Heiße Sache

Herr Müller

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Die Sache wurde mir zu heiß, die Schritte wurden schneller, ich fing an zu rennen. Die Tür des Discounters ging noch rechtzeitig auf. Eine ältere Dame schob ich rücksichtslos beiseite. Ihr Wagen schlug gegen mich, ich schleuderte ihn in die Ecke, eine Flut von Bohnenbüchsen ergoss sich hinter mir. Wo war diese verdammte… ? Da, da nichts wie hin.
"Platz, machen Sie Platz" brüllte ich. Gierig nervös schob ich den Deckel beiseite, dann stieg ich auf und war endlich drin, in meiner Eiskühltruhe.
Oh, wie schön, wie schön kühl. Niemand würde mich hier wieder rausholen können. Göttlich diese Kühle.
Ich schloss die Augen und lauschte den Klängen des kalt
knisternden Eises unter mir. Himmlisch, ich werde Euch alle
verspeisen, gleich, gleich, nur noch ein wenig ausruhen.
Unsanft wurde ich aus meinen Träumen gerissen. Die alte
Dame, die sich inzwischen wieder aus dem Bohnenbüchsensta-pel befreit hatte, schlug wie wild mit ihrem Krückstock auf meine geliebte Eiskühltruhe ein.
"Komm raus Du Sau, komm raus, das macht man nicht."
Ich versuchte ihr ein Magnum zu reichen und schloss den
Deckel. "Komm raus Du Sau", klang es aus weiter Ferne.
Gleich mehrere Gesichter beugten sich jetzt über mich und
klopften und zerrten an den beiden Deckeln, die ich nur mit
Mühe halten konnte. Mir wurde warm. Mist, dachte ich, nur
nicht wieder warm werden.
Plötzlich wurde es ruhig, verdächtig ruhig. Was ging da vor sich? Da, das Licht ging aus in der Truhe, man hatte den Stecker gezogen. Nicht lange und die Kühlung würde versagen. Ich bekam Panik. Grinsende Gesichter starrten durch den Deckel, die alte Dame verspeiste genüsslich das Magnum. Ich schrie: "Steckt den Stecker wieder rein……, steckt ihn rein,……los!" Provozierend sanft wurde der übrig gebliebene Stiel vor meinen Augen abgelegt.
Das war zu viel, ich musste hier raus. Ich schnellte in
Bauchlage und drückte mich durch den Deckel nach oben.
Noch bevor man mich ergreifen konnte, entfloh ich in die
hinterste Ecke des Ladens und warf mich in die Kühltruhe,
die mit Joghurt gefüllt war. Müller-Joghurt, was für ein
Schicksal Müller. Nicht ganz so kalt, aber allemal kühler als die Luft da draußen. Die Meute stürzte mit Besen in meine Richtung, es flogen Käse, Wurst, alles schön kühl.
Inzwischen entstand Tumult vorne an der Eingangstür. Eine
Frau stürzte herein, wild mit den Armen fuchtelnd. Es war
meine Frau. "Lassen Sie mich durch, wo ist diese verdammte..", und war schnurstracks in der noch heilen Eistruhe verschwunden. "Die ist nicht kühl genug" schrie sie hysterisch. "Gabi, Gabi hier her, hier ist es kühl." Sie lief mit weinenden Augen und ausgebreiteten Händen auf mich zu.
Die mutigen Bürger, die mit offenem Mund das ganze
Geschehen verfolgten, konnten sie nicht mehr aufhalten.
Sie war jetzt auch in der Joghurttruhe. Sie schluchzte und
seufzte: "Versprich mir, das Du nie wieder ohne mich Dich
abkühlen gehst." "Ja mein Schatz, nie wieder. Aber wir
müssen hier raus. Die Sache wird langsam zu heiß."
Das aufgeheizte Bürgertum hatte sich erholt vom ersten "Kälteschock" und fing erneut an, auf uns herum zu prügeln mit schönen kalten Fischstäbchen und Milch- packungen. Wir kämpften, schlugen mit Müller-Milch um uns, erreichten die Tür und betraten schweißgebadet die unerträgliche Glut des Sommers.
Im Bruchteil einer Sekunde begriffen wir beide, was wir jetzt sahen: den Wagen vom Eismann, allein gelassen, der Schlüssel steckte. Meine Frau sprang in den rettenden kalten Hintern des Gefährts und ich startete den Motor durch, drückte auf das Gaspedal und wir flüchteten nach
Norden, immer nur nach Norden. So sind wir noch heute auf der Flucht vor diesem verdammten heißen Sommer.
Ich finde er übertreibt mal wieder.
 

Herr Müller

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Danke liebe Traum

für das Kompliment. Freut mich, dass Dir mein Erstlingswerk gefallen hat. Ich habe bis jetzt immer nur Gedichte geschrieben und wollte mal was anderes machen. Das mit der Abkühlung in der Eiskühltruhe war doch schon lange fällig, oder? Ich hoffe es gibt viele Nachahmer ;)

Danke nochmal für Deinen Kommentar. Dieses Forum habe ich gemerkt ist wahnsinnig zäh, was die Kommentare angeht. Da wird man ja in der Poesie richtig verwöhnt. Da hilft nur, immer fleißig auch andere Texte zu bewerten.


Liebe Grüße
Herr Müller
 



 
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