Halbmarathon

Zarathustra

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Erfahrungsbericht Halbmarathon Ismaning
Kirchheimrunner 23.02.2003


Bestimmt werden, wie in den vergangenen Jahren - über 1000 Starter erwartet, die in Ismaning die durch die verschneiten Isarauen eine 21,095 km lange Schleife laufen.

Ich habe mich eigentlich gut vorbereitet. Im September 02 habe ich meinen ersten „halben“ in Karlsfeld (Dachauer Land) hinter mich gebracht. Bei 2:03:38 bin ich – fix und alle – aber überglücklich ins Ziel getorkelt. Über die Weihnachtsferien habe ich ordentlich trainiert. Mein Nachbar hat mich die Isar rauf- und runtergehetzt. Eine Woche vor dem Tag X habe ich die Strecke „probehalber“ abgelaufen. Aber die Bedingungen wahren wirklich nicht einladend: Geschlossene Schneedecke, 15 Grad minus und ein eiskalter Wind. Nach eineinhalb Stunden ist mir sogar der heiße Tee in meiner Trinkflasche gefroren.

Aber nun gilt es! Ich stehe in der 5. Startreihe. Vor dem Start habe ich noch Manfred, den -„Marathonmani“ - getroffen! Er ist schuld an allem! Er hat mich im Sommer letzten Jahres zum Laufen überredet.

Die Polar – Frequenzmesser um mich herum piepsen aufgeregt. Das Wetter ist leidlich. Gerade mal 1 Grad plus, aber zum Glück windstill! Gestern noch hat mich mein Nachbar angerufen, - wir habe gefachsimpelt und er hat mich gefragt, welche Zeit ich mir den vorgenommen hätte? So knapp unter 2 Stunden währe schon prima! Darauf hat diese Laufziege von schräg gegenüber bloß müde gelächelt, - und mir den Floh ins Ohr gesetzt: Einsfünfzig müssen es mindestens werden; - und wenn du willst, spiele ich für dich den Tempomacher ….

Jetzt ist es zu spät für Zeitrechnereien und derartige Spielchen. Der count – down schallt über das Megaphon.

Startschuss! Wie immer lasse ich mich die ersten paar hundert Meter mit treiben. Aus dem Stadion heraus, links hinunter die Fahrstrasse – dann unter der Landstrasse durch – hinein in die Isarauen. Als wir den Streckenposten bei km 1 passieren schreit er 4:45 …. 4:50; - der Atem dampft ihm aus dem Mund.

Herzfrequenzcheck: 190! Noch grüner Bereich! Weiter so ruft mein Pacemaker, wir bleiben knapp unter 5 Minuten pro km.

Kilometer 3: Was ist das? Vor mir läuft Manfred? Der hat doch eine Bestzeit um die 1:43! Ich überhole ihn locker und ruf ihn zu: „Los uns nach“! (Ich werde schon wieder übermütig!)

Kilometer 5: Das Feld hat sich lang gezogen. Wie ein Lindwurm schlängelt sich die Lauftruppe durch den Wald. Der Boden ist mit einer 5 cm dicken Schneeschicht bedeckt; - aber rennen lässt es sich gut.

Kilometer 7: Erste Zwischenbilanz: Jeder Km knapp unter 5; ruft mein Schrittmacher; - Herzfrequenz zwischen 188 und 192. Mein Kreislauf kocht! Ein paar Läufer überholen mich; - aber auch ich bin schnell. Ab und zu gehe ich an ein paar Sportskameraden vorbei.

Kilometer 10: Mir geht es nicht gut. Seitenstechen! "Aufrechter laufen, und nicht so ruppig antreten beim Überholen", - ermahnt mich mein Partner.
Zwischenzeit: Knapp über 50 Minuten! Fast schon ist der Wendepunkt bei der Dietersheimer Brücke erreicht!

Kilometer 12: Die Verpflegungsstelle! Im Vorbeilaufen grabsche ich mir einen Plastikbecher mit heißen Tee, drücke den Becher zusammen und schlürfe die Flüssigkeit in mich hinein. Ich bin außer Atem, müde und habe das Gefühl nur noch zu torkeln.

Kilometer 13 – 16: Einbruch! Jetzt kommt der Hammer. Ich werde immer langsamer. Mein Pacemaker ist schon 20 Meter vor mir. Ich will ihm nicht folgen; niemals nicht! Er wartet! "Macht nichts, … das sind die schwersten Kilometer." Schon lange geht es am Isarufer – flussaufwärts zurück, Richtung München. Ein paar Bächlein sind zu überqueren, die Steigungen an den Holzbrücken machen mir furchtbar zu schaffen.

Kilometer 17: Ich werde es schaffen. Zwar verkrampft sich mein rechter Oberschenkel, aber ich komme wieder auf Kilometerzeiten um die 5:10! Ich werde immer noch überholt! "Aber keine Sorge: die sind zu langsam angegangen und hetzen jetzt einer Zeit unter 1:45 hinterher; - vergeblich wahrscheinlich". Mein Pacemaker grinst.

Kilometer 19: Jetzt geht es an das „Eingemachte“. Letzte Reserven werden mobil. Herzfrequenz 193. Du gorsser Gott, - geht das gut? Aber es geht ja schon bald heraus aus den Flußauen, - hinüber zum Sportpark. Noch gut ein Kilometer. Die Füße laufen noch! Die Tempoziege gibt mir einen Klaps auf den Hintern, „toi – toi – toi“ und biegt vor der Zielrunde in die Sportgaststätte ab! Ein paar Zuschauer, die der Kälte getrotzt haben klatschen rhythmisch. – Auf zur Stadionrunde -. Meine kleine Tochter wartet im Ziel mit meiner Jacke. Sie schaut ungläubig zu mir herüber. Sehe ich wirklich so platt aus, dass sie mich nicht erkennt?
Gleich habe ich es geschafft. Ich sprinte (das mag lustig ausgeschaut haben) in den Zielkorridor. Meine Zeit wird gestoppt, die Startnummer notiert. Ich bin überglücklich. Ein paar mal tief durchschnaufen, tut das gut; - meine Schenkel und Waden zittern vor Erschöpfung.

Schnell streife ich mir die Jacke um, trabe Richtung Stadiontor um mich bei meinem Tempomacher zu bedanken. Aber was ist das? Da dampft der Marathonmani heran wie eine Lokomotive. Ich begleite ihn ins Ziel 1:47! Er ist ganz verdattert! Bist du narrisch? Was machst denn du schon da? Ja tatsächlich; - welche Zeit bin ich den eigentlich gelaufen?

Am Montag schaue ich in´s Internet: Der Kirchheimrunner kam mit 1:45:53 ins Ziel. Nicht schlecht Herr Specht!

Übrigens: Mein Tempomacher ist 54 Jahre alt; aktiver Läufer bei TSV 1860 München; jetzt in Düsseldorf als DV- Leiter tätig. Vor 30 Jahren war er mal oberbayerischer Meister über 3000 m. Er ist nicht ins Ziel gelaufen, weil alle die ihn kennen (und das sind viele), sich gewundert hätten, warum er auf seine alten Tage plötzlich nicht mehr unter 1:30 laufen kann.
 



 
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