Stefan Sternau
Mitglied
Als der Fremde zum Tor von Cresotanien kam, saß da ein Greis auf einem Holzschemel, das Gesicht müde, gezeichnet von vielen Entbehrungen, aber die Augen wach und konzentriert. Etwas mühsam erhob er sich und sprach mit monotoner, doch zugleich eindringlicher Stimme auf den Fremden ein.
Hallo Fremder, was immer du Großartiges von Cresotanien gehört hast, glaub es nicht / Denn es sind alles Lügen, die gezielt verbreitet werden, um Leute wie dich anzulocken / Und wenn du hier durch das Eingangstor von Cresotanien blickst / Traue nicht mehr Deinen Sinnen, traue nicht deinem Verstand, ja traue nicht einmal Deinem inneren Gefühl / Wisse, Cresotoanien ist wie eine Fata Morgana / Es gaukelt dir vor, ein himmlischer Ort zu sein / Doch ich muss dich warnen / Cresotanien ist ein gefährliches Land, Fremder / Es verwöhnt Dich mit den erlesensten Genüssen / Mit allen sinnlichen Reizen / Mit emotionalem Entzücken / Mit scheinbar erleuchteten Erkenntnissen / Es schmeichelt Deiner Eitelkeit / Du fühlst dich vollkommen geliebt und umsorgt / Und Du erlebst eine unvorstellbare Süße Deines gesamten Seins / Bis Du dem Gift von Cresotanien verfallen bist / Dann beginnt für Dich eine endlose Qual / Plötzlich wird Dir der ganze Reichtum, das ganze Glück entzogen / Du stehst nackt und arm da / Ausgebrannt und leer / Die Schmerzen des Entzugs peinigen Deinen Körper/ Und deine Seele / Du bist halb wahnsinnig vor Sehnsucht nach der Süße der vergangenen Stunden / Aber je mehr Du Dich gegen das Entsetzen wehrst, desto schlimmer wird es / Fremder, ich warne Dich noch einmal / Gehe nicht nach Cresotanien / Sei standhaft / Denn Du würdest nie wieder zurückkommen / Ich bin einiger der ganz wenigen, die es geschafft haben / Und schau mich an / Ich bin nur noch eine Ruine / Ich habe das Entsetzen über mir zusammenbrechen lassen / Ich bin durch die erbarmungslose Wüste hindurchgegangen / Sie hat mich nicht zurückbehalten / Aber sie hat einen Zerstörten wieder freigegeben / Fremder, ich bitte Dich / Überschreite nicht die Schwelle / Sondern fliehe vor Cresotanien / Fliehe, solange Du noch kannst / Tausende leben dort in ständiger entsetzlichster Qual / Jeden Tag, jede Stunde, ja jede Minute flehen sie, sterben zu dürfen / Nur sterben zu dürfen / Das ist alles, was sie noch wollen / Sie wissen, dass sie ohnehin nie mehr frei leben könnten / Aber sie dürfen nicht sterben / Sie müssen leiden / Denn Cresotanien lebt von ihrem Leiden / Das ist die Energie, die dieses furchtbare Land braucht, um zu existieren / Gäbe es keinen Leidenden mehr in Cresotanien, würde das Land innerhalb einer Sekunde in Asche zerfallen / Fremder, ich habe Angst um Dich / Ich sehe die Gier in Deinen Augen / Fremder, vertraue mir doch / Überschreite nicht die Grenze / Suche nicht nach dem trügerischen Glück / Glaube mir, Du wirst die kurze Zeit der Süße unendlich teuer bezahlen / Gibt es etwas Schlimmeres, als nicht mehr sterben zu können? / Wenn einem der letzte Fluchtweg versperrt ist / Leb wohl, Fremder / Wir werden uns nie wiedersehen / Ich weiß, Du wirst nicht auf mich hören / Deine Sehnsucht nach der Süße übersteigt alles andere …
Der Greis gab dem Fremden die Hand und ging mit langsamen Schritten davon. Er hatte eine hagere, fast ausgezehrte Gestalt. Man merkte ihm an, dass er seinen geschwächten Körper nur mit äußerster Disziplin und Willensanstrengung aufrecht hielt. Sein weißes, langes Haar wehte im Wind. Nach vielleicht hundert Metern dreht er sich einmal um. Genau in diesem Moment überschritt der Fremde die Schwelle nach Cresotanien. „Dass ich auch ihn nicht retten konnte“, murmelte er. „Adios Fremder.“
