Hausgeburt

4,20 Stern(e) 6 Bewertungen

arle

Mitglied
Etwa drei Jahrzehnte meines Lebens habe ich in Saarbrücken verbracht. Saarbrücken ist die Hauptstadt eines lustigen kleinen Landes, in dem lustige Menschen wohnen, die eine lustige Sprache sprechen. Einer dieser Menschen hieß Elfriede Dienhardt.

Frau Dienhardt hatte gut und gerne ihre vierzig Dienstjahre als freiberufliche Hebamme auf dem Buckel und sollte an diesem 14. Oktober des Jahres 1983 ihr letztes Kind auf die Welt holen: meine Tochter. Ich hatte sie erst drei Tage zuvor kennen gelernt, denn von Vertrauen aufbauen, sanftem Hinführen, Geburtsvorbereitung und all dem Kram hielt Frau Dienhardt nicht viel. Meine diesbezüglichen vorsichtigen Fragen wiegelte sie ab mit den Worten: Sie hann doch schunn enns. Diesmo werd's aa net annerschd.

Um fünf Uhr früh wurde ich durch ein leises Ziehen im unteren Rücken und das Schnarchen des Kindsvaters geweckt und stand auf. Ich kochte einen Tee (wahrscheinlich Roibusch), legte eine Platte auf (höchstwahrscheinlich Vollenweider), bestückte die Küche mit einer Großpackung Teelichter und verfasste einen Brief an mein Ungeborenes. So hatte ich das gelesen, und so machte man das eben Anfang der achtziger Jahre. Den Brief habe ich übrigens etwa ein Jahr später verbrannt, damit das arme Kind ihn auch ganz sicher nie in die Hände bekommen und womöglich ein Leben lang unter der metaphorischen Inkontinenz seiner Mutter zu leiden haben würde.

Etwa drei Stunden später wurde es dann Zeit, meine Freundin Carmen anzurufen, die zugesagt hatte, als Chauffeurin zu fungieren; denn - das vergaß ich zu erwähnen - Frau Dienhardt hatte keinen Führerschein. Carmen machte sich also auf den Weg zur etwa dreißig Kilometer entfernten Wohnung von Frau Dienhardt. In der Zwischenzeit durfte ich erfahren, dass es diesmal doch ein bisschen "annerschd" ablief als beim ersten Mal. Im Krankenhaus hatte man mich nämlich zu gegebener Zeit mit Medikamenten versorgt. Dafür darf ich heute mit Fug und Recht von mir behaupten, genau zu wissen, wie es sich wirklich anfühlt, ein Kind zu bekommen.

Es vergingen weitere anderthalb Stunden, Frau Dienhardt hatte nur noch rasch das Frühstücksgeschirr spülen und die Wäsche aufhängen müssen, als Carmen endlich mit meiner Hebamme eintraf. Ich weiß bis heute nicht, was es war; vielleicht Lampenfieber. Vielleicht hatte das Kind aber auch beim Klang von Frau Dienhardts Stimme beschlossen, lieber noch ein paar Wochen in seiner sicheren Höhle zu bleiben. Jedenfalls waren mit dem Eintreffen der beiden die Wehen verschwunden. Und nur mein dicker Bauch erinnerte mich noch daran, dass ich jemals schwanger geworden war. Ich versuchte ein paar halbherzige Stöhner, aber Frau Dienhardt konnte ich nichts vormachen. Sie sah mir zuerst in die Augen, dann auf die Uhr und sagte: Das do dauert noch. Außerdemm hann isch jetz Hunger.

Mein Mann wollte sie zu einem zweiten Frühstück in unserer Küche überreden, aber das lehnte sie ab: Nää nää nää, isch hann gischder Hackflääsch kaaf; das muss fort. - Daraufhin erhob sie sich mit den Worten: Wann's schlimm weh duud, raache Se enn! Das helft. - Und warf mir eine halb volle Zigarettenpackung auf den Tisch.

Aber Frau Dienhardt, ich rauche doch jetzt seit zwei Jahren nicht mehr. - Wisse Se was, das is alles Kääs, was die junge Leid heit so verzähle. Gugge Se misch aan. Isch hann drei Buuwe, alles sooo Kerle, unn isch hann mei Lebbdaa geraacht wie ein Schlot. - Sprach's und verließ mit der hilflos dreinblickenden Carmen die Wohnung.

Die nächsten Stunden verschwinden leider in meiner Erinnerung. Jeder, der einmal das Vergnügen hatte, eine Gebärende begleiten zu dürfen, weiß um die Handlungsabläufe. Die Wehen kamen nun wirklich sehr regelmäßig; aber wir wussten ja, dass es noch keinen Sinn hatte, Frau Dienhardt, die nach dem Essen gerne ein Nickerchen machte, anzurufen. Es war zwar durchaus von Vorteil, dass der Kindsvater zu jener Zeit in der gynäkologischen Abteilung des Kreiskrankenhauses arbeitete; doch kann man sich vielleicht vorstellen, dass es leichter ist, hundert fremden Kindern auf die Welt zu helfen als einem eigenen. Also entschlossen wir uns irgendwann doch, Carmen wieder auf den Weg zu schicken.

