Heiteres Mittelalter-Gedicht

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Der Greif und die Rittersmannen


Es trug sich unterhalb vom Hohen-Neuffen
einst zu im grünen Walde eines Greifen,
dass stolz zu Pferde eine Ritterschar
zur Mittagszeit im Holz zugegen war.

Gar lustvoll sangen Vögel Lenzenlieder,
bald hier, bald dort erblühte froh der Flieder,
das Wild stand äsend auf der freien Lichtung.
Ein Bild für manch poetisch schöne Dichtung.

Die Ritter drangen, ohne es zu wissen,
in das Revier des starken, stolzen Gryffen.
So blinkend hell, so hoch auf weißen Pferden.
Sechsbein’ges Tiervolk muss vertrieben werden!

Der Greif schlich, keine zwanzig Schritt daneben,
den Streitern nach, die zu der Feste streben,
zu sehen durch manch Loch im Blätterdache,
der Greif, zum Sprung geduckt, in eig’ner Sache.

Da hielten auf ein Mal alle Rosse und Reiter,
denn die Laute des Waldes ertönten nicht weiter.
„Merkt auf! Da ist uns wohl wer auf den Hacken.
Doch soll nicht er uns, sondern wir ihn packen.”

So bildeten die Weißen einen Kreis
und lauschten und verhielten sich ganz leis.
Die Klingen außen, ihre Rücken innen.
So konnte nicht ein Schlag gescheh’n von hinnen.

Da schoss mit markerschütterndem Kampfgetöse
von oben auf den Kreis, dass er ihn löse,
des Greifen Schatten, riss entzwei den Band.
Die tapf’ren Streiter stoben auseinand’.

Links, rechts von ihm, hint’, vorn und an den Ecken
entsetzt schrien auf die kreidebleichen Recken.
Wo sollt’ zuerst er führen seinen Streich?
Den nächsten besten fuhr er durch die Bäuch.

Doch was war das? Vier Beine rannten weiter!
Die Leiber auch. - Vielleicht war es gescheiter,
sechsbein’ge Tiere doch nicht zu durchtrennen,
sonst würden noch doppelt so viel durch die Gegend rennen!

Mit ungeheu’rem Wutgebrüll erboste
sich nun der Greif, gar fürchterlich er toste,
dass ringsumher erzitterte das Laub,
’s war jedes Ohr für Augenblicke taub.

Er hieb nach rechts, er schlug nach links, nach vorn,
um die Weißen zu entreißen dem Lebensborn.
So schlug er diese Streiter in die Flucht,
geradewegs hinein in eine Schlucht.

Zu beiden Seiten ragte auf der Fels.
Und immer noch rückte der Greif ihnen auf den Pelz.
So blieb ihnen nur die eine Richtung: nach vorn.
Das Untier war jetzt rasend in seinem Zorn.

Die Ritter stolperten eisenbewehrt voran,
denn keiner von ihnen war freiwillig der letzte Mann.
Doch zu ihrer aller größtem Schrecken
blieben sie in einer sackenen Gasse stecken.

Doch dann bemerkten sie: Da war ja noch -
so dunkel, kaum erkennbar - ein schwarzes Loch.
Und immer noch nahte, von hinten wütend, der Greif
und stelzte durch den engen Spalt, fast steif.

Hinein ins Dunkel tasteten sich die Reiter.
Die vorderen zauderten. „Zagt nicht! Weiter, weiter!”
Doch just in dem Moment trat aus der Schwärze -
welch Graus! - ein Drache, dass er sie ausmerze!

Was nun? Links, rechts, hint’, vorn und an den Ecken
kein Weg zur Flucht, kein Hohlraum zum Verstecken.
Von zwei der stärksten Wesen in der Zange -
da ward den armen Rittern richtig bange.

Doch als ihre Augen sich an das Licht gewöhnten,
sie sich - Glück auf! - mit Fortuna wieder versöhnten.
In einem von ihnen bisher unentdeckten Winkel
erkannten sie eine Tür mit hölzernem Klinkel.

Sie fassten darnach, und die winzige Tür sprang auf,
dahinter führten sich windende Stufen hinauf.
So konnten sie doch noch der misslichen Lage entkommen
und waren gar zweien der tödlichsten Bestien entronnen.

