Heimkehr (gelöscht)

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DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Lord Nelson, herzlich Willkommen in der Leselupe!

Schön, dass Du den Weg zu uns gefunden hast. Wir sind gespannt auf Deine weiteren Werke und freuen uns auf einen konstruktiven Austausch mit Dir.

Um Dir den Einstieg zu erleichtern, haben wir im 'Forum Lupanum' (unsere Plauderecke) einen Beitrag eingestellt, der sich in besonderem Maße an neue Mitglieder richtet. http://www.leselupe.de/lw/titel-Leitfaden-fuer-neue-Mitglieder-119339.htm

Ganz besonders wollen wir Dir auch die Seite mit den häufig gestellten Fragen ans Herz legen. http://www.leselupe.de/lw/service.php?action=faq

Einfühlsam erzählte Geschichte! Habe ich gerne gelesen.


Viele Grüße von DocSchneider

Redakteur in diesem Forum
 

James Blond

Mitglied
Werter James,
dein Angebot erscheint mir fair und reell. Ich würde mich dann mal um die Kategorie E (=Totalverriss) bemühen wollen.
https://www.leselupe.de/lw/showthread.php?threadid=133333&pagenumber=3


Verehrtester Lord,

hier lese ich eine sorgfältig ausgearbeitete Kurzgeschichte, an der es sprachlich kaum etwas auszusetzen gibt. Der unmittelbare Einstieg in media res, das schrittweise Aufdecken der Situation, der enge Zeitausschnitt, die Konzentration auf einen personalen Erzähler, die lakonische Erzählweise, der offene Schluss und die Beschränkung auf einen Wortumfang von 1.162 Worten formen hier eine Kurzgeschichte klassischen Stils.

So angenehm dies auch zu lesen ist, so macht es zugleich den vom Autor erwünschten Totalverriss schwierig. Denn dazu bedarf es entweder einer besonders stümperhaften Ausführung der Form - oder eines möglichst grandios gescheiterten Versuchs künstlerischen Experimentierens. Beides ist hier aber nicht gegeben - und so lässt sich schlimmstbestenfalls konstatieren, dass die Stärke des Textes zugleich seine Schwäche offenlegt: Zu sehr auf seine ansprechende Form und auf die inhaltliche Plausibilität bedacht, verliert der Text zunehmend seine Kraft in der Endlosschleife der Ausbruchsversuche seines in die Demenz abgleitenden Protagonisten.

Die Einstiegsspannung der zwischen den Regalen verschwundenen Frau verflacht zusehends und wird bereits nach dem ersten Drittel ganz aufgelöst: "Es war ein Heim!" Damit ist der Leser hinreichend aufgeklärt. Mit der im zweiten Drittel einsetzenden Rückkehr der Erinnerung an die eigene Situation wird zugleich die Handlung des letzten Teils vorweggenommen, die nun von vornherein als Wiederholungstat feststeht. Am Ende wird diese Programmatik der Wiederholung durch den Protagonisten lediglich noch bestätigt.

Diese heilose Melange aus Vergessenem, Erinnertem und Wiedervergessenem ist nachvollziehbar und ansprechend beschrieben und wohl auch kennzeichnend für den Weg in die Demenz. Im Sinne eines fortgesetzten Suspense wäre es allerdings besser, auch den Leser etwas länger im Dunkeln zu lassen und die Lichtblicke der Erinnerung auf Taschenlampenformat zu schrumpfen, wo schrittchenweise etwas erhellt wird und dem Leser das Zusammensetzen der Puzzleteile überlassen bleibt. So wie er ist, fehlt dem Text die Überraschungswürze einer Kurzgeschichte: die dramatische Wende kurz vor Schluss, die dann alles in ein neues Licht wirft.

Mein Urteil: Eine gelungene Übung, aber zu wenig Geschichte.

Grüße
JB
 

Val Sidal

Mitglied
@Lord Nelson

-- bereits der Anfang der Geschichte versucht künstlich Spannung zu erzeugen("Etwas hatte seine Aufmerksamkeit erregt, etwas Merkwürdiges")und nimmt dem Text das Tempo sowie jede Chance, aus sich heraus beim Leser Spannung/Neugier entstehen zu lassen. Die Erzählzeit irritiert: Der Protagonist "verlangsamte ... Etwas hatte seine Aufmerksamkeit erregt -- [blue]wohl eher umgekehrt, oder? [/blue]Und weiter: "Er blieb stehen und bog einige Fächer ... dass er freie Sicht hatte. [red]Dann starrte er[/red] mit offenem Mund -- [blue]markiert scharf und sinnfrei den Beginn des Starrens.[/blue]

So könnte es gerade noch gehen:
Erich verlangsamte [strike][red]unwillkürlich[/red][/strike] seinen Schritt. [strike][red]Etwas hatte seine Aufmerksamkeit erregt, etwas Merkwürdiges.[/red][/strike] [blue]Was sich in nächster Nähe vor ihm abspielte erschien ihm völlig unerklärlich[/blue]. Er blieb stehen[blue],[/blue] [red][strike]und[/strike][/red] bog einige Fächer der Zimmerpalme [red][strike]mit den Händen[/strike][/red][blue](womit den sonst?)[/blue] zur Seite, so dass er freie Sicht hatte[red][strike]. Dann[/strike][/red][blue]und[/blue] starrte [strike][red]er[/red][/strike] mit offenem Mund.
Soviel zum Einstieg -- und so könnte ich weiter machen, aber für mehr habe ich keine Zeit. Wenn's nicht passt -- Pardon.
 

Lord Nelson

Mitglied
Hallo lieber James,

ganz herzlichen Dank für die treffenden Gedanken, die du dir über meinen kleinen Text (es ist tatsächlich eine Übung, als Kristallisationskern war der Begriff “Schnee” vorgegeben) gemacht hast.

Es ist ein schönes Gefühl, dass da jemand die Mühe auf sich genommen hat, mir so ausführliche und fundierte Rückmeldungen über die Wirkung meiner selbst verfassten Geschichte zu spendieren.

Dein nachsichtiger “Verriss” hilft mir sehr weiter, besonders die dramaturgischen Betrachtungen. Mir wird erst jetzt klar, dass der Text völlig anders ankommt, als er gedacht war. Die angedachte Story war Erichs Flucht aus der Heimsituation, wobei die letztere von Anfang an kein Geheimnis zu sein brauchte. Die tatsächlich nur mäßig dramatische Wende sollte eben die von dir kritisierte Endlosschleife sein - die nur von außen mögliche Erkenntnis, dass das ersehnte “heim” gar nicht existiert.

Das wird ein schönes Stück Arbeit. Mit dem Austauschen einzelner Formulierungen ist es offensichtlich nicht getan.

Gerührte Grüße
Lord Nelson
 
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