Die preschte, wie sie mir später erzählt hat, mit hundertzwanzig durch verschiedene Dörfer und an verschreckt zur Seite springenden Bauarbeitern vorbei, mit herunter gekurbelter Scheibe und dem Ruf: Sorry! Meine Freundin bekommt ein Kind! Und genau so preschte sie wieder zurück, mit Frau Dienhardt auf dem Beifahrersitz, die unablässig vor sich hin flüsterte: Ach du liewer Gott. Das do iwwerleb isch net. Liewer Gott. Isch geh aa am Sonndaa in die Kersch. Isch verspresch ders. Liewer Gott. Das do iwwerleb isch net...

In der Zwischenzeit hatte mein Mann sich die Hände gewaschen und sich in sein Schicksal ergeben. Er saß an meinem Bett und suchte gerade nach ein paar beruhigenden Worten, als es abermals an der Tür läutete. Frau Dienhardt, hoch erhitzt, mit Kittel über dem Arm und der Hebammentasche in der Hand und wurde gerade von Carmen unsanft in die Wohnung geschoben, als sie durch meinen langgezogenen Schrei aufgeschreckt wurde. Alle drei stürzten auf mich zu, und alle drei fingen das kleine Wesen auf, das soeben beschlossen hatte, nicht mehr länger warten zu wollen. Mein Mädchen war auf der Welt.

Es fällt mir nicht ganz leicht und liegt mir fern, den Leser mit gynäkologischen Details zu langweilen; doch der Vollständigkeit ist es geschuldet, noch folgendes zu berichten: Wahrscheinlich ist es den meisten Erwachsenen bekannt, dass der Kopf eines Neugeborenen oftmals nicht im rechten Verhältnis zur ... sagen wir ... Austrittsöffnung steht. Und so kann es schon einmal vorkommen, dass eben diese Öffnung nicht ganz unbeschadet bleibt ... das kann in manchen Fällen dazu führen, dass etwas einreißt und wieder repariert werden muss ... Kurz: Es läutete ein drittes Mal.

Auftritt Johannes, Kollege des Kindsvaters, in voller Motorradmontur, mit einem Sturzhelm unterm Arm. Johannes begrüßte mich mit einem knappen Kopfnicken und ließ sich dann im Schneidersitz am Fußende meines Bettes nieder, um mich mit Nadel und Faden wieder in meinen Urzustand zu versetzen. Direkt hinter ihm saß Frau Dienhardt, völlig erschöpft, mit hoch roten Wangen und dem zweiten Glas Rotkäppchen-Sekt in der Hand und wiederholte ständig die inzwischen Legende gewordenen Worte: Ach du liewer Gott. Jetz bin isch jo gar nemmeh in de Kiddel komm!

Johannes hatte seine Arbeit beendet und wollte rasch wieder zu seiner Harley zurück, die im absoluten Halteverbot stand. Dies nahm Frau Dienhardt zum Anlass, sich nun ihrerseits von uns zu verabschieden. Auf meine erschrockene Frage, was ich denn jetzt machen solle, so ganz ohne sie, allein mit dem Kind... antwortete sie nur: Ei, fer was brauche Sie misch dann jetz noch? Sie hanns warm, sie hann genuch Winnele, unn was das Bobbelsche esse muss, das hann Sie doch alles bei sisch. Außerdemm hann isch jetz Hunger.
 
H

Heidrun D.

Gast
Aus Gründen der Befangenheit muss ich einen "ordentlichen" Kommentar zunächst ablehnen: Frau Dienhardt klingt nun einmal fast so wie Frau Dehnhardt; schon deshalb gefällt mir die Geschichte! Und auch der Charakter der Beschriebenen! Und auch deren Schlappmaul! - Wer schrappt nicht gern, nur haarscharf verfehlt, an der Unsterblichkeit vorbei?

Dies fragt sich
Heidrun D.
(eitel)
 

Ellen

Mitglied
Lach
ja so läuft das manchmal ab.
Also ich hab diese Geschichte sehr genossen und das net nur weil se teilweise in Saarbrigger Blatt geschrieb is ne.

Wirklich schön humorvoll erzählt.

LG Ellen
 

arle

Mitglied
Etwa drei Jahrzehnte meines Lebens habe ich in Saarbrücken verbracht. Saarbrücken ist die Hauptstadt eines lustigen kleinen Landes, in dem lustige Menschen wohnen, die eine lustige Sprache sprechen. Einer dieser Menschen hieß Elfriede Dienhardt.

Frau Dienhardt hatte gut und gerne ihre vierzig Dienstjahre als freiberufliche Hebamme auf dem Buckel und sollte an diesem 14. Oktober des Jahres 1983 ihr letztes Kind auf die Welt holen: meine Tochter. Ich hatte sie erst drei Tage zuvor kennen gelernt, denn von Vertrauen aufbauen, sanftem Hinführen, Geburtsvorbereitung und all dem Kram hielt Frau Dienhardt nicht viel. Meine diesbezüglichen vorsichtigen Fragen wiegelte sie ab mit den Worten: Sie hann doch schunn enns. Diesmo werd's aa net annerschd.