Aus der Tiefe kam grausiges Wutgeschnaube.
Wären sie jetzt noch dort unten, so wären sie Taube.
Bald zahllos waren die Stufen, sie nahmen kein Ende.
Der Schwindel nahm zu, denn sie stiegen gar behende.

Doch glücklich langten sie endlich oben an.
Verloren hatten sie keinen einzigen Mann.
Sie waren nun in den Kellern vom Hohen-Neuffen.
Hier lag der Wein, um zum „Württemberger” zu reifen.

Sie hörten tief unten den Drachen dem Greifen zürnen
und schepperten durch die Halle bis hin zu den Türmen.
Und abermals stiegen sie schwindelnd im Kreislauf hinan
und verloren - Potzblitz! - schon wieder nicht einen Mann!

So erreichten sie die von Winden ergriffene Zinne
und warfen ein Aug’ hinab, zu sehen, wer gewinne.
Den Greifen hatte der Drache hinausgetrieben.
Nur weichen konnte der solch gar mächtigen Hieben.

Da waren sie auch schon aus dem Spalt hinaus,
und schon brach die rasende Kampfgier des Greifen aus.
Er fetzte durchs Gras und peitschte hinaus seine Schwingen,
um sich in die Luft in kräftige Winde zu bringen.

Der Lindwurm ihm nach auf ledernen, schwarzen Flügeln,
um dem Greifen eins über seinen Schädel zu bügeln.
Doch dieser, nicht mehr eingeengt, bewies,
dass er sich, von einem Wurm, nichts sagen ließ!

Was dieser an Beweglichkeit dem Greifen hatte voraus -
in der Schlucht - das reichte hier oben nicht mehr aus.
Der Drache besaß seine Schnauze nebst sechs Klauen,
der Greif vier löwene Pranken, zum Drachen-Hauen.

Zudem den Schnabel des Königs der Lüfte, des Aars.
Da flog der Wurm in die Luft und kreischte: „Das war’s!”
Doch so leicht machte der Greif es dem Flüchtenden nicht.
Im Flug war ein Drache für Greifen ein kleiner Wicht.

Er packte das Ende der Schlange und flog zwei Schlaufen
und zog es, ohne noch einmal zu verschnaufen,
zu einem sonderbar anzusehenden Knoten.
Nun glich es mehr einem seltenen Exoten.

Drauf trug in der Gestalt er ihn zum Horst,
hoch auf dem Steine thronend, über’m Forst.
Sechs winz’ge Greiflein krähten draus herfür
mit schon beachtlichem Souper-Gespür.

„Aah-Tschip!” schrien sie und sperrten die Schnäblein auf.
Der Greif riss ihnen sechs Beine für sie aus.
Den Leib verschlang er selbst. Und am Horizonte
er seine entzückende Greifin ausmachen konnte!

Die Ritter verfolgten bewegt diese Familien-Idylle
und zogen sich respektvoll zurück in die Abendstille.
Die rotgold’ne Sonne versank in glühenden Strahlen,
und dieser Tag ging ein in die Annalen.

Bis heut’ steht unterhalb vom Hohen-Neuffen
der Wald von unserem württemberg’schen Greifen,
doch seitdem niemals mehr die Ritterschar
zur Mittagszeit im Holz zugegen war.

Ende
 

Walther

Mitglied
Guten Tag, Crimson,

sei willkommen unter den Reimern der Lupe. Dein Werk ist lang, sehr lang. Ich habe es gelesen und bin zu keinem Urteil gelangt, außer vielleicht, daß es wenig lang ist, evtl. zu lang.

Dichtung ist etwas Dichtes, was implitziert, daß sie eher kurz ist. Wenn sie lang ist, braucht sie einen Spannungsbogen und viele Überraschungsmomente.

Ich will vielleicht noch den Hinweis geben, daß auch das Metrum doch gelegentlich aus dem Rhythmus zu geraten schien, mir war es jedenfalls so.

