Heiligabend mit Oma

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
Heiligabend mit Oma

An Heiligabend kommt traditionsgemäß die Familie zusammen. Der Alltagsstress wird abgelegt und man ist harmonieerzeugend freundlich zueinander.
„Ich staune immer wieder, wie der Roseneibisch bei dir gedeiht“, sagte die Oma. „Und die Zimmerlinde hat auch kein einziges Blatt verloren im Herbst, nicht wahr? Ach, die Zimmertanne, so ein zartes Grün! Aber deine Duftpelargonie ist ein bisschen vergeilt, nicht wahr? Und wie schön deine Kakteen wieder blühen, na ja, irgendetwas blüht ja bei dir immer.“ Mit diesen Worten setzte die Oma sich ans Fenster. Die Mutter hantierte inzwischen an Herd und Spüle. „Lass dich nicht stören, Marianne, ich schau dir gerne zu.“ meinte die Oma leutselig.
Damals, als der Sohn die junge Frau vorstellte, hatte sie gehofft, irgendein Haar in der Suppe zu finden. Ein weiteres, denn dass sie vom Lande stammte, war für den Sohn anscheinend nicht Makel genug. Aber Marianne war hübsch und gut gebaut, hatte einen gesunden Körper und einen wachen Verstand, war ordentlich und sauber und konnte gut kochen – konnte man mehr verlangen? So wandelte sich der Groll in satte Zufriedenheit: Ich habe meinen Sohn alleine großgezogen und ihm auch ne vernünftige Frau zukommen lassen.
Sie schaute aus dem Fenster, da hingen zwei Meisenringe. „Ach, hast du wieder für die Vögel Weihnachten werden lassen?“ Innerlich schüttelte sie den Kopf: „ - kaum Geld im Haus, mein Sohn muss jede Drecksarbeit annehmen, aber Vogelfutter streuen! - “ Doch dann zog sie das rege Treiben der vielfarbigen Waldvögel in den Bann. Die Mutter zählte auf, was da alles ans Fenster kommt und die sattsam bekannten Stadtvögel Spatz und Taube waren nicht dabei. Von Finken, Rotkehlchen, Ammern, Kohlmeisen, Sumpfmeisen und Blaumeisen war die Rede und die Oma verkniff sich die Frage nach den Ameisen. „ - Hübsch und elegant sind die bunten Vögel - “, dachte sie bei sich, „ - aber dafür Geld ausgeben? Na ja, ist vielleicht ihr Ersatz für Theater. - “ Sie ging selber so gut wie nie ins Theater, aber sie wohnte schließlich in Berlin, da hätte sie jede Menge Möglichkeiten. Doch es mangelte an Interesse.
„Was sagtest du vorhin, wo mein Sohn ist?“ fragte sie nach. „Er ist mit meinem Vater zum Förster gegangen. Sie wollen helfen, die Krippe für die Rehe zu richten. Dafür bekommen sie kostenlos einen schönen Weihnachtsbaum.“ Die Oma zog eine Schnute und dachte: „ - Hoffentlich stimmt s. - “
Die Mutter begoss das Geflügel mit einer Soßenkelle. Schon während der Verlobungszeit waren die beiden Frauen übereingekommen, einander in Küchendingen keine Ratschläge zu erteilen, denn jede hatte ihre völlig eigene Art. Wenn Oma z. B. Kartoffelbrei kochte, rührte sie ihn aus der Tüte ein. Wenn Marianne Kartoffelbrei kochte, wurden Kartoffeln geschält, gekocht und in Brühe und Milch gestampft. So knarzte die Oma jetzt nur: „Und die Gören? Wo haste die gelassen?“ Die Oma liebte ihre Enkel, aber deren Mutter wollte das Wort „Gören“ nicht hören. Deshalb benutzte es die Oma sehr gern immer wieder. Flink kam die Antwort: „Die wollten noch ne Weile Schlittschuhlaufen auf dem See.“ Darauf ängstlich die Oma: „Ja, is der denn auch richtig fest zugefroren?“ Marianne lachte: „Darauf kannste dich verlassen. Ich war selber drauf. Die Männer mussten eine ganze Weile hacken, ehe sie ihre Angeln in den See tauchen konnten. Wir hatten gestern fetten Barsch zum Mittag.“
Fast gleichzeitig kamen der Opa, der Papa und die beiden Teenager nach Hause. Mit ihnen der hässliche Schäferhundverschnitt namens „Herr Trotzki“. Er hatte sich den Namen verdient, weil er es von Anfang an verstand, seinen Trotzkopf durchzusetzen.