Um fünf Uhr früh wurde ich durch ein leises Ziehen im unteren Rücken und das Schnarchen des Kindsvaters geweckt und stand auf. Ich kochte einen Tee (wahrscheinlich Roibusch), legte eine Platte auf (höchstwahrscheinlich Vollenweider), bestückte die Küche mit einer Großpackung Teelichter und verfasste einen Brief an mein Ungeborenes. So hatte ich das gelesen, und so machte man das eben Anfang der achtziger Jahre. Den Brief habe ich übrigens etwa ein Jahr später verbrannt, damit das arme Kind ihn auch ganz sicher nie in die Hände bekommen und womöglich ein Leben lang unter der metaphorischen Inkontinenz seiner Mutter zu leiden haben würde.

Etwa drei Stunden später wurde es dann Zeit, meine Freundin Carmen anzurufen, die zugesagt hatte, als Chauffeurin zu fungieren; denn - das vergaß ich zu erwähnen - Frau Dienhardt hatte keinen Führerschein. Carmen machte sich also auf den Weg zur etwa dreißig Kilometer entfernten Wohnung von Frau Dienhardt. In der Zwischenzeit durfte ich erfahren, dass es diesmal doch ein bisschen "annerschd" ablief als beim ersten Mal. Im Krankenhaus hatte man mich nämlich zu gegebener Zeit mit Medikamenten versorgt. Dafür darf ich heute mit Fug und Recht von mir behaupten, genau zu wissen, wie es sich wirklich anfühlt, ein Kind zu bekommen.

Es vergingen weitere anderthalb Stunden, Frau Dienhardt hatte nur noch rasch das Frühstücksgeschirr spülen und die Wäsche aufhängen müssen, als Carmen endlich mit meiner Hebamme eintraf. Ich weiß bis heute nicht, was es war; vielleicht Lampenfieber. Vielleicht hatte das Kind aber auch beim Klang von Frau Dienhardts Stimme beschlossen, lieber noch ein paar Wochen in seiner sicheren Höhle zu bleiben. Jedenfalls waren mit dem Eintreffen der beiden die Wehen verschwunden. Und nur mein dicker Bauch erinnerte mich noch daran, dass ich jemals schwanger geworden war. Ich versuchte ein paar halbherzige Stöhner, aber Frau Dienhardt konnte ich nichts vormachen. Sie sah mir zuerst in die Augen, dann auf die Uhr und sagte: Das do dauert noch. Außerdemm hann isch jetz Hunger.

Mein Mann wollte sie zu einem zweiten Frühstück in unserer Küche überreden, aber das lehnte sie ab: Nää nää nää, isch hann gischder Hackflääsch kaaf; das muss fort. - Daraufhin erhob sie sich mit den Worten: Wann's schlimm weh duud, raache Se enn! Das helft. - Und warf mir eine halb volle Zigarettenpackung auf den Tisch.

Aber Frau Dienhardt, ich rauche doch jetzt seit zwei Jahren nicht mehr. - Wisse Se was, das is alles Kääs, was die junge Leid heit so verzähle. Gugge Se misch aan. Isch hann drei Buuwe, alles sooo Kerle, unn isch hann mei Lebbdaa geraacht wie ein Schlot. - Sprach's und verließ mit der hilflos dreinblickenden Carmen die Wohnung.

Die nächsten Stunden verschwinden leider in meiner Erinnerung. Jeder, der einmal das Vergnügen hatte, eine Gebärende begleiten zu dürfen, weiß um die Handlungsabläufe. Die Wehen kamen nun wirklich sehr regelmäßig; aber wir wussten ja, dass es noch keinen Sinn hatte, Frau Dienhardt, die nach dem Essen gerne ein Nickerchen machte, anzurufen. Es war zwar durchaus von Vorteil, dass der Kindsvater zu jener Zeit in der gynäkologischen Abteilung des Kreiskrankenhauses arbeitete; doch kann man sich vielleicht vorstellen, dass es leichter ist, hundert fremden Kindern auf die Welt zu helfen als einem eigenen. Also entschlossen wir uns irgendwann doch, Carmen wieder auf den Weg zu schicken.

Die preschte, wie sie mir später erzählt hat, mit hundertzwanzig durch verschiedene Dörfer und an verschreckt zur Seite springenden Bauarbeitern vorbei, mit herunter gekurbelter Scheibe und dem Ruf: Sorry! Meine Freundin bekommt ein Kind! Und genau so preschte sie wieder zurück, mit Frau Dienhardt auf dem Beifahrersitz, die unablässig vor sich hin flüsterte: Ach du liewer Gott. Das do iwwerleb isch net. Liewer Gott. Isch geh aa am Sonndaa in die Kersch. Isch verspresch ders. Liewer Gott. Das do iwwerleb isch net...

In der Zwischenzeit hatte mein Mann sich die Hände gewaschen und sich in sein Schicksal ergeben. Er saß an meinem Bett und suchte gerade nach ein paar beruhigenden Worten, als es abermals an der Tür läutete. Frau Dienhardt, hoch erhitzt, mit Kittel über dem Arm und der Hebammentasche in der Hand, wurde gerade von Carmen unsanft in die Wohnung geschoben, als sie durch meinen langgezogenen Schrei aufgeschreckt wurde. Alle drei stürzten auf mich zu, und alle drei fingen das kleine Wesen auf, das soeben beschlossen hatte, nicht mehr länger warten zu wollen. Mein Mädchen war auf der Welt.