In diesem Sinne weiterhin frohes Werken. Ich freue mich schon auf Deine weiteren Einträge. Allerdings sollten sie für meinen Geschmack dann eher etwas kürzer ausfallen. Oder mehr Pepp haben. Je nachdem.

Lieber Gruß

W.
 

Walther

Mitglied
Hallo Zeder,

ich liebe Platen, aber das ist sicher nicht eines seiner besten Werke. Und es ist kürzer als dieses hier. :)

Du weißt sicherlich genau, was ich meine. Es gibt noch sehr viel Längeres als das Gedicht, das wir uns hier anschauen. Nehmen wir mal Vergil oder manche der Rilkeschen Elegien. Dennoch haben diese Texte das, was man Schmiß oder Pepp nennt. Und den vermisse ich hier. Sorry für meinen despektierlichen Eintrag.

Aber ich habe wenigstens Guten Tag gesagt und kommentiert. Der Rest kam, sah und klickte weg. So ist diese Rückkopplung immer noch besser und fairer als gar keine.

Gruß W.
 

ENachtigall

Mitglied
Hallo und willkommen auf der grünen Seite,

ich bin Schuld, dass Du diese Kommentare jetzt lesen darfst/musst; ich habe meinen Kindern das Gedicht vorgelesen und war schon negativ voreingenommen wegen der unverschämten Länge, fand es dann aber doch recht unterhaltsam und originell. Ich war teils echt erstaunt wie gut es sich las. Nun finde ich die Geschichte im Gedicht allerdings doch sehr umfangreich. Aber was soll´s. Ist mal was Anderes! Ich bin gespannt, womit Du sonst noch aufwarten wirst.

Viel Vergnügen beim Texte schmökern und sei ein fleißiger Kommentator; dann sind die anderen es auch bei Dir.

Grüße von Elke
 
L

label

Gast
Auch von mir ein herzlich Willkommen Crimson

Ich fand dein Gedicht zunächst auch nahezu entmutigend lang.
Die Sprachebene wechselt von heroisch/getragen zu schnoddrig.
Ich war zunächst wie Walther kommentiert hat, eine von denen die kamen, lasen und wegklickten.

Irgendetwas aber muss sich in den Gehirnwindungen festgehalten haben, denn ich kam wieder und las nochmal.
Dann las ich Nachtigalls Kommentar und ich begriff, das ist ein wunderbares Gedicht für Kinder. Es lässt sich in der Tat recht gut laut lesen.

Ich werde es mir ausdrucken ein paar Bilder dazu malen und meinen Enkeln schenken (d.h. wenn du einverstanden bist)

liebe Grüße
label
 
Der Greif und die Rittersmannen


Es trug sich unterhalb vom Hohen-Neuffen
einst zu im grünen Walde eines Greifen,
dass stolz zu Pferde eine Ritterschar
zur Mittagszeit im Holz zugegen war.

Gar lustvoll sangen Vögel Lenzenlieder,
bald hier, bald dort erblühte froh der Flieder,
das Wild stand äsend auf der freien Lichtung.
Ein Bild für manch poetisch schöne Dichtung.

Die Ritter drangen, ohne es zu wissen,
in das Revier des starken, stolzen Gryffen.
So blinkend hell, so hoch auf weißen Pferden.
Sechsbein’ges Tiervolk muss vertrieben werden!

Der Greif schlich, keine zwanzig Schritt daneben,
den Streitern nach, die zu der Feste streben,
zu sehen durch manch Loch im Blätterdache,
der Greif, zum Sprung geduckt, in eig’ner Sache.

Da hielten auf ein Mal alle Rosse und Reiter,
denn die Laute des Waldes ertönten nicht weiter.
„Merkt auf! Da ist uns wohl wer auf den Hacken.
Doch soll nicht er uns, sondern wir ihn packen.”

So bildeten die Weißen einen Kreis
und lauschten und verhielten sich ganz leis.
Die Klingen außen, ihre Rücken innen.
So konnte nicht ein Schlag gescheh’n von hinnen.

Da schoss mit markerschütterndem Kampfgetöse
von oben auf den Kreis, dass er ihn löse,
des Greifen Schatten, riss entzwei den Band.
Die tapf’ren Streiter stoben auseinand’.