Hallo Fremder, was immer du Großartiges von Cresotanien gehört hast, glaub es nicht / Denn es sind alles Lügen, die gezielt verbreitet werden, um Leute wie dich anzulocken / Und wenn du hier durch das Eingangstor von Cresotanien blickst / Traue nicht mehr Deinen Sinnen, traue nicht deinem Verstand, ja traue nicht einmal Deinem inneren Gefühl / Wisse, Cresotoanien ist wie eine Fata Morgana / Es gaukelt dir vor, ein himmlischer Ort zu sein / Doch ich muss dich warnen / Cresotanien ist ein gefährliches Land, Fremder / Es verwöhnt Dich mit den erlesensten Genüssen / Mit allen sinnlichen Reizen / Mit emotionalem Entzücken / Mit scheinbar erleuchteten Erkenntnissen / Es schmeichelt Deiner Eitelkeit / Du fühlst dich vollkommen geliebt und umsorgt / Und Du erlebst eine unvorstellbare Süße Deines gesamten Seins / Bis Du dem Gift von Cresotanien verfallen bist / Dann beginnt für Dich eine endlose Qual / Plötzlich wird Dir der ganze Reichtum, das ganze Glück entzogen / Du stehst nackt und arm da / Ausgebrannt und leer / Die Schmerzen des Entzugs peinigen Deinen Körper/ Und deine Seele / Du bist halb wahnsinnig vor Sehnsucht nach der Süße der vergangenen Stunden / Aber je mehr Du Dich gegen das Entsetzen wehrst, desto schlimmer wird es / Fremder, ich warne Dich noch einmal / Gehe nicht nach Cresotanien / Sei standhaft / Denn Du würdest nie wieder zurückkommen / Ich bin einiger der ganz wenigen, die es geschafft haben / Und schau mich an / Ich bin nur noch eine Ruine / Ich habe das Entsetzen über mir zusammenbrechen lassen / Ich bin durch die erbarmungslose Wüste hindurchgegangen / Sie hat mich nicht zurückbehalten / Aber sie hat einen Zerstörten wieder freigegeben / Fremder, ich bitte Dich / Überschreite nicht die Schwelle / Sondern fliehe vor Cresotanien / Fliehe, solange Du noch kannst / Tausende leben dort in ständiger entsetzlichster Qual / Jeden Tag, jede Stunde, ja jede Minute flehen sie, sterben zu dürfen / Nur sterben zu dürfen / Das ist alles, was sie noch wollen / Sie wissen, dass sie ohnehin nie mehr frei leben könnten / Aber sie dürfen nicht sterben / Sie müssen leiden / Denn Cresotanien lebt von ihrem Leiden / Das ist die Energie, die dieses furchtbare Land braucht, um zu existieren / Gäbe es keinen Leidenden mehr in Cresotanien, würde das Land innerhalb einer Sekunde in Asche zerfallen / Fremder, ich habe Angst um Dich / Ich sehe die Gier in Deinen Augen / Fremder, vertraue mir doch / Überschreite nicht die Grenze / Suche nicht nach dem trügerischen Glück / Glaube mir, Du wirst die kurze Zeit der Süße unendlich teuer bezahlen / Gibt es etwas Schlimmeres, als nicht mehr sterben zu können? / Wenn einem der letzte Fluchtweg versperrt ist / Leb wohl, Fremder / Wir werden uns nie wiedersehen / Ich weiß, Du wirst nicht auf mich hören / Deine Sehnsucht nach der Süße übersteigt alles andere …
Der Greis gab dem Fremden die Hand und ging mit langsamen Schritten davon. Er hatte eine hagere, fast ausgezehrte Gestalt. Man merkte ihm an, dass er seinen geschwächten Körper nur mit äußerster Disziplin und Willensanstrengung aufrecht hielt. Sein weißes, langes Haar wehte im Wind. Nach vielleicht hundert Metern dreht er sich einmal um. Genau in diesem Moment überschritt der Fremde die Schwelle nach Cresotanien. „Dass ich auch ihn nicht retten konnte“, murmelte er. „Adios Fremder.“