Es fällt mir nicht ganz leicht und liegt mir fern, den Leser mit gynäkologischen Details zu langweilen; doch der Vollständigkeit ist es geschuldet, noch folgendes zu berichten: Wahrscheinlich ist es den meisten Erwachsenen bekannt, dass der Kopf eines Neugeborenen oftmals nicht im rechten Verhältnis zur ... sagen wir ... Austrittsöffnung steht. Und so kann es schon einmal vorkommen, dass eben diese Öffnung nicht ganz unbeschadet bleibt ... das kann in manchen Fällen dazu führen, dass etwas einreißt und wieder repariert werden muss ... Kurz: Es läutete ein drittes Mal.

Auftritt Johannes, Kollege des Kindsvaters, in voller Motorradmontur, mit einem Sturzhelm unterm Arm. Johannes begrüßte mich mit einem knappen Kopfnicken und ließ sich dann im Schneidersitz am Fußende meines Bettes nieder, um mich mit Nadel und Faden wieder in meinen Urzustand zu versetzen. Direkt hinter ihm saß Frau Dienhardt, völlig erschöpft, mit hoch roten Wangen und dem zweiten Glas Rotkäppchen-Sekt in der Hand und wiederholte ständig die inzwischen Legende gewordenen Worte: Ach du liewer Gott. Jetz bin isch jo gar nemmeh in de Kiddel komm!

Johannes hatte seine Arbeit beendet und wollte rasch wieder zu seiner Harley zurück, die im absoluten Halteverbot stand. Dies nahm Frau Dienhardt zum Anlass, sich nun ihrerseits von uns zu verabschieden. Auf meine erschrockene Frage, was ich denn jetzt machen solle, so ganz ohne sie, allein mit dem Kind... antwortete sie nur: Ei, fer was brauche Sie misch dann jetz noch? Sie hanns warm, sie hann genuch Winnele, unn was das Bobbelsche esse muss, das hann Sie doch alles bei sisch. Außerdemm hann isch jetz Hunger.
 

arle

Mitglied
Liebe eitle Frau D-Punkt,

vielen lieben Dank für Kommentar und Bewertung - trotz aller Befangenheit... Vielleicht hat man mit einem solchen Namen wirklich eher Chancen, die Unsterblichkeit zu erlangen. Die andere Frau D. hat es bereits zur Unsterblichkeit gebracht. Sie weilt nun schon seit ein paar Jahren nicht mehr unter den Lebenden, wie ich gehört habe, ist aber - trot "Raacherei" - stolze 85 Jahre alt geworden. Da sieht man man wieder, wie Recht sie hatte: Alles Kääs! (c;

Ich sag noch mal danke, liebe Heidrun, und schicke liebe Grüße

Silvia
 

arle

Mitglied
Auch dir danke, liebe Ellen,

ja, so spielt das Leben manchmal, wenn man von Herzen alternativ sein möchte...

Und noch mal ja: Das Saabrigger Platt (auch wenn ich es nie wirklich von Grund auf gelernt habe) hat durchaus einen gewissen Charme und bringt die Dinge manchmal überdeutlich auf den Punkt. Do musch de kerngesund sinn!

Viele liebe Grüße

Silvia
 

arle

Mitglied
Und last but noch lange nicht least:

Lieber Walther,

dein Lob ehrt mich sehr, wie du weißt. Ein bisschen zögerlich hab ich schon auf den "Ausführen"-Knopf gedrückt. Erstens mal ist es ein für meine Verhältnisse ziemlich langer Text. Zweitens ist es ja nun eine Thematik, die nicht unbedingt jedermann anspricht...

Aber die Geschichte drängt nun mal seit fast 25 Jahren ans Tageslicht, und darum habe ich sie schließlich doch freigelassen.

Ganz ganz lieben Dank und die schönsten Grüße

Silvia
 

arle

Mitglied
Etwa drei Jahrzehnte meines Lebens habe ich in Saarbrücken verbracht. Saarbrücken ist die Hauptstadt eines lustigen kleinen Landes, in dem lustige Menschen wohnen, die eine lustige Sprache sprechen. Einer dieser Menschen hieß Elfriede Dienhardt.

Frau Dienhardt hatte gut und gerne ihre vierzig Dienstjahre als freiberufliche Hebamme auf dem Buckel und sollte an diesem 14. Oktober des Jahres 1983 ihr letztes Kind auf die Welt holen: meine Tochter. Ich hatte sie erst drei Tage zuvor kennen gelernt, denn von Vertrauen aufbauen, sanftem Hinführen, Geburtsvorbereitung und all dem Kram hielt Frau Dienhardt nicht viel. Meine diesbezüglichen vorsichtigen Fragen wiegelte sie ab mit den Worten: Sie hann doch schunn enns. Diesmo werd's aa net annerschd.

Um fünf Uhr früh wurde ich durch ein leises Ziehen im unteren Rücken und das Schnarchen des Kindsvaters geweckt und stand auf. Ich kochte einen Tee (wahrscheinlich Roibusch), legte eine Platte auf (höchstwahrscheinlich Vollenweider), bestückte die Küche mit einer Großpackung Teelichter und verfasste einen Brief an mein Ungeborenes. So hatte ich das gelesen, und so machte man das eben Anfang der achtziger Jahre. Den Brief habe ich übrigens etwa ein Jahr später verbrannt, damit das arme Kind ihn auch ganz sicher nie in die Hände bekommen und womöglich ein Leben lang unter der metaphorischen Inkontinenz seiner Mutter zu leiden haben würde.