Links, rechts von ihm, hint’, vorn und an den Ecken
entsetzt schrien auf die kreidebleichen Recken.
Wo sollt’ zuerst er führen seinen Streich?
Den nächsten besten fuhr er durch die Bäuch.

Doch was war das? Vier Beine rannten weiter!
Die Leiber auch. - Vielleicht war es gescheiter,
sechsbein’ge Tiere doch nicht zu durchtrennen,
sonst würden noch doppelt so viel durch die Gegend rennen!

Mit ungeheu’rem Wutgebrüll erboste
sich nun der Greif, gar fürchterlich er toste,
dass ringsumher erzitterte das Laub,
’s war jedes Ohr für Augenblicke taub.

Er hieb nach rechts, er schlug nach links, nach vorn,
um die Weißen zu entreißen dem Lebensborn.
So schlug er diese Streiter in die Flucht,
geradewegs hinein in eine Schlucht.

Zu beiden Seiten ragte auf der Fels.
Und immer noch rückte der Greif ihnen auf den Pelz.
So blieb ihnen nur die eine Richtung: nach vorn.
Das Untier war jetzt rasend in seinem Zorn.

Die Ritter stolperten eisenbewehrt voran,
denn keiner von ihnen war freiwillig der letzte Mann.
Doch zu ihrer aller größtem Schrecken
blieben sie in einer sackenen Gasse stecken.

Doch dann bemerkten sie: Da war ja noch -
so dunkel, kaum erkennbar - ein schwarzes Loch.
Und immer noch nahte, von hinten wütend, der Greif
und stelzte durch den engen Spalt, fast steif.

Hinein ins Dunkel tasteten sich die Reiter.
Die vorderen zauderten. „Zagt nicht! Weiter, weiter!”
Doch just in dem Moment trat aus der Schwärze -
welch Graus! - ein Drache, dass er sie ausmerze!

Was nun? Links, rechts, hint’, vorn und an den Ecken
kein Weg zur Flucht, kein Hohlraum zum Verstecken.
Von zwei der stärksten Wesen in der Zange -
da ward den armen Rittern richtig bange.

Doch als ihre Augen sich an das Licht gewöhnten,
sie sich - Glück auf! - mit Fortuna wieder versöhnten.
In einem von ihnen bisher unentdeckten Winkel
erkannten sie eine Tür mit hölzernem Klinkel.

Sie fassten darnach, und die winzige Tür sprang auf,
dahinter führten sich windende Stufen hinauf.
So konnten sie doch noch der misslichen Lage entkommen
und waren gar zweien der tödlichsten Bestien entronnen.

Aus der Tiefe kam grausiges Wutgeschnaube.
Wären sie jetzt noch dort unten, so wären sie Taube.
Bald zahllos waren die Stufen, sie nahmen kein Ende.
Der Schwindel nahm zu, denn sie stiegen gar behende.

Doch glücklich langten sie endlich oben an.
Verloren hatten sie keinen einzigen Mann.
Sie waren nun in den Kellern vom Hohen-Neuffen.
Hier lag der Wein, um zum „Württemberger” zu reifen.

Sie hörten tief unten den Drachen dem Greifen zürnen
und schepperten durch die Halle bis hin zu den Türmen.
Und abermals stiegen sie schwindelnd im Kreislauf hinan
und verloren - Potzblitz! - schon wieder nicht einen Mann!

So erreichten sie die von Winden ergriffene Zinne
und warfen ein Aug’ hinab, zu sehen, wer gewinne.
Den Greifen hatte der Drache hinausgetrieben.
Nur weichen konnte der solch gar mächtigen Hieben.

Da waren sie auch schon aus dem Spalt hinaus,
und schon brach die rasende Kampfgier des Greifen aus.
Er fetzte durchs Gras und peitschte hinaus seine Schwingen,
um sich in die Luft in kräftige Winde zu bringen.

Der Lindwurm ihm nach auf ledernen, schwarzen Flügeln,
um dem Greifen eins über seinen Schädel zu bügeln.
Doch dieser, nicht mehr eingeengt, bewies,
dass er sich, von einem Wurm, nichts sagen ließ!