Die Oma mochte den Köter nicht und er mochte sie nicht. Sie blickte giftig und Herr Trotzki bellte ohne Ende. Bis Marianne sagte: „Aber Herr Trotzki, nun ist Schluss! Hör endlich auf zu bellen, du wirst ja sonst ganz heiser.“ Und sie beruhigte den Hund, indem sie mit ihm schmuste: „Ja, so, ganz leise ist der liebe Hund, ganz leise, ja, braver Hund.“ Da beruhigte sich das Tier und wedelte mit dem Schwanz.
Die Oma erzählte mit falschem Lächeln, dass sie kürzlich beobachtet hatte, wie eine junge Frau ihren Langhaardackel vor dem Einkaufcenter anleinte. Er blickte ihr nach und in den großen traurigen Hundeaugen stand die bange Frage: Werde ich dich jeeemals wiedersehen? „Ja“, bestätigte die Schwiegertochter, „Hunde können so schauen. Deshalb meinen viele Leute, dass ein Hund alles ganz genau versteht, im Gegensatz zu Menschen.“
„ - Ha, - “ dachte die Oma, „ - sollte das jetzt etwa ein Seitenhieb gegen mich sein? Du kannst mich nicht treffen, du nicht! - “
Alle setzten sich zu Tisch, nachdem der Hund seinen Napf gefüllt bekam. Es schmeckte vortrefflich. Der Enkeltochter war die Gänsehaut zu fett – der Opa aß sie gerne. Der Junge mochte nicht so viel Grünkohl – seine Mutter nahm ihm ein Großteil ab.
Dann legten sich die beiden Männer zum Mittagsschlaf nieder. Die Teenager putzten den Baum, der wirklich ein Prachtstück war. Mutter wusch das Geschirr ab und die Oma hockte weiterhin auf ihrem Stuhl, schaute den Vögeln beim Fressen zu und freute sich, dass Herr Trotzki keine Notiz mehr von ihr nahm. „ - Die Töle soll ja die Schnauze halten, mein Sohn möchte schlafen! - “
Das Schmücken der „Hallelujastaude“ ging schnell, die beiden Geschwister hatten Übung und waren ein eingespieltes Team. Also wurde beschlossen, noch einmal zu dem nahegelegenen See zu gehen. Hui, wie glitten die blanken Schlittschuhkufen dahin! Stolz blickten Mutter und Großmutter den Jugendlichen nach. Dann wagten sich auch sie auf das Eis. Die Oma kicherte dabei wie eine Jungfer, denn bei ihrem letzten „Seegang“ war sie noch ein sehr junges Mädchen.
Als es zu dämmern begann, gingen sie mit roten Wangen zurück in die warme Stube. Dort hatten die Männer bereits den Kaffeetisch gedeckt. Es gab Stollen und Baumkuchen, beides selbst gebacken. Der Baumkuchen hatte nicht die beim Bäcker übliche Höhe von drei bis vier Zentimetern, nein, er war sieben Zentimeter hoch! Die Oma genoss ihn mit andächtigem Staunen. Die Enkelin hatte ihr einmal erzählt, dass Baumkuchen nicht einfach nur zusammengerührt wird und fertig, sondern dass er Schicht für Schicht gebacken wird. Das bedeutet stundenlange Arbeit.
Nachdem das Geschirr wieder sauber im Schrank stand, wurden die Kerzen am Baum angezündet. „ - Irgendwann brennt euch die Bude ab, wenn ihr nicht auch bald auf elektrische Kerzen umsteigt! - “ Dann wurden diverse Weihnachtslieder gesungen. Die Oma erfreute sich jedes Jahr an den schönen Stimmen in dieser Familie, ihr selber war Singen zu dumm, sie machte da nicht mit.
Und endlich war die Bescherung. Alle Geschenke lagen unter dem Baum, jeder wusste nur, was er selber dort hingelegt hatte, aber nicht, von wem die anderen Sachen waren. Die Oma wachte eifersüchtig darüber, wie ihre Geschenke aufgenommen wurden, ob sie gefallen oder ob einer die Nase zu rümpfen wagt.
Dann hielt auch sie ein Päckchen in der Hand und wusste sofort, das ist von der Schwiegertochter. Jedenfalls bildete sie sich das ganz fest ein. Es war ein dickes Buch darin. „ - Die Landpomeranze schenkt mir n Buch – mir! Und ihr Vater bekommt Stühle – ich denke, die haben kein Geld, aber leben wie die Fürsten. Fische aus m See, Gemüse und Obst aus m Garten, Eier von den Hühnern, manchmal schlachten sie ein Huhn und lassen neue heranwachsen, denen geht’s doch so was von gut! Viel besser als mir! - “
Bald waren alle Liebesgaben ausgewickelt, begutachtet und mit netten Worten bedacht. Jeder gab jedem ein Dankesküsschen und die Oma ließ sich nichts anmerken von ihrem aufkeimenden Zorn.