Etwa drei Stunden später wurde es dann Zeit, meine Freundin Carmen anzurufen, die zugesagt hatte, als Chauffeurin zu fungieren; denn - das vergaß ich zu erwähnen - Frau Dienhardt hatte keinen Führerschein. Carmen machte sich also auf den Weg zur etwa dreißig Kilometer entfernten Wohnung von Frau Dienhardt. In der Zwischenzeit durfte ich erfahren, dass es diesmal doch ein bisschen "annerschd" ablief als beim ersten Mal. Im Krankenhaus hatte man mich nämlich zu gegebener Zeit mit Medikamenten versorgt. Dafür darf ich heute mit Fug und Recht von mir behaupten, genau zu wissen, wie es sich wirklich anfühlt, ein Kind zu bekommen.

Es vergingen weitere anderthalb Stunden, Frau Dienhardt hatte nur noch rasch das Frühstücksgeschirr spülen und die Wäsche aufhängen müssen, bis Carmen endlich mit meiner Hebamme eintraf. Ich weiß bis heute nicht, was es war; vielleicht Lampenfieber. Vielleicht hatte das Kind aber auch beim Klang von Frau Dienhardts Stimme beschlossen, lieber noch ein paar Wochen in seiner sicheren Höhle zu bleiben. Jedenfalls waren mit dem Eintreffen der beiden die Wehen verschwunden. Und nur mein dicker Bauch erinnerte mich noch daran, dass ich jemals schwanger geworden war. Ich versuchte ein paar halbherzige Stöhner, aber Frau Dienhardt konnte ich nichts vormachen. Sie sah mir zuerst in die Augen, dann auf die Uhr und sagte: Das do dauert noch. Außerdemm hann isch jetz Hunger.

Mein Mann wollte sie zu einem zweiten Frühstück in unserer Küche überreden, aber das lehnte sie ab: Nää nää nää, isch hann gischder Hackflääsch kaaf; das muss fort. - Daraufhin erhob sie sich mit den Worten: Wann's schlimm weh duud, raache Se enn! Das helft. - Und warf mir eine halb volle Zigarettenpackung auf den Tisch.

Aber Frau Dienhardt, ich rauche doch jetzt seit zwei Jahren nicht mehr. - Wisse Se was, das is alles Kääs, was die junge Leid heit so verzähle. Gugge Se misch aan. Isch hann drei Buuwe, alles sooo Kerle, unn isch hann mei Lebbdaa geraacht wie ein Schlot. - Sprach's und verließ mit der hilflos dreinblickenden Carmen die Wohnung.

Die nächsten Stunden verschwinden leider in meiner Erinnerung. Jeder, der einmal das Vergnügen hatte, eine Gebärende begleiten zu dürfen, weiß um die Handlungsabläufe. Die Wehen kamen nun wirklich sehr regelmäßig; aber wir wussten ja, dass es noch keinen Sinn hatte, Frau Dienhardt, die nach dem Essen gerne ein Nickerchen machte, anzurufen. Es war zwar durchaus von Vorteil, dass der Kindsvater zu jener Zeit in der gynäkologischen Abteilung des Kreiskrankenhauses arbeitete; doch kann man sich vielleicht vorstellen, dass es leichter ist, hundert fremden Kindern auf die Welt zu helfen als einem eigenen. Also entschlossen wir uns irgendwann doch, Carmen wieder auf den Weg zu schicken.

Die preschte, wie sie mir später erzählt hat, mit hundertzwanzig durch verschiedene Dörfer und an verschreckt zur Seite springenden Bauarbeitern vorbei, mit herunter gekurbelter Scheibe und dem Ruf: Sorry! Meine Freundin bekommt ein Kind! Und genau so preschte sie wieder zurück, mit Frau Dienhardt auf dem Beifahrersitz, die unablässig vor sich hin flüsterte: Ach du liewer Gott. Das do iwwerleb isch net. Liewer Gott. Isch geh aa am Sonndaa in die Kersch. Isch verspresch ders. Liewer Gott. Das do iwwerleb isch net...

In der Zwischenzeit hatte mein Mann sich die Hände gewaschen und sich in sein Schicksal ergeben. Er saß an meinem Bett und suchte gerade nach ein paar beruhigenden Worten, als es abermals an der Tür läutete. Frau Dienhardt, hoch erhitzt, mit Kittel über dem Arm und der Hebammentasche in der Hand, wurde gerade von Carmen unsanft in die Wohnung geschoben, als sie durch meinen langgezogenen Schrei aufgeschreckt wurde. Alle drei stürzten auf mich zu, und alle drei fingen das kleine Wesen auf, das soeben beschlossen hatte, nicht mehr länger warten zu wollen. Mein Mädchen war auf der Welt.