Was dieser an Beweglichkeit dem Greifen hatte voraus -
in der Schlucht - das reichte hier oben nicht mehr aus.
Der Drache besaß seine Schnauze nebst sechs Klauen,
der Greif vier löwene Pranken, zum Drachen-Hauen.

Zudem den Schnabel des Königs der Lüfte, des Aars.
Da flog der Wurm in die Luft und kreischte: „Das war’s!”
Doch so leicht machte der Greif es dem Flüchtenden nicht.
Im Flug war ein Drache für Greifen ein kleiner Wicht.

Er packte das Ende der Schlange und flog zwei Schlaufen
und zog es, ohne noch einmal zu verschnaufen,
zu einem sonderbar anzusehenden Knoten.
Nun glich es mehr einem seltenen Exoten.

Drauf trug in der Gestalt er ihn zum Horst,
hoch auf dem Steine thronend, über’m Forst.
Sechs winz’ge Greiflein krähten draus herfür
mit schon beachtlichem Souper-Gespür.

„Aah-Tschip!” schrien sie und sperrten die Schnäblein auf.
Der Greif riss ihnen sechs Beine für sie aus.
Den Leib verschlang er selbst. Und am Horizonte
er seine entzückende Greifin ausmachen konnte!

Die Ritter verfolgten bewegt diese Familien-Idylle
und zogen sich respektvoll zurück in die Abendstille.
Die rotgold’ne Sonne versank in glühenden Strahlen,
und dieser Tag ging ein in die Annalen.

Bis heut’ steht unterhalb vom Hohen-Neuffen
der Wald von unserem württemberg’schen Greifen,
doch seitdem niemals mehr die Ritterschar
zur Mittagszeit im Holz zugegen war.

Ende
 
Hallo Walther,

danke für den allerersten Kommentar zu meinem allerersten Werk auf der Lupe! Werde anfangs wohl hauptsächlich Gedichte einstellen. Dieses war der erste Streich.

Du hast natürlich recht: das Werk ist in der Tat sehr lang. Und wie du schon richtig gesagt hast, sollte das, was man im allg. unter Gedicht versteht, kurz sein, aber als Erzählung braucht sie dann natürlich wieder den entsprechenden Aufbau. Ich schätze mal, „der Greif“ geht nicht mehr als „Gedicht“ durch, oder? Gibt es eine Textform, die sich durch Erzählung in Versen auszeichnet? Und in welcher Kategorie müsste man den Beitrag dann einstellen? Unter was läuft „das Nibelungenlied“, Epos oder so?

Das zweite ist meine Schwäche für eine allzu freie Auslegung des Metrums zugunsten einer größeren Fülle an Informationen innerhalb eines Verses, wobei ich dir jedoch exakt jede betonte Silbe eines Verses nennen könnte, damit es, vorgetragen, kaum noch auffällt. Dazu wäre der Hörer wohl zu sehr auf den Inhalt fokussiert. Aber im Sinne der Höflichkeit werde ich darauf achten. Das Werk entstand etwa 1999, als ich noch nicht sonderlich auf Höflichkeit und Reim-Regeln bedacht war.

Danke nochmal für die konstruktive Kritik!

Lieber Gruß

Markus
 
Hallo ENachtigall,

ich habe die „grüne Seite” eine Weile besucht, jetzt will ich aktiv/ schreibkulturell etwas beitragen.

Schuld sehe ich nirgendwo :), Kommentare und Kritik sind unverzichtbar, wenn ein Autor weiterkommen will. Selten kann er sein Werk so sehen wie andere (außer nach einer ganzen Weile des Ruhenlassens). Denn für ihn hat es stets den „Klang des Unausweichlichen”, es klingt alles „richtig” und „gehörig”.

Ich schätze, wenn ich – aufmerksamer - mir vorab die Durchschnittslänge der anderen LL-Gedichte angesehen hätte, wäre mir der gravierende Unterschied sicher aufgefallen.

Grüße von Markus
 
Hallo label,

man klickt sich in der rechten Muse in die Gedichte-Rubrik rein und erwartet aus gutem Grund so was wie „Fast Food” (nicht negativ gemeint :), „leichte Kost”, und dann kommt so ein schwerverdaulicher Brocken von drei Bildschirmseiten daher. Ist gut nachvollziehbar, dass man schnell weiterklickt.