Der Papa sprach: „Wie jedes Jahr wollen wir auch heute ein lustiges Gesellschaftsspiel haben. Weil die alten aber alle schon so ausgelatscht sind, hab ich mir ein neues ausgedacht. Es geht genau wie das Kofferpacken. Ich beginne mit Die Kuh macht Muh und was sagst du dazu? Und jeder muss das sagen und eine neue Zeile anhängen, die einen Reim auf „u“ hat. Habt ihr verstanden? Dann bist du jetzt dran, Mutter. Es geht der Reihe nach, so, wie wir sitzen.“
Die Oma dachte: „ - Das kann ja heiter werden! - “, nickte aber eifrig.
Mutter: Die Kuh macht Muh und was sagst du dazu?
Die Politiker machen großen Schmu.
Oma: „ - Jaja, reg du dich auch noch über Politik auf! - “ Die Kuh macht Muh und was sagst du dazu?
Die Politiker machen großen Schmu,
darüber lacht der Kakadu. „ - So, da hast du s! - “
Enkel: Die Kuh macht Muh und was sagst du dazu?
Die Politiker machen großen Schmu,
darüber lacht der Kakadu.
Ich glaub, ich finde keine Ruh.
Enkelin: Die Kuh macht Muh und was sagst du dazu?
Die Politiker machen großen Schmu,
darüber lacht der Kakadu.
Ich glaub, ich finde keine Ruh.
Mach die Augen auf und wieder zu.
Opa: Die Kuh macht Muh und was sagst du dazu?
Die Politiker machen großen Schmu,
darüber lacht der Kakadu.
Keine Ruh, Augen zu . . .
Was sag ich dazu?
„ - Blöder Heini, fällt dir nichts Besseres ein? - “
Papa: Die Kuh macht Muh und was sagst du dazu?
Die Politiker machen großen Schmu,
darüber lacht der Kakadu.
Ich glaub, ich finde keine Ruh,
mach die Augen auf und zu,
und was sag ich dazu?
Hab wohl im Kopf n Uhu.
„ - Mensch, kommste jetzt ganz nach dieser Familie anstatt nach mir? - “
Mutter: Die Kuh macht Muh . . .
. . .
Ich flöge gern mit meiner Crew.
„ - Ph, englisch kann se auch, sagt se. - “
Oma: Die Kuh macht Muh . . .
. . . .
Ein großer Vogel macht ruckediguh. „ - Mal n bisschen was Märchenhaftes hier reinbringen, is schließlich Weihnachten. - “
Enkel: Die Kuh macht Muh . . .
. . .
Der Vogel heißt aber Schuhu.
„ - Bravo, mein Süßer, du hast die Richtung erkannt! - “
Enkelin: Die Kuh macht Muh . . .
. . .
Und ich bin mit dem Papst per du.
Opa: Die Kuh macht Muh . . .
. . .
Das geht nicht mit rechten Dingen zu.
Papa: Die Kuh macht Muh . . .
. . .
Ich erschrecke die Leute mit einem „Buh“.
Mutter: Die Kuh macht Muh . . .
. . .
Morgen mach ich mir ein Tattoo.
„ - Na, soweit kommt das noch! Vielleicht machst du den Kindern diesen Schund noch schmackhaft! Ich will nicht, dass sie sich so verschandeln! - “
Oma: Die Kuh macht Muh . . .
. . .
Darüber freut sich dann bestimmt Grisu. „ - Hihi, jetzt denken die vielleicht, ich hätt die „Unendliche Geschichte“ gelesen, aber nee, Video gucken reicht. - “
Enkel: Die Kuh macht Muh . . .
. . .
Mensch, ich krieg die Tür nicht zu!
Enkelin: Die Kuh macht Muh . . .
. . .
Dann flieg ich eben nach Kourou.
„ - Wat, wo will se hin? - “
Opa: Wo ist denn das?
Papa: Das ist die französische Raketenabschussbasis in Afrika. Da wurde die „Ariane“ gestartet.
Opa: Die Kuh macht Muh . . .
. . .
Da finde ich rasch mal tausend Sou.
Papa: Die Kuh macht Muh . . .
. . .
Damit geht’s ab nach Honolulu.
Mutter: Die Kuh macht Muh . . .
. . .
Da tanzt ein nackter Zulu.
„ - Ih, ist die vergnügungssüchtig! - “
Oma: Die Kuh macht Muh . . .
. . .
Auf der „Enterprise“ dient Lieutenant Sulu. „ - Jaja, Fernsehen bildet. - “
Enkel: Die Kuh macht Muh . . .