Es fällt mir nicht ganz leicht und liegt mir fern, den Leser mit gynäkologischen Details zu langweilen; doch der Vollständigkeit ist es geschuldet, noch folgendes zu berichten: Wahrscheinlich ist es den meisten Erwachsenen bekannt, dass der Kopf eines Neugeborenen oftmals nicht im rechten Verhältnis zur ... sagen wir ... Austrittsöffnung steht. Und so kann es schon einmal vorkommen, dass eben diese Öffnung nicht ganz unbeschadet bleibt ... das kann in manchen Fällen dazu führen, dass etwas einreißt und wieder repariert werden muss ... Kurz: Es läutete ein drittes Mal.

Auftritt Johannes, Kollege des Kindsvaters, in voller Motorradmontur, mit einem Sturzhelm unterm Arm. Johannes begrüßte mich mit einem knappen Kopfnicken und ließ sich dann im Schneidersitz am Fußende meines Bettes nieder, um mich mit Nadel und Faden wieder in meinen Urzustand zu versetzen. Direkt hinter ihm saß Frau Dienhardt, völlig erschöpft, mit hoch roten Wangen und dem zweiten Glas Rotkäppchen-Sekt in der Hand und wiederholte ständig die inzwischen Legende gewordenen Worte: Ach du liewer Gott. Jetz bin isch jo gar nemmeh in de Kiddel komm!

Johannes hatte seine Arbeit beendet und wollte rasch wieder zu seiner Harley zurück, die im absoluten Halteverbot stand. Dies nahm Frau Dienhardt zum Anlass, sich nun ihrerseits von uns zu verabschieden. Auf meine erschrockene Frage, was ich denn jetzt machen solle, so ganz ohne sie, allein mit dem Kind... antwortete sie nur: Ei, fer was brauche Sie misch dann jetz noch? Sie hanns warm, sie hann genuch Winnele, unn was das Bobbelsche esse muss, das hann Sie doch alles bei sisch. Außerdemm hann isch jetz Hunger.
 

MarenS

Mitglied
Ich habe schon arg schmunzeln müssen!
Sehr, sehr schön erzählt, aus dem Leben gegriffen.
... und vor allem: Wieso kommen wir wohl manche Gedankengänge zu vertraut vor?

Anfang der 80-er. Ich bin hochschwanger. Das Kind wie auch das erste maßlos über die Zeit. Beim ersten wurde der Mutterpaß dreimal erweitert und ich blieb bis zur Entbindung im Glauben einen Elefanten auszutragen.
Das zweite also auch zu spät, na gut. Schlagwort: Natürliche Geburt. Heute Usus, zu der Zeit gab es eine Klinik in Frankfurt, gut 50 km Autobahn entfernt und das Frankfurter Kreuz dazwischen. Und da wollte ich hin!
Das Kind trotzt gegen schwere Arbeiten mit Pickel und Schaufel, will sich nicht von seiner Kuschelhöhle verabschieden. Ich warte.
Irgendetwas gibt mir an einem Tag ein, mich in die Klinik fahren zu lassen. Keine Wehen, nichts. Eine knuddelige Hebamme mit vielen Lachfältchen untersucht mich. Ich erkläre die Anfahrt, die äußerst flotte erste Entbindung und das dringende Gefühl in der Klinik bleiben zu müssen. Sie nickt. Ein junger Assistenzarzt betritt das Zimmer, die Hebamme drückt vielsagend meine Hand. Er will mich heimschicken, viel zu früh, sagt er. Die Hebamme fixiert ihn mit dem Blick der jahrhundertealten Erfahrung und fragt: Möchten Sie das Kind am Frankfurter Kreuz entbinden?
Der junge Arzt erbleicht, schüttelt den Kopf und ich kann bleiben.
Drei Stunden später hält die Hebamme meinen vor Wut brüllenden zweiten Sohn im Arm.

Liebe Grüße von Maren
 
H

Heidrun D.

Gast
@ Ach, Marenschä,

däs is aa ne schnucklische Geschicht,

meint
Heidrun D.
(nahe am Frankfurter Kreuz)
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
eine

tolle geschichte. gut geschrieben, unterhaltsam. erfrischende dialoge, besonders die mundart.
ich könnte noch ne stunde weiterlesen.

in der signatur hast du ein "Erdeleben". ich glaub, da fehlt ein n.
lg
 

arle

Mitglied
Auch dir vielen Dank, liebe Flammarion. Freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat.

Danke auch für den Hinweis auf die Signatur. Nein, der alte Herr Geheimrat hat schon "Erdeleben" geschrieben. Wahrscheinlich hat Eckermann sich vertippt. (c;

Schöne Grüße

Silvia
 

arle

Mitglied
Liebes Marensche,

dir natürlich auch ganz lieben Dank für den schönen Kommentar und sehr liebe Grüße

Silvia
 

arle

Mitglied
Etwa drei Jahrzehnte meines Lebens habe ich in Saarbrücken verbracht. Saarbrücken ist die Hauptstadt eines lustigen kleinen Landes, in dem lustige Menschen wohnen, die eine lustige Sprache sprechen. Einer dieser Menschen hieß Elfriede Dienhardt.