Gefreut hat mich, dass du dennoch „wiederkamst”, danke! Die Sprachebene wechselt tatsächlich, ist ein kleiner Stil(?)-Fehler, sorry!

Dass „der Greif” sich für Kinder eignet, war mir noch gar nicht bewusst, aber es stimmt! Es ist unterhaltsam, kurzweilig und leicht zu begreifen – mal abgesehen von den verstaubten Vokabeln :)

Natürlich bin ich mit dem Geschenk einverstanden, ist mir sogar eine Ehre!

Liebe Grüße
Markus
 
Für labels Kinder Johann, Elsa und Torquil, die mir den Mut gaben,
noch weitere Sachen zu schreiben für sie und andere Kinder
– echte und solche, die es geblieben sind



Der Greif und die Rittersmannen (2003 - Üb. Vers.'09)


Es trug sich unterhalb vom Hohen-Neuffen
einst zu im grünen Walde eines Greifen,
dass stolz zu Pferde einer Ritter Schar
zur Mittagszeit im Holz zugegen war.

Gar lustvoll sangen Vögel Lenzenlieder,
bald hier, bald dort erblühte froh der Flieder,
das Wild stand äsend auf der freien Lichtung.
Ein Bild für manch poetisch schöne Dichtung.

Die Ritter drangen, ohne es zu wissen,
in das Revier des starken, stolzen Gryffen.
So blinkend hell, so hoch auf weißen Pferden.
Sechsbein’ges Tiervolk muss vertrieben werden!

Der Greif schlich, keine zwanzig Schritt daneben,
den Streitern nach, die zu der Feste streben,
zu sehen durch manch’ Loch im Blätterdache,
der Greif, zum Sprung geduckt, in eig’ner Sache.

Auf ein Mal hielten alle Rosse und Reiter,
denn die Vögel zwitscherten nicht weiter.
„Merkt auf! Wohl ist uns einer auf den Hacken.
Doch werden heimlich wir ihn selber packen.”

So bildeten die Reiter einen Kreis
und lauschten und verhielten sich ganz leis’,
die Klingen außen, ihre Rücken innen.
So konnte nicht ein Schlag gescheh’n von hinnen.

Da schoss mit markerschütterndem Kampfgetöse
von oben auf den Kreis, dass er ihn löse,
der Greif und riss entzwei den Kampfverband.
Die tapf’ren Streiter stoben auseinand’.

Links, rechts von ihm, hint’, vorn und an den Ecken
entsetzt schrien auf die kreidebleichen Recken.
Wo führte er den ersten besten Streich?
Den nächsten zweien fuhr er durch die Bäuch’.

Doch was war das? Vier Beine rannten weiter!
Die Leiber auch. - Vielleicht war es gescheiter,
sechsbein’ge Tiere doch nicht zu durchtrennen,
sonst würden noch doppelt so viel durch die Gegend rennen!

Mit ungeheu’rem Wutgebrüll erboste
sich nun der Greif, gar fürchterlich er toste,
dass ringsumher erzitterte das Laub,
’s war jedes Ohr für Augenblicke taub.

Er hieb nach rechts, er schlug nach links, nach vorn.
Das Untier, rasend jetzt in seinem Zorn.
es schlug die Ritter siegreich in die Flucht,
geradewegs hinein in eine Schlucht.

Zu beiden Seiten ragte auf der Fels.
Der Greif, der rückte ihnen auf den Pelz.
So blieb nur eine Richtung: g’radeaus.
Doch hoffentlich ging’s hinten wieder raus!

Die Ritter stolperten eisenbewehrt voran,
denn keiner der ihren war gerne der letzte Mann.
Doch blieben sie zu ihrem größten Schrecken
in einer sackenen Gasse leider stecken.

Doch dann bemerkten sie: Da war ja noch -
so dunkel, kaum zu sehen - ein schwarzes Loch.
Noch immer wütend jagte sie der Greif
und stelzte durch den engen Spalt, fast steif.