. . .
Mit dem hätt man gern ein Rendezvous.
Enkelin: Die Kuh macht Muh . . .
. . .
Der Präsident trinkt keinen Kaffee „Im Nu“.
Opa: Die Kuh . . .
. . .
Dafür trägt er Jeans in blue.
„ - Aber bestimmt nur in der Freizeit! - “
Papa: Die Kuh . . .
. . .
Und die Monroe singt für ihn pupedipu.
Mutter: Die Kuh . . .
. . .
Da hinten stehen ein paar Schuh.
Oma: Die Kuh . . .
. . .
Die sind nicht für Manitou. „ - Vielen Dank, Pro 7. - “
Enkel: Die Kuh . . .
. . .
Also sprach der Winnetou.
Enkelin: Die Kuh . . .
. . .
Denn er war ja kein Filou.
Opa: Die Kuh . . .
. . .
Ganz niedlich war einst Mary Lou.
„ - Alter Lustmolch. - “
Papa: Die Kuh . . .
. . .
Und ich fragte mich, wozu?
Mutter: Die Kuh . . .
. . .
Sie war nicht so wie Pretty Peggy Sue.
Oma: Die Kuh . . .
. . .
Doch bei ihr war Love so true. „ - Mußt doch nich denken, dass nur du englisch kannst! - “
Enkel: Die Kuh . . .
. . .
Und dann kam der große Clou.
Enkelin: Die Kuh . .
. . .
Ich saß auf einem Känguru.
Opa: Die Kuh . . .
. . .
Ich kann ganz prima noch Kung Fu.
„ - Kung Fu, dass ich nicht lache! Du hast doch schon Mühe, vom Sessel aufzustehen! - “
Papa: Die Kuh . . .
. . .
Ich besuchte so gern Malibu.
Mutter: Die Kuh . . .
. . .
Ja, auch ich mach da nur laut „Juchhu“.
„ - Äh, vielleicht nimmt er dich gar nicht mit? - “
Oma: Die Kuh . . .
. . .
Auf der Weide steht die bunte Kuh.
Enkel: Die Kuh . . .
. . .
Die nehm ich nicht mit in mein Kanu.
Enkelin: Die Kuh . . .
. . .
Dann zaubert sie dir hinein der Guru.
Opa: Die Kuh . . .
. . .
Er bläst dazu auf seinem Didgeridoo.
Papa: Die Kuh . . .
. . .
Da fällt mir nur noch ein: „Yabbadabbadoo“.
Mutter: Die Kuh . . .
. . .
Da flieg ich schnell mal nach Korfu.
„ - Korfu? Woher kenne ich das? Ach, das ist in Griechenland, kam in der „Sissi-Trilogie vor. - “
Oma: Die Kuh . . .
. . .
Und da wink ich Kaiserin Sissi zu.
Enkel: Die Kuh . . .
. . .
Die singt mit Rühmann Lalelu.
„ - Ei, hat er sich doch die Kassette mit den alten schwarz-weiß-Filmen angesehen! Ist doch nicht alles umsonst, was ich für die Kinder tue! - “
Enkelin: Die Kuh . . .
. . .
Und beide singen das Lied for you.
Opa: Die Kuh . . .
. . .
Ach, hätte ich doch einen Daihatsu!
„ - Frommer Wunsch, aber was willst du alter Zausel damit? Du hast doch bloß n Führerschein für n Pferdewagen! - “
Papa: Die Kuh . . .
. . .
Damit kommste doch nicht zum Planeten Meju.
Mutter: Die Kuh . . .
. . .
In Ungarn nennt man einen Geist Manu.
„ - Wer es glaubt, wird selig. - “
Oma: Die Kuh . . .
. . .
Im Wald traf ich Bär Winnipu. „ - So heißt der doch, oder Pu, der Bär? Egal. - “
Enkel: Die Kuh . . .
. . .
Mir fällt nichts ein!
Enkelin: Die Kuh . . .mir fällt auch nichts mehr ein.
Opa: Na, dann hören wir auf.
Papa: Ja, wir hören auf. Ihr habt das aber alle ganz toll gemacht. Ich hätte nie gedacht, dass so viele Reimworte zusammenkommen.
„ - Na endlich. Mir ist ja schon ganz schwindlig von all dem englisch, französisch, ungarisch und was weiß ich nicht noch alles. - “
Oma: Sohn, fahr mich nach Hause zu.
Und so hatte die alte Schachtel zuletzt noch ein freundliches Gelächter um sich her.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
danke

danke für deine freundliche reaktion. die reimerei ist einer der wenigen authentischen momente in dieser geschichte. ganz lieb grüßt
 



 
Oben Unten