Frau Dienhardt hatte gut und gerne ihre vierzig Dienstjahre als freiberufliche Hebamme auf dem Buckel und sollte an diesem 14. Oktober des Jahres 1983 ihr letztes Kind auf die Welt holen: meine Tochter. Ich hatte sie erst drei Tage zuvor kennen gelernt, denn von Vertrauen aufbauen, sanftem Hinführen, Geburtsvorbereitung und all dem Kram hielt Frau Dienhardt nicht viel. Meine diesbezüglichen vorsichtigen Fragen wiegelte sie ab mit den Worten: Sie hann doch schunn enns. Diesmo werd's aa net annerschd.

Um fünf Uhr früh wurde ich durch ein leises Ziehen im unteren Rücken und das Schnarchen des Kindsvaters geweckt und stand auf. Ich kochte einen Tee (wahrscheinlich Roibusch), legte eine Platte auf (höchstwahrscheinlich Vollenweider), bestückte die Küche mit einer Großpackung Teelichter und verfasste einen Brief an mein Ungeborenes. So hatte ich das gelesen, und so machte man das eben Anfang der achtziger Jahre. Den Brief habe ich übrigens etwa ein Jahr später verbrannt, damit das arme Kind ihn auch ganz sicher nie in die Hände bekommen und womöglich ein Leben lang unter der metaphorischen Inkontinenz seiner Mutter zu leiden haben würde.

Etwa drei Stunden später wurde es dann Zeit, meine Freundin Carmen anzurufen, die zugesagt hatte, als Chauffeurin zu fungieren; denn - das vergaß ich zu erwähnen - Frau Dienhardt hatte keinen Führerschein. Carmen machte sich also auf den Weg zur etwa dreißig Kilometer entfernten Wohnung von Frau Dienhardt. In der Zwischenzeit durfte ich erfahren, dass es diesmal doch ein bisschen "annerschd" ablief als beim ersten Mal. Im Krankenhaus hatte man mich nämlich zu gegebener Zeit mit Medikamenten versorgt. Dafür darf ich heute mit Fug und Recht von mir behaupten, genau zu wissen, wie es sich wirklich anfühlt, ein Kind zu bekommen.

Es vergingen weitere anderthalb Stunden, Frau Dienhardt hatte nur noch rasch das Frühstücksgeschirr spülen und die Wäsche aufhängen müssen, bis Carmen endlich mit meiner Hebamme eintraf. Ich weiß bis heute nicht, was es war; vielleicht Lampenfieber. Vielleicht hatte das Kind aber auch beim Klang von Frau Dienhardts Stimme beschlossen, lieber noch ein paar Wochen in seiner sicheren Höhle zu bleiben. Jedenfalls waren mit dem Eintreffen der beiden die Wehen verschwunden. Und nur mein dicker Bauch erinnerte mich noch daran, dass ich jemals schwanger geworden war. Ich versuchte ein paar halbherzige Stöhner, aber Frau Dienhardt konnte ich nichts vormachen. Sie sah mir zuerst in die Augen, dann auf die Uhr und sagte: Das do dauert noch. Außerdemm hann isch jetz Hunger.

Mein Mann wollte sie zu einem zweiten Frühstück in unserer Küche überreden, aber das lehnte sie ab: Nää nää nää, isch hann gischder Hackflääsch kaaf; das muss fort. - Daraufhin erhob sie sich mit den Worten: Wann's schlimm weh duud, raache Se enn! Das helft. - Und warf mir eine halb volle Zigarettenpackung auf den Tisch.

Aber Frau Dienhardt, ich rauche doch jetzt seit zwei Jahren nicht mehr. - Wisse Se was, das is alles Kääs, was die junge Leid heit so verzähle. Gugge Se misch aan. Isch hann drei Buuwe, alles sooo Kerle, unn isch hann mei Lebbdaa geraacht wie ein Schlot. - Sprach's und verließ mit der hilflos dreinblickenden Carmen die Wohnung.

Die nächsten Stunden verschwinden leider in meiner Erinnerung. Jeder, der einmal das Vergnügen hatte, eine Gebärende begleiten zu dürfen, weiß um die Handlungsabläufe. Die Wehen kamen nun wirklich sehr regelmäßig; aber wir wussten ja, dass es noch keinen Sinn hatte, Frau Dienhardt, die nach dem Essen gerne ein Nickerchen machte, anzurufen. Es war zwar durchaus von Vorteil, dass der Kindsvater zu jener Zeit in der gynäkologischen Abteilung des Kreiskrankenhauses arbeitete; doch kann man sich vielleicht vorstellen, dass es weniger belastend ist, hundert fremden Kindern auf die Welt zu helfen als einem eigenen. Also entschlossen wir uns irgendwann doch, Carmen wieder auf den Weg zu schicken.

Die preschte, wie sie mir später erzählt hat, mit hundertzwanzig durch verschiedene Dörfer und an verschreckt zur Seite springenden Bauarbeitern vorbei, mit herunter gekurbelter Scheibe und dem Ruf: Sorry! Meine Freundin bekommt ein Kind! Und genau so preschte sie wieder zurück, mit Frau Dienhardt auf dem Beifahrersitz, die unablässig vor sich hin flüsterte: Ach du liewer Gott. Das do iwwerleb isch net. Liewer Gott. Isch geh aa am Sonndaa in die Kersch. Isch verspresch ders. Liewer Gott. Das do iwwerleb isch net...