Es tasteten ins Dunkel sich die Reiter.
Manch’ Zaudern vorne. „Zagt nicht! Weiter, weiter!”
Doch just in dem Moment trat aus der Schwärze -
oh Graus! - ein Drache, nahm sie sich zu Herze’!

Was nun? Links, rechts, hint’, vorn und an den Ecken
kein Weg zur Flucht, kein Hohlraum zum Verstecken.
Von zwei der stärksten Wesen in der Zange -
da ward den armen Rittern richtig bange.

Doch als die Augen sich ans Licht gewöhnten,
die Armen mit Fortuna sich versöhnten.
In einem bisher nicht entdeckten Winkel
erkannten eine Tür sie - samt mit Klinkel.

Sie fassten darnach, und die winzige Tür sprang auf,
dahinter führten sich windende Stufen hinauf.
So konnten sie doch noch der misslichen Lage entkommen
und waren gar zweien der tödlichsten Bestien entronnen.

Weit aus der Tiefe kam grausiges Wutgeschnaube.
Wären sie jetzt noch dort unten, so wären sie Taube.
Zahllos bald waren die Stufen, sie nahmen kein Ende.
Schwindel nahm zu, sie stiegen aus Furcht behende.

Doch glücklich langten sie oben endlich an
und hatten verloren keinen einzigen Mann.
Sie standen zum Glück in den Kellern vom Hohen-Neuffen.
Denn hier lag Wein, um zum „Württemberger” zu reifen.

Sie hörten weit unten den Drachen dem Greifen zürnen
und schepperten durch die Halle bis hin zu den Türmen.
Und abermals stiegen sie schwindelnd im Kreislauf hinan,
verloren - Potzblitz! - schon wieder nicht einen Mann!

Sie erreichten jene von Winden ergriffene Zinne
und warfen ein Auge hinab, zu sehen, wer gewinne.
Es hatte der Drache den Greifen hinausgetrieben.
Nur weichen konnte der solchen mächtigen Hieben.

Da waren sie auch schon aus dem Spalt hinaus,
und schon brach die rasende Kampfgier des Greifen aus.
Er fetzte durchs Gras und peitschte hinaus seine Schwingen,
um sich nach oben in kräftige Winde zu bringen.

Der Lindwurm ihm nach auf ledernen, schwarzen Flügeln,
dabei, dem Greifen eins über den Schädel zu bügeln.
Doch dieser, nicht mehr eingeengt, bewies,
dass von ’nem Wurm er nichts sich sagen ließ!

Was in der Schlucht der Lindwurm hatte voraus
dem Greif, hier oben reichte das nicht mehr aus.
Der Drache besaß seine Schnauze nebst sechs Klauen,
der Greif vier löwene Pranken, zum Drachen-Hauen.

Zudem den Schnabel des Königs der Lüfte, des Aars.
Da flog der Wurm in die Luft und kreischte: „Das war’s!”
Doch soo leicht machte der Greif es ihm dann nicht.
Im Flug war ein Drache für Greifen ein kleiner Wicht.

Er packte das Ende der Schlange und flog zwei Schlaufen
und zog es, ohne ein weiteres Mal zu verschnaufen,
zu einem sonderbar anzusehenden Knoten.
Es glich nun mehr einem seltenen Exoten.

D’rauf trug in der Gestalt er ihn zum Horst,
auf dem Steine thronend, über’m Forst.
Sechs winz’ge Greiflein krähten d’raus herfür
mit schon beachtlichem Souper-Gespür.

„Aah-Tschip!” schrien sie und sperrten die Schnäblein auf.
Der Greif riss sechs der Beine für sie aus.
verschlang den halben Leib. Am Horizonte
er seine entzückende Greifin sehen konnte!

Die Ritter, bewegt von dieser Familien-Idylle
wichen respektvoll zurück in die Abendstille.
Die rotgold’ne Sonne versank in glühenden Strahlen,
und dieser Tag ging ein in die Annalen.

Bis heut’ steht unterhalb vom Hohen-Neuffen
der Wald von unserem württemberg’schen Greifen,
doch seitdem niemals mehr die Ritterschar
zur Mittagszeit im Holz zugegen war.

Ende
 



 
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