kommt aus der Verdauung,
fließt wie Dünnschiß aus dem Darm.

Dann zeigt er mir die Materialien
aus denen er uns Oden strickt,
doch mir reicht es an Fäkalien,
drum hab ich die Lektion geknickt.

Tja, was Menschen alles wissen,
über guten deutschen Stil,
...die Kunst korrekt vorbeizupissen
ist auch `ne Schule ohne Ziel.

Nun steh ich hier, ein dummer Dichter,
der schweigend seine Flappe zieht,
mein Vers, entmannt vom Metrikrichter,
verdorben, wie mein Appetit.

Poch! Klopft da der dritte Meister,
seine Meinung hör ich noch...
Mit südländischem Namen heißt er
und ist ein wahrer Zeilenkoch.

Er trägt die Seele auf der Zunge,
sein Herz, dad er in Töpfen schleppt,
singt er heraus aus voller Lunge,
er singt mir sein Geheimrezept:

Allzu lange Sätze nerven,
in der Kürze liegt die Macht,
die Gewürze die hier schärfen,
sind kurz gebraten, schnell gedacht.

Ein Vers muß dem Geschmack entspringen,
lecker, knackig und mit Biss,
damit die Leser ihn verschlingen
steht auf guten Versen "Friss!"


Leider ist mir nie ein passender Schluss eingefallen.

Gruß
Stefan
 

thaukelt

Mitglied
Hallo Flumi,

wen willst Du denn auffressen? ;)

Ja, das Geschreibsel da oben ist ein Uraltgedicht. Die letzte Strophe ist nur ein provisorisches Ende. Das "Friss!"
passt aber m.E. ganz gut ins Bild.

Da Du noch einmal auf die Plauderei wegen des Haikus zurückkommst: Wie es zu dem Formfehler gekommen ist, habe ich doch bereits beschrieben. Es war einfach eine inhaltliche Änderung, die eben auch die Form gesprengt hat. Dennoch bleibt das Gedicht für mich in gewisser Weise ein Haiku, weil es eben als Haiku geplant war. So wie auch "I got rhythm" ein Jazz-Standard bleibt, selbst wenn Green Day eine Punk-Version davon aufnehmen.

Gruß
Stefan
 



 
Oben Unten