In der Zwischenzeit hatte mein Mann sich die Hände gewaschen und sich in sein Schicksal ergeben. Er saß an meinem Bett und suchte gerade nach ein paar beruhigenden Worten, als es abermals an der Tür läutete. Frau Dienhardt, hoch erhitzt, mit Kittel über dem Arm und der Hebammentasche in der Hand, wurde gerade von Carmen unsanft in die Wohnung geschoben, als sie durch meinen langgezogenen Schrei aufgeschreckt wurde. Alle drei stürzten auf mich zu, und alle drei fingen das kleine Wesen auf, das soeben beschlossen hatte, nicht mehr länger warten zu wollen. Mein Mädchen war auf der Welt.

Es fällt mir nicht ganz leicht und liegt mir fern, den Leser mit gynäkologischen Details zu langweilen; doch der Vollständigkeit ist es geschuldet, noch folgendes zu berichten: Wahrscheinlich ist es den meisten Erwachsenen bekannt, dass der Kopf eines Neugeborenen oftmals nicht im rechten Verhältnis zur ... sagen wir ... Austrittsöffnung steht. Und so kann es schon einmal vorkommen, dass eben diese Öffnung nicht ganz unbeschadet bleibt ... das kann in manchen Fällen dazu führen, dass etwas einreißt und wieder repariert werden muss ... Kurz: Es läutete ein drittes Mal.

Auftritt Johannes, Kollege des Kindsvaters, in voller Motorradmontur, mit einem Sturzhelm unterm Arm. Johannes begrüßte mich mit einem knappen Kopfnicken und ließ sich dann im Schneidersitz am Fußende meines Bettes nieder, um mich mit Nadel und Faden wieder in meinen Urzustand zu versetzen. Direkt hinter ihm saß Frau Dienhardt, völlig erschöpft, mit hoch roten Wangen und dem zweiten Glas Rotkäppchen-Sekt in der Hand und wiederholte ständig die inzwischen Legende gewordenen Worte: Ach du liewer Gott. Jetz bin isch jo gar nemmeh in de Kiddel komm!

Johannes hatte seine Arbeit beendet und wollte rasch wieder zu seiner Harley zurück, die im absoluten Halteverbot stand. Dies nahm Frau Dienhardt zum Anlass, sich nun ihrerseits von uns zu verabschieden. Auf meine erschrockene Frage, was ich denn jetzt machen solle, so ganz ohne sie, allein mit dem Kind... antwortete sie nur: Ei, fer was brauche Sie misch dann jetz noch? Sie hanns warm, sie hann genuch Winnele, unn was das Bobbelsche esse muss, das hann Sie doch alles bei sisch. Außerdemm hann isch jetz Hunger.
 
T

Thys

Gast
Hi Silvia,

nette Geschichte. Gefällt mir soweit. Nur hier

...als sie durch meinen langgezogenen
Schrei aufgeschreckt wurde. Alle drei stürzten auf mich zu,
und alle drei fingen das kleine Wesen auf...

hab ich plötzlich etwas verdutzt gestutzt und gedacht: "Upss,
das ging aber jetzt flott. So eine richtige Blitzgeburt."
Langer Schrei und schwupps ist es da. Natürlich denke ich, dass
es da schon ein mehr oder weniger längeres anstrengendes
"Vorspiel" gab... aber gelesen habe ich hier nur die Blitzgeburt.

Vielleicht geht es mir ja auch nur alleine so.

Gruß

Thys
 

arle

Mitglied
Lieber Thys,

vielen Dank für deinen schönen Kommentar.

Da es meiner Meinung nach nichts langweiligeres gibt als die Geburtsgeschichten älterer Damen, wollte ich nicht so sehr ins Detail gehen. Dass es weh tut, weiß ja jede/r, denke ich mir. Und nach neun Stunden Quälerei kann man kaum von einer "Blitzgeburt" reden. (c;

Trotzdem schien mir diese spezielle Geschichte aufschreibenswert, da sie an Pragmatismus ("raache Se enn") kaum zu überbieten ist. Diese total alternative "Hausgeburt" sollte eine Hommage sein an einen inzwischen (bestimmt nicht an der Raacherei) verstorbenen Menschen, der es wie kaum ein anderer verstand, die Dinge ins rechte Licht zu rücken. Nur wegen der Länge habe ich sie in den Kurzgeschichten gepostet; denn eigentlich gehört sie ins Tagebuch.

Ganz liebe Grüße von der inzwischen nur noch selten Teelichter kaufenden:

Silvia
 
T

Thys

Gast
Hi Silvia,

ist ja auch gut, die Geschichte. Besonders hat mir die
Hebamme mit ihrem Dialekt gefallen. Hab's mir
jetzt noch einmal durchgelesen. Stimmt schon, in der gehen
die Wehen schon was länger. Das ist wohl bei mir in den
Hintergrund gewandert, weil mich diese Frau Dienhardt so
amüsiert hat. Irgendwie war ich noch ganz mit der guten Frau
gedanklich beschäftigt und plötzlich der Schrei und das Baby.
Wohl daher der Eindruck.

Gruß

Thys
 

arle

Mitglied
Ei das macht doch nix, Thys. Dodefier bin isch jo do fer dir das zu verkläre.

Schluss jetzt, sonst komm ich noch ins Forum.

Danke noch mal und liebe Grüße

es Silfja
 



 
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